Kommunale Selbstverwaltung sieht anders aus

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Zum Einfluss von CETA und TiSA auf die Auftragsvergabe von Städten und Gemeinden[Bearbeiten]

Diskussionsbeitrag von Thomas Eberhardt-Köster[1]

Eine Vision[Bearbeiten]

Lebensmittel aus regionalem Anbau unter akzeptablen Arbeitsbedingungen von lokalen Betrieben erzeugt und biologisch einwandfrei. Was liegt für eine Stadt näher, als solche Lebensmittel in den von ihr betriebenen Schulmensen zu verwenden? Sei es, weil sie die Mensen mit eigenen MitarbeiterInnen betreibt oder über Firmen, denen sie die Regeln vorgibt, unter denen diese arbeiten. Spricht doch das Grundgesetz den Kommunen das Recht zu, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln[2]. Tatsächlich ist es gar nicht so einfach für Städte und Gemeinden, das Naheliegende zu tun.

Einige Einschränkungen[Bearbeiten]

Bei der Regelung ihrer Angelegenheiten werden die Städte und Gemeinden in vielerlei Hinsicht in ihrer Gestaltungsfreiheit eingeschränkt. Nicht nur, dass sich für viele Kommunen in den letzten Jahrzehnten die finanzielle Situation massiv verschlechtert hat. Im Zuge der Privatisierungs- und Deregulierungsmaßnahmen der verschiedenen Bundesregierungen von gelb/schwarz über rot/grün bis schwarz/rot und der Maßnahmen der EU sind Richtlinien erlassen und Gesetze beschlossen worden, die den Städten und Gemeinden bei ihrer Aufgabenerledigung strenge Regeln auferlegt, die in erster Linie dazu dienen, "mehr Markt" in das kommunale Handeln zu bringen. Ihnen wird nicht nur vorgeschrieben, welche Aufgaben sie selber erledigen dürfen und welche sie zwingend an Dritte vergeben müssen. Auch bei der Entscheidung, in welcher Form Aufträge ausgeschrieben und nach welchen Kriterien sie vergeben werden müssen, unterliegen sie Vorgaben.

Phasen des neoliberalen Umbaus Öffentlicher Dienste[Bearbeiten]

Der Vermarktlichung kommunalen Handelns hat seit den 1970er Jahren verschiedene Phasen durchlaufen. Auf die Ausweitung kommunaler Tätigkeiten unter anderem im sozialen Bereich, in der Jugendarbeit und im Kulturbereich in den 1970er Jahren, folgte ab den 1980er Jahren der Aufstieg des Neoliberalismus. Sein Leitmotiv war, soviel Markt wie möglich in den öffentlichen Sektor zu bringen. In den 1990er Jahre erfuhren die Kommunen mit Konzepten wie dem Neuen Steuerungsmodell eine Verbetriebswirtschaftlichung, und im Rahmen der EU wurden erste Pflöcke zur Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen eingerammt. Die Dienstleistungsrichtlinien zu Energie, Post und Schienenverkehr wurden verabschiedet. Zunächst waren die Kommunen weniger betroffen als Bundesunternehmen. In den 2000er Jahren ging die Privatisierung mit Hilfe von EU-Richtlinien weiter. Im 2004 erschienen Weißbuch[3] wurde formuliert, dass öffentliche Dienstleistungen möglichst über wettbewerbsfähige offene Märkte realisiert werden sollen. Und 2006 wurde die EU-Dienstleistungsrichtline[4] verabschiedet, die indirekt massiv Einfluss auf kommunales Handeln nimmt. Die Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/2008 sorgte nur für einen kurzen Moment des Innehaltens bei der Privatisierung öffentlicher Dienste, führte allerdings nicht zu einer Wende.[5]

GATS & Co[Bearbeiten]

Parallel zu den Privatisierungs- und Deregulierungsbestrebungen der EU fanden im Rahmen der WTO Verhandlungen zur Marktöffnung bei öffentlichen Dienstleistungen statt. Unter anderem aufgrund massiven öffentlicher Protest konnten sich die PrivatisierungsbefürworterInnen nicht in dem Maße durchsetzen, wie sie wollten. Gerade kommunale Dienstleistungen waren in der Folge nur in wenigen Fällen direkt von den Liberalisierungen betroffen, die sich aus dem GATS ergaben. Wichtig ist das GATS für Kommunen insofern, als es eine Definition von öffentlichen Dienstleistungen enthält, die von Liberalisierung ausgeschlossen bleiben sollten - darauf wird heute oft Bezug genommen. Das GATS definiert öffentliche Dienstleistungen als solche, die in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden und die weder zu kommerziellen Zwecken noch im Wettbewerb mit einem oder mehreren Dienstleistungserbingern erbracht werden.[6] Damit wird deutlich, dass sehr viele Dienstleistungen, die von Kommunen erbracht werden, nicht unter diese Ausnahme fallen.

