Divestment

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Divestment oder disinvestment, im Deutschen auch als Desinvestition oder Devestition bezeichnet, ist im Wortsinn das Gegenteil von "Investment" oder "Investition". Gemeint ist der (strategische) Rückzug aus einer Investition, in der Regel also der Verkauf von Vermögenswerten.

Politisch begründetes Divestment[Bearbeiten]

Logo von fossilfree

Divestment ist manchmal Teil politischer Kampagnen: Anleger/innen werden aufgefordert, ihr Geld nicht in Unternehmen zu investieren bzw. daraus zurückzuziehen, die kritisierte Ziele verfolgen. Aktuell gibt es insbesondere eine Kampagne[1] zum Rückzug aus Investitionen in Firmen, die in der Energieerzeugung aus fossilen Rohstoffen engagiert sind und damit zum Klimawandel beitragen; diese Kampagne richtet sich auch an Kommunen. Wichtige Träger solcher Kampagnen in Deutschland sind die Organisationen FossilFree und Greenpeace.

Münster als Vorreiter[Bearbeiten]

Als erste Stadt Deutschlands hat sich Münster auf eine Divestment-Strategie verständigt. Am 04.11.2015 fasste der Haupt- und Finanzausschuss einen Beschluss[2], durch den die Anlagerichtlinie der Stadt Münster geändert wird. Ab 01.01.2016 gelten für Anlagen der Stadt Münster folgende Kriterien:

  • keine Beteiligung an Unternehmen, die Kinderarbeit zulassen,
  • keine Beteiligung an Unternehmen, die Militärwaffen herstellen oder vertreiben,
  • keine Beteiligung an Unternehmen, die Atomenergie erzeugen oder auf nicht nachhaltige und klimaschädliche Energien setzen,
  • keine Beteiligung an Unternehmen, die Schiefergasgewinnung (sogenanntes „Fracking“) betreiben.

Mittelfristig werden weitergehende ethische Grundsätze angestrebt:

  • keine Beteiligung an Unternehmen, die Pflanzen oder Saatgut gentechnisch verändern,
  • keine Beteiligung an Unternehmen, die Tierversuche für die Herstellung von Kosmetika durchführen,
  • keine Beteiligung an Unternehmen, denen eklatante Bestechungs- oder Korruptionsfälle nachgewiesen worden sind.

Der Beschluss kam auf Betreiben von Grünen und SPD mit Unterstützung von ÖDP, Piraten und Linken zustande. Dabei kam der Ausstieg aus "nicht nachhaltigen und klimaschädlichen Energien" erst durch eine nachträgliche Änderung in den Beschluss. Er wirkt sich vor allem auf zwei kommunale Pensionsfonds aus, in denen insgesamt 22. Mio. € angelegt sind: den VUS-Münster-Fonds und den WVR-Fonds (Westfälischer Versorgungsrücklage-Fonds).[3] Letzteren teilt sich Münster mit Bochum, Bielefeld, Bottrop, Hagen, Herne und Osnabrück. Bis zum 01.04.2016 war laut Mitteilung des Leiters der Stadtkasse der Beschluss umgesetzt, die Fonds hielten keine Aktien nicht nachhaltiger Firmen mehr.[4]

Weitere Beispiele aus Deutschland[Bearbeiten]

  • Berlin legt seit einem Beschluss des Abgeordnetenhauses vom 23.6.2016 den Anteil der Aktien in der Versorgungsrücklage des Landes (78 Mio. €, Stand 2016) nachhaltig an.[5]
  • Bremen hat einen Beschluss formuliert, der besonders differenzierte Ausschlusskriterien enthält; die Organisation "fossilfree" bezeichnet dies als den bisher "stärksten Divestment-Beschluss".[6] Neben fossilen Brennstoffen gehören zu den Ausschlusskriterien auch: Kinderarbeit, Herstellung oder Vertrieb von Kriegswaffen, Herstellung oder Vertrieb von gentechnisch veränderten Pflanzen oder Saatgut, Durchführung von Tierversuchen zur Herstellung von Kosmetika, Eklatante Korruptions- oder Bestechungsvorfälle, Verletzung der ILO-Kernarbeitsnormen, Unterstützung von Schattenfinanzplätzen und Steuervermeidung.
  • Göttingen beschloss im Mai 2017 eine neue Anlagerichtlinie, die verschiedene Anlageformen und Beteiligungsmöglichkeiten ausschließt.[7]
  • Stuttgart hat im Juli 2016 Ausschlusskriterien für kommunale Investitionen verabschiedet, die denen von Bemen sehr ähnlich sind.[8]

Internationale Beispiele[Bearbeiten]

Münster ist Vorreiter für Deutschland, doch international nicht an erster Stelle. Zuvor haben beispielsweise San Francisco (USA), Oxford (GB) und Oslo (Norwegens Hauptstadt) beschlossen, ihre Gelder aus der Produktion und Verwendung fossiler Energiequellen zurückzuziehen.[9] Weltweit haben inzwischen viele Universitäten, Kirchen etc. sich der Kampagne angeschlossen. Von besonderer Bedeutung kann sein, dass der norwegische Nationalfonds – mit einem Volumen von 850 Milliarden Dollar der größte Staatfonds weltweit – im Februar 2015 angekündigt hat, sich von Beteiligungen an 32 Kohle-Konzernen zu verabschieden.[10]

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Fossil Free Deutschland. Kein Geld für Kohle, Öl und Gas
  2. Der Beschluss im Entwurf: Konsequentes Eintreten für Menschenrechte und Klimaschutz - auch bei den Finanzen (pdf-Format, 2 Seiten)
  3. Westfälische Nachrichten: Geldanlagen: Nur noch ethisch unbedenklich, 06.11.2015
  4. Westfälische Nachrichten: Münster investiert nun nachhaltig - Keine Kohle mehr für die Kohle, 01.04.2016
  5. Siehe hierzu: Pressemitteilung sowie Zwischenbericht des Senats vom 6.9.2016; siehe auch: Öffentlicher Dienst News, Berlin will Versorgungsrücklage in nachhaltige Aktien investieren, 18.09.2016
  6. Vgl. den Beschluss der Bremischen Bürgerschaft im Wortlaut; siehe auch fossilfree Deutschland: Bremen - der bisher stärkste Divestment-Beschluss
  7. Stadt Göttingen, Ratsbeschluss vom 12.05.2017 mit Link auf die Anlagerichtlinie
  8. vgl. Stadt Stuttgart, Stuttgart achtet beim Vermögen auf Nachhaltigkeit - Keine Investitionen in Unternehmen, die Kohle, Öl oder Fracking-Erdgas abbauen, Pressemitteilung vom 27.07.2017
  9. Greenpaece Magazin, Oslo steigt aus, 04.03.2015
  10. Greenpeace-Magazin, s. o.

Weblinks[Bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten]