Sozialverträglichkeit als Kriterium in der kommunalen Beschaffung

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Der Artikel ist inhaltlich auf dem Stand von 2009

Es bedarf keines BWL-Studiums, um zu wissen, dass die niedrigsten Preise naturgemäß derjenige anbieten kann, der am billigsten produziert. Wo der Produktionsfaktor Mensch bei der Wertschöpfung eine Rolle spielt, hat somit einen Wettbewerbsvorteil, wer für geleistete Arbeit möglichst wenig oder gar nichts bezahlt. In Zentraleuropa, also auch in der BRD, werden Phänomene wie Sklaverei, Kinderarbeit, Menschenhandel, Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft als „längst überwunden“ in die Geschichtsbücher verbannt. Dass das in anderen Teilen der Welt keinesfalls so ist, versuchen zahlreiche international arbeitende Menschenrechtsorganisationen immer wieder deutlich zu machen. So veröffentlichte das entwicklungspolitische Kinderhilfswerk Terre des Hommes 2006 Zahlen, nach denen weltweit mehr als 12 Millionen Menschen als Sklaven betrachtet werden müssen, davon sind mehr als die Hälfte Kinder und Jugendliche.

Eine wachsende Zahl von Menschen interessiert sich heute dafür, unter welchen sozialen und ethischen Bedingungen die Produkte hergestellt werden, die sie in ihrem täglichen Leben konsumieren. Ihnen ist bewusst, dass ihnen im globalen Wettbewerb um Märkte und Kunden immer häufiger Kaufofferten gemacht werden, die nur aufgrund menschenunwürdiger Produktionsbedingungen in den Herstellerländern und –betrieben zu Preisen angeboten werden können, die mitunter deutlich unter denen regionaler heimischer Angebote liegen. Sklaverei und Kinderarbeit sind auf dem deutschen Markt, der heute – dort ist die Welt wieder globalisiert – Produkte aus aller Welt feilbietet, zum Wettbewerbsvorteil geworden. Verglichen mit dem allmählich zunehmenden Bewusstsein der Bundesbürger für Nachhaltigkeitsaspekte ist die Frage, von wem unter welchen Bedingungen ein Importartikel gefertigt wurde, für das Verbraucherverhalten breiter Konsumentenschichten jedoch immer noch kein relevantes Kriterium.

Kommunen als Vorreiter[Bearbeiten]

Der zunehmenden Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit zahlreicher Nichtregierungsorganisationen ist zu verdanken, dass im öffentlichen Beschaffungswesen die Frage nach menschenunwürdigen Produktionsbedingungen zunehmend gestellt wird. Vorreiter dieser Sensibilisierung waren Kommunen, die bereits vor vielen Jahren auf Zusammenhänge zwischen ihrem Marktagieren und ethischen Fragen aufmerksam machten. Nach der anfänglich üblichen Akzeptanzabwehr sahen sich immer mehr Gebietskörperschaften und Gemeinden – fast immer angestoßen von ihren kommunalpolitischen Repräsentanten – in der Pflicht, ihre öffentlichen Gelder sozial verantwortungsbewusst auszugeben. Sie drängten auf die Einhaltung international verbindlicher Standards bei Beschaffungen und Auftragsvergaben und fixierten dieses in ihren örtlichen Rechtsnormen (Satzungen und Dienstanweisungen).

Inzwischen setzen sich zahlreiche Kommunen in Deutschland mit den Auswirkungen ihres Handelns in anderen Teilen der Welt auseinander und räumen global-sozialen Aspekten in der Beschaffung einen hohen Stellenwert ein. Ein wegweisendes Projekt waren die zahlreichen Ratsbeschlüsse gegen den Erwerb von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit gemäß ILO-Konvention Nr. 182. Sie nahmen Bezug auf die Vergabe-Richtlinien der Europäischen Union (2004/17/EG und 2004/18/EG), nach denen öffentliche Auftraggeber zusätzliche Bedingungen für die Ausführungen eines Auftrags vorschreiben dürfen: „Die Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags können insbesondere soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen.“

Mangelhafte Rechtsanpassung[Bearbeiten]

