Kommunalwahl in Hessen 2011

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In welcher Wahlstatistik darf man das schon lesen: „Es wurden bisher keine Verluste verzeichnet.“ So stand es bei HR-Online in der Rubrik „Größte Verluste / Grüne“. Selbst in den Landkreisen gewann Bündnis 90/Die Grünen am 27. März 2011 durchweg. Sie sind die Gewinner der Kommunalwahlen in Hessen.[1]

Eine Wahlanalyse von Jürgen Frömmrich[Bearbeiten]

Mit einem Landesergebnis von 18,3% verdoppelten die Grünen ihr Ergebnis im Vergleich zur Kommunalwahl 2006.[2] Damals hatte die Partei einen Stimmenanteil von 9,2%.

Sogar mehr als verdoppelt hat sich die Anzahl der Mandate. In den Kreistagen und Stadtverordnetenversammlungen der kreisfreien Städte werden die Grünen zukünftig mit 348 Sitzen, einem Plus von 173 Mandaten, vertreten sein. Auch die Abgeordnetenmandate in den Gemeindevertretungen haben sich mehr als verdoppelt.[3]

Grüne Gewinne, allüberall[Bearbeiten]

Den Grünen ist es im Gegensatz zu allen anderen Parteien sehr gut gelungen, ihre Wählerschaft zu mobilisieren. Bei der Bundestagswahl 2009 wählten sie in Hessen 381.948 Wahlberechtigte. Davon machten bei der Kommunalwahl 378.487 ihr Kreuz ebenfalls bei den Grünen. Die Mobilisierungsquote lag also bei 99,1% und das bei deutlichen Unterschieden in der Wahlbeteiligung: Jetzt gingen 47,6% der Wahlberechtigten an die Urnen, immerhin 1,8 Prozentpunkte mehr als 2006. Bei der Bundestagswahl 2009 lag die Wahlbeteiligung bei 73,8%.

Darmstadt: stärkste Partei plus Oberbürgermeister[Bearbeiten]

Einen erdrutschartigen Wahlsieg gab es in der Wissenschaftsstadt Darmstadt. Die Grünen wurden mit 32,9% und 23 Mandaten stärkste Kraft in der Stadtverordnetenversammlung (2006: 15,5% mit elf Mandaten) und verwiesen die Mitbewerber deutlich auf die Plätze. Die CDU kam auf 24,8% und die SPD auf 21,3% der Stimmen.

Einen grandiosen Sieg feierte auch der bisherige Darmstädter Sozialdezernent Jochen Partsch (Grüne)[4]. Er wurde bei der Stichwahl am 10. April mit 69,1% zum neuen Oberbürgermeister gewählt.[5] Sein Gegenkandidat in der Stichwahl war der amtierende Oberbürgermeister Walter Hoffmann (SPD), der nur auf 30,9% der Stimmen kam. Mit dem Sieg von Partsch geht in Darmstadt eine SPD-Ära zu Ende, denn seit 1945 gab es keinen Oberbürgermeister in der Uni-Stadt, der nicht das SPD-Parteibuch in der Tasche hatte. Jochen Partsch ist mit Michael Korwisi (Bad Homburg)[6] der zweite grüne Oberbürgermeister in Hessen.

Eine positive Nachricht ist auch aus der Stadt Rödermark zu vermelden. Der grüne Bürgermeister Roland Kern[7] wurde mit 59,1% der Stimmen für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Kern setzte sich im ersten Wahlgang gegen vier Mitbewerber durch.

Frankfurt: Schwarz-Grün bestätigt[Bearbeiten]

In Frankfurt am Main wurden die Grünen zweitstärkste Partei mit 25,8% gegenüber 15,3% 2006. Dort wächst die Fraktion im Römer um zehn auf 24 Mitglieder. Die WählerInnen bestätigten damit die schwarz-grüne Regierungskoalition in der Finanzmetropole deutlich. Die CDU verlor 5,5 Prozentpunkte und kam auf einen Stimmenanteil von 30,5%. Die Verluste wurden aber durch die starken Zugewinne (+10,5 Punkte) des grünen Koalitionspartners ausgeglichen.

