Negativzinsen

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Infolge der noch nicht überwundenen Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre ab 2008 sind in vielen führenden Industrieländern die Zinsen auf ein Rekordtief gesunken. Auch in Deutschland erhalten Banken für das Anlegen von Geld bei der Europäischen Zentralbank heute keine Zinsen mehr, sondern müssen im Gegenteil seit November 2014 bei bestimmten Anlageformen sogenannte Negativzinsen zahlen.[1] Finden Banken eine Anlagemöglichkeit, die ihnen ähnlich sicher erscheint, sind sie daher bereit, auch an diesen Schuldner Minuszinsen zu zahlen, solange der Zinssatz unter dem der Bundesbank liegt. Daher können auch öffentliche Schuldner wie Bund, Länder und Gemeinden gelegentlich negative Zinsen erhalten, wenn sie sich mit relativ kurzer Frist verschulden.

Kommunen können in bestimmten Fällen Minuszinsen für Kassenkredite erhalten, wobei dies nach einigen Berichten eher bei ausländischen Banken möglich ist. Der bayerische Kreditmakler Erich Liegsalz hat nach eigenen Angaben in der zweiten Jahreshälfte 2015 Kredite in einer Gesamthöhe von 2,5 Mrd. € zu Negativzinsen an Kommunen vermittelt[2]. Für die zweite Jahreshälfte 2020 plant offenbar die KfW-Bank, Förderkredite mit Negativzinsen auszureichen.[3]

Kommunale Beispiele[Bearbeiten]

Beispiele für Kommunen, die Negativzinsen erhalten, finden sich seit Herbst 2015 zunehmend in der Presse:

Baden-Württemberg[Bearbeiten]

Kommunen in Baden-Württemberg sind vergleichsweise wenig verschuldet, so dass Negativzinsen hier keine große Rolle spielen. Eine Ausnahme ist Karlsruhe, das 2019 für aufgenommene Kassenkredite mehr Negativzinsen erhielt als Verwahrentgelte für Guthaben anfielen.[4]

Bayern[Bearbeiten]

Nach einem Bericht der "heute"-Redaktion des ZDF habe sich die jährliche Zinsbelastung Nürnbergs aufgrund der Niedrigzinsphase von 63 Mio. € auf ca. 30 Mio. € verringert.[5] Die Stadt gibt an, auf Kredite von insgesamt 50 Mio. € ausschließlich von deutschen Banken Negativzinsen zu erhalten.[6]

Brandenburg[Bearbeiten]

Die Stadt Fürstenwalde profitiert von Niedrigzinsen: Für einen Kassenkredit über 15 Mio. €, der andere Verbindlichkeiten ablöst, erhält sie 0,32% Zinsen. Der Kredit "bei europäischen Banken" wurde über ein Maklerbüro vermittelt.[7]

Hessen[Bearbeiten]

  • Offenbach erhielt 2016 für ca. 10% seiner Schulden (100 Mio. €) wenn auch geringe negative Zinsen. Die Zinsbelastung Offenbachs ist von 2014 auf 2015 um insgesamt 2,7 Mio. € gesunken.[8] Im Jahr 2017 wurde der Anteil der Kassenkredite, für die Offenbach Negativzinsen erhielt, auf "bis zu 35%" (bei einem Gesamtvolumen der KAssenkredite von 551 Mio. €) beziffert; die negativen Zinssätze lägen zwischen -0,05% und -0,31%.[9]
  • Nach einem Bericht der Frankfurter Neuen Presse verdiente der Main-Taunus-Kreis im August 2016 mit einem Kassenkredit über 10 Mio. € und einer Laufzeit von einem Monat etwas über 80 €. Der Landrat Michael Cyriax (CDU) hält Negativzinsen dennoch für "unverantwortlich" da kommunale Unternehmen, die Rückstellungen bilden müssten, auf Zinserträge angewiesen seien.[10]
  • Der Landkreis Offenbach hat nach einem Bericht der "Welt" von Januar bis August 2017 rund 150 Mio. € Kassenkredite aufgenommen und an den Negativzinsen ca. 70.000 € verdient; die Zinssätze lägen zwischen minus 0,05 und minus 0,3 Prozent.[11]
  • Der Landkreis Darmstadt-Dieburg hat zwischen August 2015 und August 2017 mit Zinssätzen zwischen 0,02% und 0,34% knapp 109.000 € verdient; zum August 2017 gab er die Summe der Kassenkredite mit Negativzinsen mit ca. 60 Mio. an.[12]
  • Der Main-Taunus-Kreis hat 2016 kurzzeitig mit einen Kredit über 10 Mio. € 84 Euro Zinsen verdient. Der Kassenkredit hatte eine Laufzeit von einem Monat und einen Zinssatz von minus 0,01%. Kredite mit Negativzinsen gab es seitdem aber nicht mehr.der Main-Taunus-Kreis kurzzeitig mit Schulden Geld verdient. Rund 84 Euro Zinsen erhielt er dafür, dass er zehn Millionen Euro aufnahm. Der Kassenkredit hatte eine Laufzeit von einem Monat und einen Zinssatz von minus 0,010 Prozent. Kredite mit Negativzinsen gebe es im Moment aber nicht mehr
  • Das hessische Finanzministerium will sich einen Überblick über kommunale Kassenkredite mit Negativzinsen verschaffen. Im Rahmen der Hessenkasse müssen Kommunen auch hierzu Angaben machen, die landesweit ausgewertet werden sollen.[13]