Kaum jemand widerspricht mehr der These, dass sich die Berücksichtigung sozialer Aspekte bei der öffentlichen Beschaffung durchaus rechtfertigen lässt, auch wenn es sich hier um nichtmonetäre, d. h. bei oberflächlicher Betrachtung um „haushaltsfremde“ Gesichtspunkte handelt. Sie wird aus verfassungsrechtlichen, einfachgesetzlichen, gemeinschaftsrechtlichen oder völkerrechtlich begründeten Zielvorgaben und den daraus entwickelten Aufgabenbestimmungen der öffentlichen Hand hergeleitet. Beschaffungsverbote sind daher mit auch mit kommunalen Haushaltsgrundsätzen vereinbar, selbst wenn sie zu Mehrkosten für die öffentliche Hand führen.

Was mittlerweile zahlreiche Kommunen veranlasst hatte, mittels Einkaufsverboten und anderen Regelungen und Normen mit ihrem eigenen Beschaffungsverhalten auf die Situation der globalisierten Welt zu reagieren, und der Missachtung der Freiheit, des Lebens, der Gesundheit und der Menschenwürde wehrloser Kinder, kurz: Sklaverei entgegen zu treten, spielte bei der Neufassung des bundesdeutschen Vergaberechts aber so gut wie keine Rolle. Auch der Sachverständigenrat des BMWi befasste sich vorwiegend mit der Frage, ob Vergabepolitik zur Einhaltung von Mindestsozialstandards genutzt werden kann, und entschied sich unter Mithilfe des Wissenschaftlichen Beirats letztendlich für ein „unpolitisches Vergaberecht“, eine mehr als zynische Haltung angesichts der Realitäten der globalisierten Märkte.

Nachdem die Bundesregierung zunächst jahrelang die Umsetzung des europäischen in nationales Recht verzögerte, ist auch das Mitte 2009 in Kraft getretenen Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts den Einrichtungen der öffentlichen Hand eine klare Hilfestellung schuldig geblieben. Zwar steht die Möglichkeit, bei allen Auftragsvergaben zur Beschaffung von Gütern und Leistungen soziale und ökologische Kriterien anzuwenden, endlich im Gesetz. Praxistauglich ist das Gesetz jedoch nicht, da noch zahlreiche Arbeitshilfen fehlen, nach denen die Kommunen soziale und ökologische Kriterien anwenden könnten, und damit die notwendige Rechtssicherheit aussteht.

Die Detailregelungen sollen primär in neuen Verdingungs- und Vergabeverordnungen erfolgen. Für die Beschaffungs- und Vergabepraxis der Kommunen sind aber gerade diese Verordnungen (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen - VOB, Verdingungsordnung für Leistungen - VOL u.a.m.) von entscheidender Bedeutung. Deren Überarbeitung wird jedoch ohne parlamentarische Begleitung erfolgen, was vermuten lässt, dass nach Fertigstellung erst zahlreiche juristische Auseinandersetzungen zur letztendlich rechtsfesten Anwendbarkeit führen werden. So unterbleibt nicht selten aus Angst vor langwierigen und ggf. kostenträchtigen Rechtsstreitigkeiten eine offensive Implementierung sozial-ethischer Kriterien in den Vergabealltag vieler Gemeinden und Städte.

Schwellenwerte für eine EU-weite Vergabe[Bearbeiten]

Die derzeitige Rechtsarchitektur bietet den Kommunen dennoch – wie bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien – erhebliche Spielräume, auch sozial-ethische Aspekte in ihre Beschaffungen und Ausschreibungen von Dienstleistungen und Gütern einfließen zu lassen. Sie haben zunächst einmal zu unterscheiden zwischen Vergaben unterhalb und oberhalb der Schwellenwerte für eine EU-weite Vergabe. Mit der Verordnung Nr. 1177/2009 vom 30.11.09 hat die EU-Kommission neue Schwellenwerte für die Vergabe öffentlicher Aufträge festgelegt. Die Verordnung tritt am 01.01.2010 in Kraft und gilt ab diesem Zeitpunkt unmittelbar für Städte und Gemeinden.

