Wettbürosteuer

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Die Wettbürosteuer war eine besondere Form der Vergnügungsteuer, durch die Einrichtungen zur Annahme von Pferde- und anderen Sportwetten besteuert werden. Hauptzweck war, die Zahl der Wettbüros in der Innenstadt einzudämmen. Nachdem als erste Kommune in Deutschland zum 01.08.2014 die Stadt Hagen[1] (Nordrhein-Westfalen) eine Wettbürosteuer eingeführt hatte, folgten nach und nach weitere Kommunen.[2] Mit Urteil vom 20.09.2022 hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) jedoch kommunale Wettbürosteuern für unzulässig erklärt.[3] Grund ist, dass das BVerwG die Wettbürosteuer als den bundesrechtlich geregelten Rennwett- und Sportwettensteuern gleichartig ansieht; damit bleibt den Kommunen kein Raum für die Etablierung einer eigenen Steuer.

Die Steuer: Begründung und Detailregelungen[Bearbeiten]

Begründet wurde die kommunale Wettbürosteuer zumeist nicht mit den möglichen Einnahmen der Kommunen, sondern mit dem Ziel, die Ausbreitung von Wettbüros einzudämmen. Eine Ballung von Wettbüros kann die Entwicklung eines Stadtviertels negativ beeinflussen. Wettbüros stehen zudem in dem Ruf, durch das Mitverfolgen der Rennen über Monitore der Spielsucht Vorschub zu leisten. Besteuert wurde in Hagen das " Vermitteln oder Veranstalten von Pferdewetten und Sportwetten in Einrichtungen, die neben der Annahme von Wettscheinen auch das Mitverfolgen der Wettergebnisse ermöglichen (Wettbüros)". Bemessungsgrundlage war dabei die Fläche der Wettbüros. Je 20 m² Fläche wurden 200 € monatlich fällig. (Diese Bemessungsgrundlage wurde 2017 vom Bundesverwaltungsgericht verworfen, s.u.).

Das Land genehmigte die neue Steuer, nachdem die Stadt Hagen die Steuerpflichtigen klarer definiert und den ursprünglichen Satzungsentwurf entsprechend geändert hatte. Danach führten weitere Kommunen, beispielsweise Dortmund und Hamm, ebenfalls eine Wettbürosteuer nach Hagener Vorbild ein.

Argumente gegen die Steuer[Bearbeiten]

Aus naheliegenden Gründen wurde die Steuer von der Glücksspielbranche von Anfang an bekämpft. Dabei wurde auch das Argument ins Feld geführt, durch Wettbüros vor Ort seien die Spieler:innen ansprechbar, die Kommune könne also der Spielsucht vor Ort entgegenwirken. Ohne die Wettbüros würden die Wetten noch stärker ins Internet verlagert (wo allerdings schon heute der Großteil des Glücksspiels stattfindet), die Spielsucht wäre damit weniger kontrollierbar.[4]

Im Zentrum stand jedoch die Argumentation, die Wettbürosteuer sei unzulässig, weil sie gegen das Gleichartigkeitsverbot des Grundgesetzes verstößt. Dieses steht in Art. 105 Abs. 2a Satz 1: "Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind."[5] Seit 2012 werden nämlich Sportwetten auch auf Bundesebene (§ 17 Abs. 2 Rennwett- und Lotteriegesetz) besteuert. Hierauf stützte sich ein Gutachten des Deutschen Sportwettenverband (DSWV) aus dem Jahr 2014,[6] wonach die neue Steuer verfassungswidrig sei. Hauptargument: Auch wenn hier der Umsatz die Bemessungsgrundlage ist, handele es sich um eine verbotene Doppelbesteuerung.

2017: BVerwG hält Wettbürosteuer für zulässig[Bearbeiten]

Nachdem die Stadt Dortmund dem Beispiel Hagens noch 2014 folgte, klagten drei Wettbüros. Im Juni 2017 urteilte hierüber (nach zwei Vorinstanzen) das Bundesverwaltungsgericht. Grundsätzlich sei danach eine Wettbürosteuer zulässig; sie stehe auch nicht im Widerspruch zur 2012 eingeführten Sportwettensteuer des Bundes. Jedoch dürfen Wettbüros nicht - wie in Dortmund vorgesehen - nach der Fläche besteuert werden. Das Gericht schlug vor, den tatsächlichen Wetteinsatz zur Besteuerungsgrundlage zu machen.[7]

Nach diesem Urteil folgten 2018 auch einige hessische Kommunen den NRW-Vorbildern und führten Wettbürosteuern ein, darunter Offenbach, Hanau und Frankfurt am Main.[8] In anderen Bundesländern beschlossen z.B. Bremerhaven (Bremen), Plochingen und Freiburg i. Br. (beide Baden-Württemberg) eine Wettbürosteuer. In Bayern hingegen sind kommunale Vergnügungsteuern generell und damit auch eine Wettbürosteuer aufgrund Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG) ebenso wie einige andere Kommunalsteuern nicht zulässig; dies gilt seit 1979.[9]

