Kultur und Ehrenamt

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Unter "bürgerschaftlichem Engagement", "Freiwilligenarbeit" oder "ehrenamtlicher Arbeit" im Kulturbereich versteht man unentgeltliche Aktivitäten von Bürgerinnen und Bürgern zum Nutzen der Kultur. Solche Aktivitäten gewinnen ein zunehmendes Gewicht und sind dafür verantwortlich, dass nicht angesichts der Sparzwänge im Kulturbereich viele Sparten schon viel weiter ausgedünnt sind als es der Fall ist.

Vielfältige Beispiele[Bearbeiten]

Freiwillige Aktivitäten gibt es in Museen, wo sie dafür sorgen, dass überhaupt noch eine museumspädagogische Betreuung stattfindet, die Museumsshops geöffnet sind und Führungen um freiwilliges Personal verstärkt werden. Zahlreiche Arbeitsfelder von Bibliotheken könnten heute nicht mehr ohne Freiwillige stattfinden: Ausleihe in Krankenhäusern und Altenheimen, Bücherbasare, regelmäßige Öffnungszeiten kleiner Stadtteilzweigstellen, Vorlesetage für Kinder.

Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, Bürgerhäuser und Soziokulturzentren, Musikschulen, Heimatvereine, Geschichtswerkstätten und Kulturläden - die meisten dieser Aktivitäten würden ohne ehrenamtliche Kräfte nicht stattfinden können. Noch bedeutsamer als in der Stadt ist das Ehrenamt auf dem Lande, wo oft sogar Einrichtungen wie die Volkshochschule, Denkmalpflege und Kulturtreffs in alleiniger Verantwortung von Freiwilligen stehen.

Bedeutung des Ehrenamts[Bearbeiten]

Die bisher umfassendste Untersuchung zur Ehrenamtlichkeit vom Projektverbund Ehrenamt mit 15.000 Befragungen aus dem Jahre 2004 stuft die Bedeutung der Freiwilligenarbeit im Bereich "Kultur und Musik" auf Platz 4 der Rangliste mit 5,5% ein. Davor liegt der Bereich "Sport und Bewegung" mit einen 11%-Anteil von Freiwilligenarbeit, gefolgt von "Schule und Kindergarten" und dem kirchlich-religiösen Bereich mit je 7%. Die Vorgängerstudie hat nach Herausrechnungen von Doppelaktivitäten ermittelt, dass bundesweit über 2,1 Mio. Menschen im Kulturbereich ehrenamtlich aktiv sind.

Motivation[Bearbeiten]

Großes Gewicht in der aktuellen Debatte zur Freiwilligenarbeit wird der Motivation der Ehrenamtlichen beigemessen. Sie sehen sich selbst nicht als Lückenbüßer für nachlassendes kommunales Engagement bei der Kulturfinanzierung, sondern nennen folgende Hierarchie der Motive: "Tätigkeit muss Spaß machen", "mit sympathischen Menschen zusammenkommen", "etwas für die Gemeinschaft tun", "Selbstverwirklichung", "berufliche Qualifikation". Es läßt sich dabei insofern ein Stadt-Land-Gefälle erkennen, als in der Stadt viel mehr das "persönliche Vorteilsmotiv" als das "Pflichtmotiv" dominiert.

Ehrenamt kontrovers[Bearbeiten]

Die Debatte über die Ehrenamtlichkeit verlief in den frühen 90er Jahre zunächst relativ abstrakt und war von grundsätzlichen ideologischen Fragen geprägt, beispielsweise, ob sich die Ehrenamtlichen nicht als nützliche Idioten politisch instrumentalisieren ließen für Versäumnisse der Politik, ob sie nicht den Hauptamtlichen die Arbeitsplätze streitig machten und dafür mit bombastischen Worthülsen über bürgerschaftliches Engagement und demokratische Partizipation gehätschelt würden.

Ganz von der Hand zu weisen ist es sicherlich nicht, dass gerade in Zeiten des Rotstiftes freiwillige Arbeit einen besonderen Bonus erhält, und mancher Verantwortliche dazu neigt, lästige Aufgaben mit schönen Worten auf diejenigen abzuwälzen, die genügend Pflichtgefühl oder Gemeinwohlorientierung besitzen, um sie auch freiwillig auszuüben, wenn der Staat kein Geld mehr gibt.

In den letzten Jahren erfuhr die Debatte aber eine pragmatische Wende, hin z.B. zu so elementaren Fragen wie: Welche Probleme gibt es zwischen Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen? Wie wichtig die Klärung etwa dieses Fragenkomplexes ist, unterstreicht allein eine Entwicklung wie die Personalstruktur am Mannheimer Reiss-Museum, wo heute auf 62 haupt- und nebenamtlichen Beschäftigte über 200 Freiwillige kommen. Trotz der insgesamt eher positiven Bewertung der Freiwilligenarbeit durch die Beschäftigten im Kultursektor gibt es natürlich Reibungspunkte in der konkreten Praxis.

Herausforderung für Kulturmanagement[Bearbeiten]

Die Abstimmung arbeitszeitlicher Regelungen oder definierter Arbeitsbereiche und Verantwortlichkeiten zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen erfordert zusätzliche Arbeitsstunden und Kompetenzstreitigkeiten. Freiwillige fühlen sich von den Hauptberuflichen oft nicht ernst genommen, umgekehrt sehen die Hauptberuflichen häufig die weniger Spaß bringenden Tätigkeiten auf sich abgewälzt, während sich die Ehrenamtlichen die Rosinen herauspicken. Kurzum, es bedarf eines geschickten Kulturmanagements, um beide Seite zu einem Umdenken zu bewegen und für ein produktives Nebeneinander der hauptberuflichen und der freiwilligen Arbeit zu sorgen.

Oft sind dafür auch praktische Modellversuche erforderlich. Es gibt Bereiche, die sich für ehrenamtliche Tätigkeit besser eignen, andere sollten dagegen lieber den Profis überlassen bleiben. Eine wichtige Aufgabe diesbezüglich sieht übrigens auch die vor kurzen ins Leben gerufene Enquetekommission des Bundestages, die die Frage auf die Tagesordnung gesetzt hat, welche Zukunft die Ehrenamtlichkeit besitzt. Klar sein dürfte allen Beteiligten, dass angesichts der finanziellen Situation der meisten Städte und Gemeinden die Ressource des bürgerschaftlichen Engagements aus der Kulturpolitik künftig nicht mehr wegzudenken ist.

Literatur[Bearbeiten]

  • Bernd Wagner: Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerliches Engagement in der Kulturarbeit; in KULTURPOLITISCHE MITTEILUNGEN Nr. 89/II-2000, S. 36-41
  • Albrecht Göschel: Kulturpolitik in der aktiven Bürgergesellschaft; in difu: Aktuelle Informationen; September 2000
  • Jahrbuch für Kulturpolitik 2000; Schwerpunktthema "Bürgerliches Engagement"; Klartext-Verlag, Essen 2001
  • Albrecht Göschel: Kulturpolitik und Bürgergesellschaft; in KULTURPOLITISCHE MITTEILUNGEN Nr. 90/III-2000, S. 25-30
  • Bernd Wagner (Hg.): Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftliches Engagement in der Kultur - Dokumentation eines Forschungsprojektes; Dokumentation der Kulturpolitischen gesellschaft Nr. 55, Bonn/Essen 2000