Art des Auftrags Schwellenwert
Bauaufträge: 4.845 Mio. Euro
Dienstleistungs- und Lieferaufträge: 0,193 Mio. Euro
Dienstleistungs- und Lieferaufträge im Sektorenbereich: 0,387 Mio. Euro
Liefer- und Dienstleistungsaufträge der obersten oder oberen Bundesbehörden 
sowie vergleichbare Bundeseinrichtungen:
0,125 Mio. Euro

 
Gelten für den Bereich unterhalb der so genannten EU-Schwellenwerte in erster Linie haushaltsrechtliche Vorschriften, so unterliegt die Vergabe der in den Anwendungsbereich der EU-Vergaberichtlinien fallenden Aufträge primär dem Vergaberegime des vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (Vergabeverordnung) sowie den Vergabe- bzw. Verdingungsordnungen VOL, VOB und VOF.

Vergaben im unterschwelligen Bereich[Bearbeiten]

Über 95 % aller derzeitigen kommunalen Vergaben finden unterhalb der EU-Schwellenwerte statt. Im „Unterschwellenbereich“ sind bei der Beschaffung von Waren und Dienstleistungen neben der Anwendung der Haushaltsgrundsätze und den zu beachtenden Vorgangsvorschriften für öffentliche Ausschreibungen grundsätzlich die Verdingungsordnung für Leistungen (VOL/A) anzuwenden. Die Berücksichtigung sozialer Kriterien bei Beschaffungen auf Grundlage der VOL/A ist zunächst in folgenden Verfahrensstadien möglich:

  • der Leistungsbeschreibung,
  • der Auswahl der geeigneten Unternehmen und
  • der Zuschlagserteilung.

In der Leistungsbeschreibung werden überwiegend technische Anforderungen fixiert, daneben aber in § 8 Nr. 3 Abs. 3 auch Ursprungsorte, Bezugsquellen und Verfahren. Diese dürfen allerdings nur dann ausdrücklich vorgeschrieben werden, wenn dies durch die Art der zu vergebenden Leistung gerechtfertigt ist. Der hier angeordnete Rechtfertigungszwang soll in erster Linie Diskriminierungen und willkürliche Beschränkungen des Wettbewerbs vermeiden. Damit ist es auf Grundlage einer verfassungskonformen Auslegung jedoch grundsätzlich möglich, Bezugsquellen auszuschließen, die sich durch die Anwendung von aus der Perspektive des deutschen Rechts rechts- und sozialfeindlichen Produktionsmethoden auszeichnen. Ein Ausschluss derartiger Bezugsquellen ist jedoch nur dann möglich, wenn hinreichend gesicherte Informationen über die tatsächlichen Zustände in solchen Produktionsstätten vorliegen. Solange dies nicht der Fall ist, kann die ausschreibende Kommune alle Bieter auffordern, in Eigenerklärungen zu versichern, dass die angebotenen Produkte nicht aus in der Auftragsdefinition beschriebenen Produktionsstätten stammen. Da inhaltlich falsche Eigenerklärungen die Zuverlässigkeit und damit die Eignung des Bieters ernsthaft in Frage stellen, können bei der Auswahl der geeigneten Unternehmen nach § 7 Nr. 5 Buchstabe c VOL/A solche Bieter ausgeschlossen werden, die hier unzureichende oder gar unzutreffende Angaben machen.

Bei der Zuschlagsentscheidung ist der Zuschlag grundsätzlich auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Welche „Umstände“ hier berücksichtigt werden können, definiert die VOL/A nicht. Anders als im europarechtlich determinierten Bereich ist von daher eine verfassungskonforme Auslegung unproblematisch, d. h. neben produktbezogenen auch produktionsbezogene Faktoren einzubeziehen. Hier wäre jedoch eine Klarstellung durch den Gesetzgeber äußerst hilfreich.

Eine weitere Möglichkeit zur Berücksichtigung sozialer Belange liegt in der Formulierung entsprechender Vertrags(ausführungs)bedingungen. Hier kommt die besondere Flexibilität in der Anwendung von Vergabevorschriften im Unterschwellenbereich zum Tragen, die den Gemeinden aufgrund der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie zukommt.

