Branchenvereinbarung zur Landwirtschaft

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Wozu eine Branchenvereinbarung zur Landwirtschaft?[Bearbeiten]

Wer schon einmal das Vergnügen hatte, an einem großen Maststall vorbeizuspazieren, versteht die rechtliche Zuordnung sofort: Die Genehmigung von Ställen zur Mast von Schweinen und Hühnern fällt unter das Bundesimmissionsschutzgesetz und ist Aufgabe der Kreisverwaltungen. Im Genehmigungsverfahren kommt es auf das "gemeindliche Einvernehmen" der betroffenen Gemeinde an. Da die Intensivtierhaltung hierzulande zunimmt, sollen Branchenvereinbarungen zur Landwirtschaft gegenläufige Interessen zusammenbringen, um beispielsweise zu regeln, ob und unter welchen Bedingungen entsprechende Ställe in der Nähe von Wohngegenden errichtet werden dürfen. Gerade in den Flächenkreisen mit ausgeprägter Intensivtierhaltung diskutieren die Räte und Kreistage intensiv darüber, und auch angesichts der abnehmenden Akzeptanz dieser Art von Landwirtschaft interessieren sich zunehmend mehr BürgerInnen für deren Bedingungen - von potenziellen AnwohnerInnen ganz zu schweigen.

Hoffnungsvoller Ansatz? Beispiel Landkreis Borken (Artikel von Rita A. Herrmann)[Bearbeiten]

Landwirtschaft und Wohnbebauung sollen sich weiter entwickeln können – aber im Konsens, und nicht im Konflikt. Dieses Ziel verfolgt die Branchenvereinbarung Landwirtschaft, die Vertreter der Kommunen sowie der Landwirtschaft im münsterländischen Landkreis Borken Ende November 2012 unterschrieben haben. In einem längeren Abstimmungsprozess war ein Kommunikationskonzept entstanden, mit dessen Hilfe die jeweiligen Positionen vor Ort aufeinander abgestimmt werden können. Schon bei den ersten Überlegungen zu einem Stallbau sollen die Bauern beim Kreis oder der Kommune sondieren, ob sich diese Idee mit der Wohnbebauung an Siedlungsrandbereichen oder Ortsrändern verträgt. Falls erforderlich, sind dann noch Umplanungen möglich, oder es könnten Abluftfilter bzw. -wäscher eingebaut werden. Im Gegenzug wollen sich die Gemeinden regelmäßig mit ihren Landwirten über die Siedlungsentwicklung austauschen.

Die Branchenvereinbarung war von der Initiative „Region in der Balance – Regionale Allianz für die Fläche im Kreis Borken“ angestoßen worden. Sie macht sich dafür stark, dass sorgsam, sparsam und möglichst konfliktfrei mit der Landschaft umgegangen wird. Getragen wird die Initiative vom Kreis und seinen 17 Kommunen, dem Landwirtschaftlichen Kreisverband sowie der örtlichen Landwirtschaftskammer. Das Projekt „Region in der Balance“ wird vom Umweltministerium NRW, der Landesarbeitsgemeinschaft Agenda 21 NRW sowie vom Wissenschaftsladen Bonn unterstützt.[1]

Weblinks[Bearbeiten]

Ein Rosstäuschertrick? Beispiel Landkreis Coesfeld (Artikel von Norbert Vogelpohl)[Bearbeiten]

Die Unruhe in den Flächenkreisen mit ausgeprägter Intensivtierhaltung nimmt zu. Immer mehr und immer größere Ställe zur Mast von Schweinen und Hühnern sollen gebaut werden. Für deren Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz sind die Kreisverwaltungen zuständig. Innerhalb dieses Verfahrens wird das „gemeindliche Einvernehmen“ der betroffenen Gemeinde abgefragt. So ist es nicht überraschend, dass in den Räten und den Kreistagen heftig über Sinn und Unsinn dieser Ställe debattiert wird. Zur „Versachlichung der Diskussion“ haben findige Geister „Kooperationsvereinbarungen zum Bau von Stallanlagen“ ins Gespräch gebracht. Warum nicht den Konflikt vor Ort entschärfen, warum nicht die Betroffenen zu Beteiligten machen. Hinter diesem Vorschlag lugt auch die Erkenntnis vor, dass diese Form der Landwirtschaft dramatisch an Rückhalt und Akzeptanz in der Bevölkerung verloren hat!

Der Prozess und das Ergebnis waren dann doch – zumindest im Kreis Coesfeld – sehr enttäuschend. Hier hatte die Kreisverwaltung 2011 mit dem Landwirtschaftsverband verhandelt, oder dieser mit sich selbst – wie Spötter angesichts des Ergebnisses meinen. Die Politik war außen vor geblieben, Naturschutzverbände und Bürgerinitiativen wurden erst auf Drängen im Nachgang schriftlich über das Ergebnis in Kenntnis gesetzt! Das Arbeitsergebnis mit dem euphemistischen Titel „Zukunftsorientierte Ansätze für den Bau und Betrieb von Tierhaltungsanlagen“ enthält auf zwei Seiten erst einmal eine allgemeine Zuständigkeits- und Problembeschreibung.

Vereinbart wurde ein Beratungsangebot für Bauinteressenten – eine solche informelle Erstberatung gab es faktisch vorher schon. Zweitens wurde ein Runder Tisch eingerichtet, der sich um Konflikte und Grundsatzfragen kümmern soll. Wenn er denn schon getagt hat, dann tut er dies im Stillen. Weiter sollen künftig Stallanlagen „nicht mehr in der freien Landschaft gebaut werden“ und die „Installation von Abluftanlagen (…) vorgesehen werden“. Dem Tierschutz soll durch „besondere Anforderungen an den Brandschutz und die Rettungsmöglichkeiten für Tiere“ entsprochen werden. Gerade beim teuren Brandschutz darf man bezweifeln, dass Investoren über das vorgeschriebene Maß hinausgehen.

Wie gering die Bindungswirkung dieser Vereinbarung ist, wurde bei der ersten Probe aufs Exempel im Ratssaal der Stadt Coesfeld deutlich. Hier gab der Bauinteressent frank und frei zu Protokoll, dass diese für ihn keine Bedeutung habe, er sich nur an gültigen Gesetze und Verordnungen orientieren werde. Der Stallbauwahn im Kreis Coesfeld hält unvermindert an. Eine Lenkungswirkung schreibt der Landrat zwar der Vereinbarung zu, einen Beleg für diese Einschätzung bleibt er bislang schuldig. Die Branchenvereinbarung für den Kreis Coesfeld ist kein Beitrag zur Problemlösung, sondern ein schlechter Rosstäuschertrick.

Weblinks[Bearbeiten]

Fußnote[Bearbeiten]

Verwendete Artikel[Bearbeiten]

  • Rita A. Herrmann: Branchenvereinbarung zur Landwirtschaft. AKP 1/2013, S. 9 f.
  • Norbert Vogelpohl: Die Branchenvereinbarung - ein Rosstäuschertrick? AKP 2/2013, S. 10 f.