Im März 2019 legte der DSWV ein weiteres, von ihm beauftragtes Gutachten vor, das ebenfalls die Verfassungskonformität der Wettbürosteuer bezweifelte. Professor Gregor Kirchhof, Direktor des Instituts für Wirtschafts- und Steuerrecht an der Universität Augsburg, argumentiert in dem Gutachten wiederum mit dem Gleichartigkeitsverbot: „Die Sportwettsteuer und die Wettbürosteuer schöpfen damit aus derselben Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, sind in der Bemessungsgrundlage, im Belastungsgrund, in der Erhebungstechnik und der grundrechtlichen Zahlungsbetroffenheit gleichartig. Die Wettbürosteuer verletzt in der gegenwärtigen Bemessung nach dem Brutto-Wetteinsatz das Gleichartigkeitsverbot und damit das Grundgesetz.” Zudem verliere die Wettbürosteuer, wenn sie in einem Bundesland nahezu flächendeckend erhoben werde, ihren örtlichen Charakter und falle damit nicht mehr in die Kompetenz der Kommunen. Kirchhof empfahl, nach dem Vorbild Bayerns die Wettbürosteuer durch Landesrecht abzuschaffen und den Kommunen einen Ausgleich dafür zu gewähren. Die beabsichtigte Lenkungswirkung der Steuer fiele damit allerdings weg.[10]

VG Koblenz: Wettbürosteuer ist zulässig[Bearbeiten]

Das Verwaltungsgericht Koblenz urteilte auf dieser Grundlage am 26. Januar 2021,[11] eine kommunale Wettbürosteuer sei zulässig. Die Betreiberin von zwei Wettbüros hatte geklagt und argumentiert, die Wettbürosteuersatzung der Stadt[12] sei verfassungswidrig. Das VG Koblenz verneinte die Gleichartigkeit kommunalen Wettbürosteuer mit der bundesrechtlichen Sportwettensteuer. In seinem Urteil wies das Verwaltungsgericht ausdrücklich darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht die Frage, wann Steuern als gleichartig anzusehen sind, bisher offen gelassen habe.[13] Hingegen habe das Bundesverwaltungsgericht hierzu Kriterien benannt, auf die sich das VG Koblenz stützt.[14] Zwar wiesen beide Steuern gewisse Ähnlichkeiten auf, doch würden unterschiedliche Steuerschuldner belastet (bei der Sportwettensteuer der Veranstalter, bei der Wettbürosteuer der Betreiber des Wettbüros, der die Wetten lediglich vermittelt) sowie weitere Personen. Besonders bedeutsam sei, so das Gericht, die unterschiedliche Zielsetzung der Steuer: Die Sportwettensteuer sei eine angepasste Form der Umsatzsteuer, die Wettbürosteuer hingegen eine kommunale Vergnügungsteuer. Sie erfasse nur Wetten, die in einem Wettbüro abgegeben werden, wo die Sportereignisse auf Monitoren mitverfolgt werden können. Sie verfolge damit auch Lenkungszwecke, denn von Wettbüros ginge eine erhöhte Suchtgefahr aus. Eine Ausbreitung von weiteren Wettbüros solle durch die Einführung der Steuer zumindest eingedämmt werden. Online-Wetten beispielsweise würden von der Wettbürosteuer nicht erfasst, diese haben aber den größten Anteil an den allgemein abgegebenen Sportwetten.[15]

März 2022: BVerfG definiert die Gleichartigkeit[Bearbeiten]

Im März 2022 änderte sich die Rechtslage, nachdem das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss zur kommunalen Übernachtungsteuer nähere Ausführungen zur Frage der Gleichartigkeit gemacht hatte.[16] Danach verlange Art. 105 Abs. 2a S. 1 GG, "dass der steuerbegründende Tatbestand nicht denselben Belastungsgrund erfasst wie eine Bundessteuer, sich also in Gegenstand, Bemessungsgrundlage, Erhebungstechnik und wirtschaftlicher Auswirkung von der Bundessteuer unterscheidet." Ausdrücklich ausgenommen sind dabei "herkömmliche örtliche Steuern", das meint solche, die zum Zeitpunkt der Einführung des Abs. 2a ins Grundgesetz (1969) bereits bestanden. Die Beurteilung der Gleichartigkeit erfordere, so das Gericht, "eine Gesamtbetrachtung der Übernachtungsteuer einerseits, eventuell gleichartiger Bundessteuern andererseits". Das eigenständige Steuererfindungsrecht der Länder oder Kommunen solle auch für die Zukunft nicht übermäßig durch die vorhandenen Bundessteuern beschränkt werden.