Weil sie sich beim GATS nicht mit allen Liberalisierungsmaßnahmen durchsetzen konnten, setzen die PrivatisierungsbefürworterInnen heute auf bilaterale und mulitilaterale Abkommen, u.a. auf TTIP, CETA und TiSA. Und was dort geregelt wird, hat Folgen für Kommunen. Waren es früher in erster Linie nationale und europäische Regelungen und Gerichtsentscheidungen, die deren Vergabepraxis bestimmt haben, so werden zukünftig zunehmend Regelungen aus Handelsverträgen eine Rolle spielen.

Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen[Bearbeiten]

Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen regelt die Art und Weise, wie Städte und Gemeinden Aufträge an Dritte, sei es Firmen oder Vereine oder Wohlfahrtsverbände, vergeben müssen. Das seit letztem Jahr geltende neue Vergaberecht gibt den Kommunen die Möglichkeit, bei Ausschreibungen Zuschlagskriterien zu definieren, um beispielsweise die Qualität einer Dienstleistung zu sichern und nicht immer den billigsten Anbieter nehmen zu müssen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat in seinen Eckpunkten zum neuen Vergaberecht geschrieben, mit ihm sollten bei der Auftragsvergabe stärker soziale und ökologische Aspekte eine Rolle spielen dürfen, solange diese in Verbindung zum Auftragsgegenstand stehen. Über die sogenannten Zuschlagskriterien gibt das neue Vergaberecht den Kommune tatsächlich die Möglichkeit, stärker als bisher ökologische und soziale Kriterien bei der Vergabe zu berücksichtigen. Diese Regelungen haben das Potential, kommunale Gestaltungsräume wiederzugewinnen, sofern die Städte und Gemeinden davon intensiv Gebrauch machen. Allerdings machen VergaberechtlerInnen schon darauf aufmerksam, dass diese Regelungen nicht kompatibel zu den Wettbewerbsregelungen sind, wie sie beispielsweise in CETA festgeschrieben sind.

Was Not tut[Bearbeiten]

In Umkehrung der Entwicklung der letzten Jahrzehnte, in denen die Gestaltungsfreiheit der Städte und Gemeinden immer mehr eingeschränkt und ihr Handeln Markregelungen unterworfen wurde, brauchen wir eine Politik, die ihnen wieder mehr Freiräume verschafft und es ihnen im Rahmen ihrer Gewährleistungspflicht selbst überlässt, wie sie die kommunale Dienstleistungen erbringen. Dazu braucht es eine andere Politik auf EU-Ebene und ein grundlegend anderes Mandat bei den Verhandlungen um Handelsabkommen. Denn das Alternative Handelsmandat sieht im öffentlichen Beschaffungswesen zu Recht „ein leistungsfähiges Werkzeug, das genutzt werden kann zur Schaffung und zum Erhalt … lokaler Wirtschaftsstrukturen, zur Förderung einer gerechten und inklusiven Gesellschaft und zur Gewährleistung des Umweltschutzes.“[7]

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Der Autor ist Mitglied im Koordinierungskreis von Attac-Deutschland und in der AG Kommunen von attac. Der Beitrag basiert auf einem Vortrag des Autors bei der Konferenz Freihandel und Kommunen am 29. April 2017 in Nürnberg. Er wurde mit Genehmigung des Autors dem Theorieblog von attac entnommen. Mehr zum Autor hier.
  2. Vgl. Art. 28 (2) GG
  3. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, KOM(2004) 374 endgültig, 12.05.2004 (pdf-Format, 33 Seiten)
  4. Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (pdf-Format, 33 Seiten)
  5. Vgl. Attac: Die wirklich falschen Freunde – CETA, TTIP, TiSA, S. 11f.
  6. Vgl. GATS (Originaltext deutsch), Art. I (3) b und c
  7. Alternatives Handelsmandat 2013, S. 19

Siehe auch[Bearbeiten]