Für die zuvor dargestellten Ansätze zur Berücksichtigung sozialer Aspekte gibt es keine sonstigen rechtlichen – insbesondere verfassungsrechtliche – Bedenken. Die Zulässigkeit von sogenannten vergabefremden Aspekten hat sich in erster Linie an dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu orientieren. Ernsthafte Anhaltspunkte für verfassungsrechtliche Schranken hinsichtlich seiner Verletzung ergeben sich bei Zugrundelegung der so behandelten Auftragskriterien nicht.

Vergaben im überschwelligen Bereich[Bearbeiten]

Da Aufträge über Lieferungen aus Produktionsstätten, in denen Sklaverei oder Kinderarbeit die Arbeitspraxis prägen, häufig ein größeres Volumen aufweisen, liegen diese i.d.R. oberhalb der Schwellenwerte für eine EU-weite Vergabe. Hier liefern die Verdingungsordnung für Leistungen (VOL/A) die Präzisierungen für die ab der Schwellengrenze anzuwendenden EU-rechtlichen Bestimmungen. Sie basieren weitgehend auf den europäischen Vergaberichtlinien, deren Neufassung im Jahr 2004 veröffentlicht wurde und die bis zum 31. Januar 2006 in nationales Recht hätten umgesetzt werden müssen (siehe oben).

Im nunmehr geltenden zweiten Abschnitt der zur Umsetzung der Vergaberichtlinien neu gefassten VOL/A geben die Stellen, an denen soziale Kriterien gegebenenfalls Eingang in das Vergabeverfahren finden, dem Unterschwellenbereich entsprechende Anknüpfungspunkte: die Leistungsbeschreibung, die Eignung der Unternehmer sowie die Zuschlagskriterien. Allerdings sind die Rechtsauslegungen hier nicht so eindeutig.

In Anlehnung an Art. 53 der Richtlinie 2004/18/EG müssen soziale Kriterien auch im überschwelligen Bereich durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sein. Die Berücksichtigung in der Leistungsbeschreibung steht auch hier unter einem Rechtfertigungsvorbehalt, und auch hier gilt, dass der Zuschlag auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot zu erteilen ist (mittelbares Wirtschaftlichkeitsgebot). Angesichts der EU-weit gebotenen gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung können aber lt. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs produktionsbezogene Aspekte grundsätzlich dann eine Rolle spielen, wenn sie aus einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive – wie etwa die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen – wirtschaftliche Auswirkungen haben.

Den zulässigen Inhalt der Leistungsbeschreibung beschreibt wiederum § 8a der VOL/A Nr. 5. Nach dem Anhang TS dieser Norm darf, soweit nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt, nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren abgestellt werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden. Das entspricht Art. 23 Abs. 8 der Richtlinie 2004/18/EG. Der klärt aber nicht, wann ein bestimmtes Herstellungsverfahren durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist. Es ist somit die Schlussfolgerung statthaft, dass u. a. auch soziale Anforderungen erhoben werden dürfen, die sich nicht unmittelbar auf das Endprodukt auswirken, z. B. „nicht unter grober Verletzung von Sozialstandards hergestellt“. Wie im unterschwelligen Bereich kann das Nichterfüllen solcher Anforderungen als Ausschlussgrund für einzelne Angebote herangezogen werden. Denn wäre eine ausreichende Berücksichtigung sozialer Aspekte bereits in der Leistungsbeschreibung möglich, hätte der Gemeinschaftsgesetzgeber von dieser Regelung absehen können.

Auch im überschwelligen Bereich bestehen Möglichkeiten, Bieter aus Gründen der Unzuverlässigkeit auszuschließen. Die Ausführungen im Text zu Umweltkriterien in der Ausschreibung zeigen auf wie.