Niedersachsen[Bearbeiten]

Hannover hat im Mai 2016 auf seine Kassenkredite von 93 Mio. € im Durchschnitt 0,19% erzielt. Diese Negativzinsen seien aber nur bei ausländischen Banken (zumeist aus Skandinavien und den Benelux-Ländern) zu erhalten.[14]

Nordrhein-Westfalen[Bearbeiten]

  • Der "Kölner Stadtanzeiger" nennt Köln und Bergisch Gladbach[15]; letztere bekommt die "Minuszinsen" von einer holländischen Bank[16]. Laut WDR nimmt Bergisch Gladbach 2016 etwa 3.000 € aus Negativzinsen ein.[17]
  • Weiteres Beispiel ist Essen, das für rund ein Drittel seiner Kassenkredite keine Zinsen zahlt oder gar Negativzinsen von unter 0,1% erhält; diese summieren sich für die Stadt jährlich auf einen fünfstelligen Betrag.[18] Zusätzlich nennt focus money Köln, Leverkusen, Greven und Oberursel.[19]
  • Laut DW profitiert Dortmund von Negativzinsen zwischen 0,1% und 0,9%.[20]
  • Remscheid nahm mit Negativzinsen 2016 etwa 260 € ein, Bielefeld sogar einen Betrag im "niedrigen sechsstelligen Bereich". Wuppertal werde bis zu 20.000 Euro aus Zinserträge durch Schulden einnehmen,[21] Herne rund 5.000 €[22]
  • Der Hochsauerlandkreis hat durch Negativzinsen im Jahr 2016 rund 1,2 Mio. € gespart. Auch die in diesem Kreis gelegenen Städte Arnsberg, Sundern und Meschede haben nach Angaben der Landesregierung von Negativzinsen profitiert.[23]

Sachsen-Anhalt[Bearbeiten]

Die Stadt Calbe nahm für das Jahr 2020 einen Festbetragskassenkredit in Höhe von 5,5 Mio. € auf. Aufgrund einer Bonuszahlung der Bank "im mittleren vierstelligen Bereich" ergab sich dafür trotz eines nominellen Zinssatzes von 0,001% im Ergebnis ein Negativzins.[24]

Schuldscheine statt Kommunalkredit?[Bearbeiten]

Einige Kommunen versuchen, Negativzinsen zu vermeiden, indem sie Schuldscheine kaufen statt Geld bei Banken anzulegen. Dies könnte jedoch als spekulative Geldanlage anzusehen sein, die in einigen Bundesländern den Kommunen ausdrücklich verboten ist. Siehe dazu den Abschnitt Schuldscheindarlehen als Geldanlage oder "Carry Trade" durch Kommunen im Artikel Schuldschein.