„Bemerkenswert sind die Panaschierverflechtungen bei der CDU. Während bei den vergangenen Wahlen die Wählersympathien ganz bei der FDP lagen, rücken nun 2011 die Grünen in den Mittelpunkt des Austausches. So ziehen die CDU-Wähler/innen die Bewerber/innen der Grünen mit 45,3% eindeutig vor.“ [8] Auch insgesamt waren die Frankfurter Grünen die "Panaschiergewinner": „Die meisten Stimmen verteilten die Parteienwähler/innen der SPD (92.070), der Grünen (88.089), der CDU (48.987) und der FDP (37.283) an andere Wahlvorschläge. Umgekehrt empfingen die meisten panaschierten Stimmen die Bewerber/innen der Grünen (150.319), gefolgt von den Kandidat/innen der CDU (83.143).“ Die Panschierbeziehungen zwischen den Parteien können aber nur als „grober Anhaltspunkt dienen“, denn es wurden nur die panaschierten Stimmen mit Listenkreuz (430.000) berücksichtigt. Dies sind 2,6% aller gültigen Stimmen oder 13,7% der gültigen panaschierten Stimmen.

Gewinne in Hochburgen – und auch in den Kreisen[Bearbeiten]

Auch in den anderen hessischen Großstädten gab es satte grüne Zugewinne:

Und das sind die Hochburgen der Grünen:

Auch in den Landkreisen Hessens waren durchweg Gewinne zu vermelden. Hier wurde ebenfalls der Stimmanteil der Grünen fast verdoppelt. In den ländlichen Gebieten lagen die Zuwächse zwischen sieben und acht Prozentpunkten, in den Landkreisen der Rhein-Main-Region zwischen zehn und elf. Am meisten legten die Grünen hier zu:

Auch in den eher ländlich strukturierten Kreisen in Nordhessen haben die Grünen durchweg zweistellige Ergebnisse eingefahren:

Im Landkreis Fulda haben die Grünen die Zahl der Mandate im Kreistag verdreifacht, von vier auf zwölf.

Zu Wählerwanderungen können für die Kommunalwahl in Hessen leider keine genauen Angaben gemacht werden, da keine landesweiten Nachwahlbefragungen durchgeführt wurden. Es dürfte aber klar sein, dass genau wie bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg die Grünen mehr oder weniger von allen anderen Parteien WählerInnen dazu gewonnen haben. Die größten Zugewinne wurden aus dem Nichtwählerbereich mobilisiert. Das zeigt ja auch die hohe Mobilisierungsquote von 99,1%.

Wiesbaden: Gewinne in allen Altersstufen[Bearbeiten]

Zu interessanten Ergebnissen kommt auch die Wahlanalyse der Stadt Wiesbaden bezüglich der Wahlentscheidung nach Wahlalter und Geschlecht. „Bei den jungen Altersgruppen waren die Grünen immer Favorit. Ihre stärkste Bastion bleiben aber die 35- bis 44-Jährigen – hier und bei den 25- bis 24-Jährigen sind sie stärkste Partei, wobei die Grünen in allen Altersklassen massiv zulegten. Prozentual am meisten legten sie bei den 45- bis unter 59-Jährigen zu.“ [9] Bei den Wiesbadener Frauen sind die Grünen in fast allen Altersgruppen stärkste Partei, nur bei den Frauen über 60 Jahren ist der Anteil mit 7,6% eher bescheiden. In der Gruppe 18-24 Jahre ist der Anteil von 21,4 auf 33% gestiegen, in der Gruppe 25-34 Jahre von 14,9 auf 32,2%, bei den 35- bis 44-Jährigen von 24,5 auf 34,4 und in der Gruppe 45-59 Jahre von 14,3 auf 31%.

Die Wählerinnen und Wähler haben die politische Landkarte in Hessen am 27. März bunter werden lassen. Bislang gab es nur schwarz oder rot markierte Regionen, in denen die CDU oder SPD stärkste Partei geworden war. Dank der Darmstädterinnen und Darmstädter haben wir jetzt auch einen starken grünen Punkt.

Quelle[Bearbeiten]

Frömmrich, Jürgen: Kommunalwahlen in Hessen: Grüne Gewinne, allüberall, in: Alternative Kommunalpolitik, Ausgabe 3/11, Seite 28f

Siehe auch[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]