September 2022: BVerwG verbietet kommunale Wettbürosteuer[Bearbeiten]

Zu diesem Zeitpunkt lag dem BVerwG erneut eine Klage gegen die Wettbürosteuer der Stadt Dortmund in dritter Instanz vor. Es hatte das Verfahren zeitweilig ausgesetzt, um die Ausführungen des BVerfG zur Gleichartigkeit abzuwarten. Auf dieser Grundlage entschied das BVerwG, eine kommunale Wettbürosteuer sei generell unzulässig. Entscheidend für diese Bewertung war, dass die kommunale Steuer auf denselben Steuergegenstand wie die bundesrechtlichen Renn- und Sportwettensteuern zielt. Das BVerwG erklärt damit eine kommunale Wettbürosteuer generell, also nicht nur bei einer konkreten Ausgestaltung wie in Dortmund, für verfassungswidrig und damit unzulässig. Den Kommunen wurde damit ein Instrument zur Steuerung des Wettbetriebes und damit teilweise auch der Entwicklung von Innenstadtquartieren aus der Hand genommen.

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Siehe die drei Jahre danach geänderte Fassung: Stadt Hagen: Satzung über die Erhebung der Wettbürosteuer in der Stadt Hagen (Wettbürosteuersatzung) vom 15. Dezember 2017 (pdf-Format)
  2. Nach der Haushaltsumfrage 2022 des Städte- und Gemeindebundes NRW erhoben in diesem Jahr 75 von 361 befragten Mitgliedskommunen eine Wettbürosteuer. Städte- und Gemeindebund NRW: Entwicklung der kommunalen Aufwandsteuern, Teil 2 der Haushaltsumfrage 2022, April 2022.
  3. Bundesverwaltungsgericht: Urteil vom 20.09.2022 - Az.: 9 C 2.22; siehe dazu auch: beck-aktuell: Gemeinden dürfen keine Wettbürosteuer erheben, 20.09.2022; LTO, Gemeinden dürfen keine Wettbürosteuer erheben, 21.09.2022
  4. siehe KOMMUNAL, Glücksspiel: Wichtiges Urteil für Kommunen zur Vergnügungssteuer, 19.02.2021
  5. In diesem GG-Artikel werden lediglich die Länder erwähnt; sie geben die Befugnis, Steuern zu "erfinden", über die Kommunalabgabengesetze teilweise an die Kommunen weiter, die ja keine eigene Gesetzgebungskompetenz haben - Steuern müssen jedoch immer auf einem Gesetz basieren.
  6. zur Argumentation vgl. Dieter Birk, Wettbürosteuer: Gemeinden wollen vom Wettvergnügen profitieren, Blog-Eintrag vom 18.11.2014
  7. Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 29.06.2017, Az. 9 C 7.16, 9 C 8/16, 9 C 9/16; siehe auch Pressemitteilung des Gerichts vom 29.06.2017 sowie beck-online, Klagen gegen Wettbürosteuer in Nordrhein-Westfalen erfolglos, 28.08.2020
  8. focus, Offenbach besteuert Wetteinsätze, 08.02.2018
  9. Siehe dazu: Bayerischer Landtag, Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Mütze (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Antwort der Landesregierung, Drucksache 17/21738 vom 03.09.2018
  10. Das Gutachten: Prof. Dr. Gregor Kirchhof, LL. M., Die verfassungsgeforderte Neubemessung der Wettbürosteuern, Gutachten im Auftrag des Deutschen Sportwettenverbandes e. V., März 2019 (pdf-Format, 76 Seiten)
  11. VG Koblenz, Urteil vom 26.01.2021, Aktenzeichen 5 K 374/20.KO (pdf-Format, 26 Seiten); siehe dazu auch die Pressemitteilung Nr. 8/2021 des Gerichts vom 17.02.2021: Stadt Koblenz darf Wettbürosteuer erheben; SWR aktuell, Stadt Koblenz darf Wettbürosteuer erheben, 17.02.2021; KOMMUNAL, Glücksspiel: Wichtiges Urteil für Kommunen zur Vergnügungssteuer, 19.02.2021
  12. Siehe Satzung der Stadt Koblenz über die Erhebung einer Wettbürosteuer - Wettbürosteuersatzung (WbStS) - vom 29.03.2019 (pdf-Format, 3 Seiten)
  13. Siehe Urteil. S. 12
  14. Siehe die Nachweise im Urteil. S. 13
  15. Als Beleg verweist das Gericht auf den Gesetzentwurf, Bundestags-Drucksache 17/8494 vom 25.01.2021, S. 10
  16. Bundesverfassungsgericht: Beschluss vom 22. März 2022 - 1 BvR 2868/15, siehe ab Rz. 91