Negativ verzinste Kommunalkredite[Bearbeiten]

Im Januar 2020 kündigte die KfW-Bank an, ab April 2020 negativ verzinste kommunale Direktdarlehen anzubieten. Ob diese Ankündigung angesichts der Corona-Krise Bestand hat, bleibt abzuwarten.[25]

Im Januar 2021 gab die NRW.Bank, die Förderbank des Landes NRW, bekannt, dass sie ebenfalls für Kredite im Rahmen zweier Förderprogramme Negativzinsen anbietet. Kommunen, die im Rahmen der Programme NRW.Bank.Kommunal Invest sowie NRW.Bank.Moderne Schule Kredite erhalten, können mit einem Negativzins von bis zu 0,84% rechnen.[26]

Seit Februar 2021 bietet auch die L-Bank, die Förderbank des Landes Baden-Württemberg, Kommunen Kredite zu Negativzinsen an. Ziel sei es, den Kommunen trotz der Corona-Krise weiterhin Investitionen zu ermöglichen und zugleich deren Haushalte zu entlasten. Die Kredite werden über die KfW-Bank refinanziert.[27]

2022: Ende der Negativzinsen in Sicht[Bearbeiten]

Seit dem Mai 2022 steht fest, dass angesichts der hohen Inflation nach der Corona-Krise und dem Ukraine-Krieg das Ende der Negativzinsen im Spätsommer des Jahres kommen wird. Siehe dazu den letzten Abschnitt im Artikel Verwahrentgelte.

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Vgl. Wirtschaftsdienst, Nominelle Negativzinsen, aus: Heft 2/2015
  2. Vgl. finanzen.net, Kommunen gehen mit hohem "Dispo" in nächste Reformrunde, 26.11.2015
  3. Tagesspiegel, Förderbank KfW bereitet Kredite mit Negativzinsen vor, 14.11.2019
  4. Badische Neueste Nachrichten, Mit Negativzinsen Geld verdienen: Karlsruhe schaffts – Pforzheim und Rastatt zahlen Strafzinsen, 08.03.2020
  5. heute-Redaktion (Brigitte Scholtes), Wie die Kommunen von den Niedrigzinsen profitieren, 29.06.2016
  6. vgl. focus money, Städte bekommen Geld für Kredite, 13.05.2016.
  7. für beide Absätze vgl. Märkische OnlineZeitung, Strafzinsen belasten Kommunen, 20.06.2017
  8. heute-Redaktion (Brigitte Scholtes), Wie die Kommunen von den Niedrigzinsen profitieren, 29.06.2016
  9. FR, Kredit plus Geld gratis dazu, 12.09.2017
  10. Frankfurter Neue Presse, Main-Taunus-Kreis erhält Zinsen für Kassenkredit, 14.08.2016
  11. Welt: Kommunen leihen sich Geld und verdienen daran, 10.09.2017
  12. FR, Kredit plus Geld gratis dazu, 12.09.2017
  13. FR, Kredit plus Geld gratis dazu, 12.09.2017
  14. vgl. focus money, Städte bekommen Geld für Kredite, 13.05.2016.
  15. vgl. Kommunen werden für Schulden belohnt, 23.09.2015
  16. Vgl. Berlin Journal, Kommunen bekommen fürs Schuldenmachen Geld, 04.06.2016
  17. WDR, Kommunen verdienen Geld mit Schulden, 16.08.2016
  18. vgl. focus money, Städte bekommen Geld für Kredite, 13.05.2016.; heute-Redaktion, Wie Städte mit Schulden Geld verdienen, 13.06.2016, und DW, Kommunen profitieren von EZB-Strafzins, 01.08.2016
  19. vgl. vorige Fußnote
  20. DW, Kommunen profitieren von EZB-Strafzins, 01.08.2016
  21. WDR, Kommunen verdienen Geld mit Schulden, 16.08.2016
  22. Aachener Zeitung, NRW-Kommunen verdienen Geld mit ihren Schulden, 16.08.2016
  23. Sauerlandradio, Die Sauerländer Kommunen haben im letzten Jahr an ihren Schulden verdient, 05.01.2017
  24. Volksstimme: Negativzinsen - Entlastung für kommunale Haushalte?, 21.02.2020
  25. Der neue Kämmerer, KfW vergibt 2019 wieder mehr Förderkredite an Kommunen, 29.01.2020
  26. NRW.Bank: NRW.BANK bietet Kommunen Negativzinsen, 11.01.2021; siehe auch Zeit, Kommunen können mit Krediten bei der NRW.Bank Geld verdienen, 11.01.2021
  27. Süddeutsche Zeitung, Landesförderbank bietet Kommunen Kredite zu Negativzinsen, 08.02.2021

Siehe auch[Bearbeiten]