Warum werden Bürgermeister abgewählt?

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Angaben zur Literatur:


Autor(en): Timm Kern

Warum werden Bürgermeister abgewählt?

Verlag: Kohlhammer
Ort: Stuttgart
Erscheinungsjahr: 2008
Seitenzahl: 397
Preis: 34 €
ISBN 978-3-17-020499-7

Rezension von Christopher Schmidt (Schneverdingen)[Bearbeiten]

Die Abhandlung von Kern nimmt die Ursachen dafür unter die Lupe, dass von 1973 bis 2003 in Baden-Württemberg 173 (Ober-)Bürgermeister trotz erneuter Kandidatur nicht bestätigt wurden. Dabei geht es nicht um die Frage, ob die Abgewählten „gute“ oder „schlechte“ Bürgermeister waren, sondern um statistische Risiken und konkrete Fehler in Außendarstellung bzw. Wahlkampf.

Im Rahmen der statistischen Auswertung kann Kern zeigen, dass die Zahl der Nichtwiederwahlen amtierender Bürgermeister im Untersuchungszeitraum stark angestiegen ist - im Mittel von weniger als zwei auf mehr als acht im Jahr. In den Jahren von 1993 bis 2003 ist dies vor dem Hintergrund einer sinkenden Zahl von (Gegen-)Kandidaten umso auffälliger. Erfolgreiche Neubewerber sind gegenüber unterlegenen Amtsinhabern in aller Regel jünger (von 1973 bis 2003 in 85 Prozent der Fälle), wobei sich das Alter des Herausforderers bzw. des bisherigen Bürgermeisters immer weiter angenähert hat (Differenz seit 2000 ca. 8,7 Jahre). Die „Abwahlwahrscheinlichkeit“ ist nach der ersten und zweiten Wahlperiode am höchsten.

Hinsichtlich der Gemeindegröße wird aufgezeigt, dass die Abwahlen bei den Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern mit zunehmender Einwohnerzahl (leicht) ansteigen, während sie in den Städten mit 20.000 und mehr Einwohnern deutlich rückläufig sind. Dies erklärt Kern damit, dass die Parteien in größeren Städten eine stärkere Stellung hätten und ein Wahlkampf für parteilose Bewerber dort schwieriger sei.

Für Parteien, die sich nach möglichen Bewerbern umsehen und nicht auf „Platzhirsche“ aus der örtlichen Ratsfraktion festgelegt sind, dürften die folgenden Zahlen von besonderem Interesse sein: Von den erfolgreichen Kandidaten kamen im Untersuchungszeitraum nur 21 Prozent aus der eigenen Gemeinde. Diese „einheimischen Sieger“ waren vorher zu 57 Prozent kommunalpolitisch aktiv. Das erklärt Kern damit, örtliche Bewerber ohne politisches Vorleben wirkten weniger überzeugend. Andererseits dürften die übrigen 43 Prozent noch erstaunlich hoch sein. Für eine Bewertung müsste daher erhoben werden, wie viele einheimische Bewerber sich ohne kommunalpolitische Erfahrungen überhaupt um das Bürgermeisteramt bewerben.

Die auswärtigen erfolgreichen Kandidaten kommen meist aus dem näheren Umfeld: Mehr als zehn Prozent kommt aus einer Entfernung von weniger als 10 km, insgesamt etwa die Hälfte kommt aus einem 40-km-Radius und weniger als zehn Prozent kommen aus einer Entfernung von mehr als 250 km.

Obwohl das Bild nicht mehr so eindeutig ist wie noch in den 1970er Jahren, brachten auch seit 2000 noch die meisten Bewerber, die einen amtierenden Bürgermeister verdrängten, Verwaltungserfahrung aus dem öffentlichen Dienst mit (64,7 Prozent). Weitere 11,8 Prozent kommen aus dem übrigen öffentlichen Dienst. Wähler honorieren also Fachwissen. Und sie mögen „heile Welt“: Die Wahlgewinner waren im Untersuchungszeitraum zu 85,3 Prozent verheiratet und nur zu 1,2 Prozent geschieden.

Empfehlungen[Bearbeiten]

Aus der Untersuchung einzelner Abwahlfälle leitet Kern konkrete Handlungsempfehlungen für Amtsinhaber ab. Hierzu zählt, dass ein Bürgermeister Identifikationspotential haben muss. Schädlich sollen deshalb z.B. ein auswärtiger erster Wohnsitz, ein als zu intensiv wahrgenommenes überörtliches Engagement oder ein als zu einseitig empfundenes parteipolitisches Engagement sein. Gleichzeitig muss der Bürgermeister nach Kern als Anführer und Vorbild empfunden werden: Er muss Entscheidungskraft ausstrahlen und den innergemeindlichen Frieden sichern. Für den Wahlkampf legt Kern dar, dass sich Herausforderer erfolgreich aus umstrittenen Sachfragen heraushalten und ihr Wahlprogramm eher allgemein halten können. Ihr Wahlkampf darf aggressiver sein, während die Bürger dem Amtsinhaber persönliche Angriffe auf den vermeintlichen „Underdog“ verübeln.

Hinsichtlich der Rolle der Partei im Wahlkampf stellt Kern dar, dass es sowohl ein „zu viel“ als auch ein „zu wenig“ gebe: Einerseits müsse der Kandidat zeigen, dass er die eigenen Anhänger zu überzeugen vermag – andererseits dürfe der Wahlkampf nicht zu stark parteipolitisch ausgerichtet sein.

Im Ergebnis wird das Werk von Kern seinem selbstgewählten Anspruch gerecht, ein Praxisleitfaden für Bürgermeister zu sein – und für solche, die es werden wollen. Nicht umsonst wurde die Arbeit vom Verband Baden-Württembergischer Bürgermeister, vom Gemeindetag und vom Städtetag Baden-Württemberg unterstützt. Auch über die Grenzen von Baden-Württemberg hinaus gehört die Untersuchung in das Bücherregal all derer, die einen erfolgreichen Bürgermeisterwahlkampf planen.

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