Zusätzlicher Handlungsraum[Bearbeiten]

Nach § 97 Abs. 4 2. Halbsatz GWB dürfen bei Beschaffungen ab den EU-Schwellenwerten andere oder weitergehende Anforderungen an die Auftragnehmer nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist. Gesetzliche Regeln, die eine Einkaufssperre für Produkte zulassen, die unter Ausnutzung von Sklaverei oder Kinderarbeit gefertigt worden sind, liegen aber trotz der eingangs dargestellten gesellschaftspolitischen Sensibilisierung für das Themenfeld bis heute kaum vor. Eine Ausnahme stellt Bayern dar, das den Friedhofsträgern mit einem eigenen Landesgesetz erlaubt, in ihrer Satzung Verbote für Grabsteine durchzusetzen, die mit ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt wurden.[1] Beispielsweise hat die Stadt Unterschleißheim auf Grundlage dieses Gesetzes im März 2017 in ihrer Friedhofssatzung ein Verbot für Grabsteine aus ausbeuterischer Kinderarbeit festgeschrieben.[2] Auch Hessen hat mit einer Änderung des Friedhofs- und Bestattungsgesetzes ab 01.03.2019 seinen Kommunen diese Möglichkeit eröffnet.[3]

Nach Art. 26 der Richtlinie 2004/18/EG können öffentliche Auftraggeber jedoch zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags vorschreiben, sofern diese mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind und in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen angegeben werden. Die Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags können insbesondere soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen. Die EU-Vergaberichtlinien unterscheiden zwischen Regelungen, die auf die Mitgliedstaaten zielen, und solchen, die unmittelbar die öffentlichen Auftraggeber adressieren. Diese Differenzierung legt es nahe, dass die Vergaberichtlinien 2004/18/EG die Mitgliedstaaten verpflichten, öffentlichen Auftraggebern bestimmte Handlungsspielräume zu eröffnen. Bereits vor dem Erlass der neuen Vergaberichtlinien hatte die Kommission erklärt, dass damit „Zusatzbedingungen“ in Vertragsklauseln möglich sind. Eine dieser Bedingungen ist die Verpflichtung, die Bestimmungen der grundlegenden Übereinkommen der Internationalen Arbeits-Organisation (ILO) bei der Ausführung einzuhalten.

Auch aus anderen internationalen Vereinbarungen ergeben sich für öffentliche Auftraggeber Möglichkeiten zu Implementierung sozial-ethischer Kriterien in ihr Beschaffungswesen. Ein Beispiel ist das Übereinkommen der WTO über das öffentliche Beschaffungswesen (Agreement on Government Procurement, GPA). Es stellt darauf ab, dass eine Entscheidung über die Auftragsvergabe entweder aufgrund des Preises oder der Vorteilhaftigkeit des Angebots zu erfolgen hat. Fürsprecher der Implementierung sozial-ethischer Vergabekriterien sehen in der Formulierung „vorteilhaftestes Angebot“ eine weitere Möglichkeit, auch sozial- und gesellschaftspolitische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Da das GPA Marktzugangsprivilegien nur den Vertragsstaaten versagt, in denen potentiell produktionsbezogene Beschaffungskriterien verletzt werden könnten, ist dessen Wirkung nur proklamatorisch. Länder, in denen Missstände im Bereich Sklaverei oder Kinderarbeit bekannt sind, zählen nicht zu den Unterzeichnern.

Fußnote[Bearbeiten]

  1. Das neue Gesetz erreicht diesen Zweck durch eine Änderung des Bestattungsgesetzes; Bayerische Staatsregierung, Entwurf: Gesetz zur Bekämpfung ausbeuterischer Kinderarbeit bei der Grabsteinherstellung vom 12.04.2016 (pdf-Format, 6 Seiten); siehe dazu auch: Bayerischer Rechts- und Verwaltungsreport, Staatsregierung: Grabsteinherstellung – Gesetzentwurf zur Bekämpfung ausbeuterischer Kinderarbeit, 12.04.2016
  2. Siehe Süddeutsche Zeitung, Fairness auf dem Friedhof, 20.03.2017
  3. FR, Kommunen in Hessen können ab März Grabsteine aus Kinderarbeit verbieten, 16.02.2019

Weblinks[Bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten]