Ärztemangel: Unterschied zwischen den Versionen

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===Niedersachsen===
===Niedersachsen===
*Der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund (NSGB) hat einen ''Arbeitskreis'' gegründet, der die Probleme aus den Kommunen aufgreifen, einen Handlungskatalog erarbeiten und die Landespolitik in die Pflicht nehmen soll. Er hält die Tatsache für alarmierend, dass in Niedersachsen aktuell (Juni 2017) 359 Hausarztsitze unbesetzt sind.<ref>NSGB, [http://www.nsgb.de/magazin/artikel.php?artikel=2074&menuid=3&topmenu=3 Uns fehlen Ärzte!], Pressemitteilung vom 21.03.2017</ref> Der NSGB setzt im Dialog mit der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachen (KVN) zunächst auf eine ausführliche Situationsanalyse. Er fordert eine Aufstockung der Studienplätze für Medizin und ihre Vergabe an Bewerber/innen, die sich zur Niederlassung im ländlichen Raum verpflichten. Dagegen haben sich jedoch die Kassenärztliche Vereinigung und auch die SPD-Fraktion im Landtag positioniert.<ref>Hannoversche Allgemeine, [http://www.haz.de/Nachrichten/Der-Norden/Uebersicht/Medizinermangel-auf-dem-Land-Koennen-Kommunen-Aerzte-auf-Doerfer-zwingen Kommunen wollen Ärzte auf Dörfer zwingen], 23.07.2017</ref> Die hausärztlichen Planungsbereiche sollten, so der NSGB, deutlich kleiner gefasst werden, um die Situation in einzelnen Kommunen besser abzubilden. Der Sicherstellungsauftrag für die Ärzteversorgung liege jedoch bei der KVN, nicht den Kommunen.<ref>NSGB, [http://www.nsgb.de/magazin/artikel.php?artikel=2118&menuid=3&topmenu=3 Hilfen gegen Ärztemangel: Bessere Planung und mehr Studienplätze!], Pressemitteilung vom 9.6.2017</ref>
*Der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund (NSGB) hat einen ''Arbeitskreis'' gegründet, der die Probleme aus den Kommunen aufgreifen, einen Handlungskatalog erarbeiten und die Landespolitik in die Pflicht nehmen soll. Er hält die Tatsache für alarmierend, dass in Niedersachsen aktuell (Juni 2017) 359 Hausarztsitze unbesetzt sind.<ref>NSGB, [http://www.nsgb.de/magazin/artikel.php?artikel=2074&menuid=3&topmenu=3 Uns fehlen Ärzte!], Pressemitteilung vom 21.03.2017</ref> Der NSGB setzt im Dialog mit der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachen (KVN) zunächst auf eine ausführliche Situationsanalyse. Er fordert eine Aufstockung der Studienplätze für Medizin und ihre Vergabe an Bewerber/innen, die sich zur Niederlassung im ländlichen Raum verpflichten. Dagegen haben sich jedoch die Kassenärztliche Vereinigung und auch die SPD-Fraktion im Landtag positioniert.<ref>Hannoversche Allgemeine, [http://www.haz.de/Nachrichten/Der-Norden/Uebersicht/Medizinermangel-auf-dem-Land-Koennen-Kommunen-Aerzte-auf-Doerfer-zwingen Kommunen wollen Ärzte auf Dörfer zwingen], 23.07.2017</ref>Die hausärztlichen Planungsbereiche sollten, so der NSGB, deutlich kleiner gefasst werden, um die Situation in einzelnen Kommunen besser abzubilden. Der Sicherstellungsauftrag für die Ärzteversorgung liege jedoch bei der KVN, nicht den Kommunen.<ref>NSGB, [http://www.nsgb.de/magazin/artikel.php?artikel=2118&menuid=3&topmenu=3 Hilfen gegen Ärztemangel: Bessere Planung und mehr Studienplätze!], Pressemitteilung vom 9.6.2017</ref> Der NSGB brachte ebenfalls einen "Rechtsanspruch auf einen Hausarzt in zumutbarer Nähe" in die Diskussion, was die Landesgesundheitsministerin jedoch nicht für durchsetzbar hält.<ref>wetter.com, [http://www.wetter.com/news/kommunen-wollen-rechtsanspruch-auf-hausarzt-in-der-provinz_aid_5975f9df38f7887be46aa683.html Kommunen wollen Rechtsanspruch auf Hausarzt in der Provinz], 24.07.2017</ref>


==Nordrhein-Westfalen==
==Nordrhein-Westfalen==

Version vom 20. September 2017, 14:05 Uhr

Nach Aussagen des Patientenbeauftragten der Bundesregierung ist in Deutschland die flächendeckende hausärztliche Versorgung bedroht. Insbesondere ländliche Regionen, aber auch einige Stadtteile sind betroffen.

Zahlen und Fakten

  • Von 1995 bis 2013 ist die Zahl der niedergelassenen Allgemeinmediziner/innen und praktische Ärzte/innen in Deutschland von 46.092 auf 33.780 gesunken.
  • Im Jahr 2013 lag das Durchschnittsalter aller niedergelassenen Ärzte/innen bei rund 53,1 Jahren. Ein Drittel war mindestens 60, jede/r Zehnte mindestens 65 Jahre alt.
  • Deutschland bildet derzeit zu wenig Mediziner/innen aus. Absolvierten im Jahr 1993 noch rund 18.355 Studierende erfolgreich ein Studium der Humanmedizin (ohne Zahnmedizin), waren es im Jahr 2012 nur noch 16.296.
  • Nach einem 2014 veröffentlichten Gutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (siehe Materialien) waren 1993 noch 59,7 Prozent der Vertragsärzte in der hausärztlichen Versorgung tätig, 2012 nur noch 45,9 Prozent.
  • Nach Statistiken des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter droht in Nordrhein-Westfalen bereits jetzt in 92 Gemeinden eine Gefährdung der hausärztlichen Versorgung. In 48 weiteren Gemeinden erscheint eine solche Gefährdung zumindest auf mittlere Sicht möglich.
  • Durch eine Umfrage unter den rund 1.100 Kommunen in Baden-Württemberg hat der Hausärzteverband Baden-Württemberg im Jahr 2016 festgestellt, dass etwa jede zweite dieser Kommunen in den nächsten fünf Jahren eine Verschlechterung der hausärztlichen Versorgung erwartet. Von den rund 7100 in Baden-Württemberg ansässigen Hausärzten seien 35 Prozent älter als 60 Jahre.[1] Ähnlich die Ergebnisse einer Online-Umfrage der baden-württembergischen Landesvertretung der Techniker Krankenkasse im Sommer 2016: Unter den ca. 200 teilnehmenden Kommunen halten 36% die Zahl der Hausärzte vor Ort für unzureichend. Jede zweite Kommune rechnet damit, dass sich die Versorgungssituation in den nächsten fünf Jahren verschlechtern wird.[2]

Handlungsmöglichkeiten

Zur Verbesserung der Situation können verschiedene Akteure/innen beitragen: Die kassenärtzlichen Vereinigungen, die Krankenkassen, Länder und Kommunen. Letztere können seit 2012 eigene Einrichtungen zur unmittelbaren medizinischen Versorgung der Versicherten eröffnen und damit an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Beispiele politischen Handels aus einigen Bundesländern zeigen die Möglichkeiten auf:

Baden-Württemberg

  • "Hausarzt-Tour": Bei der "TK-Hausarzt-Tour" brachte die Techniker Krankenkasse Medizinstudent/inn/en und Bürgermeister/innen ins Gespräch. Dabei warben die Kommunen um die Niederlassung als Hausarzt und stellten u.a. günstiges Bauland in Aussicht. Es zeigte sich aber auch, dass junge Mediziner/innen häufig lieber angestellt und im Team als allein und selbständig arbeiten möchten.[3]
  • Masterplan: Der Landkreis Calw hat für eine vorausschauende Planung einen Masterplan "Hausärztliche Versorgung im Landkreis Calw" entwickelt. Dabei kam ihm zugute, dass der Landkreis als Beispielfall für die Entwicklung des digitalen Werkzeugs Erreichbarkeitssicherung im ländlichen Raum diente, sodass ausreichend räumliche Planungsdaten - auch in Form von Szenarien für die zukünftige Entwicklung - zur Verfügung standen.

Bayern

  • KVB erstellt Karte: Der Planungsbereich Feuchtwangen ist nach den Daten der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) akut unterversorgt, hier fehlen rechnerisch fünfeinhalb Hausärzte/innen. Darüber hinaus sieht die KVB eine drohende Unterversorgung in folgenden Planungsbereichen:[4]
  • Kommunale Arztpraxis: Die Gemeinde Dentlein am Forst (Landkreis Ansbach), die zu diesem Planungsbereich gehört, entschied schon 2011, eine Arztpraxis zu bauen und an einen Arzt zu vermieten, um durch niedrigere Investitionskosten einen Anreiz für die Niederlassung zu schaffen. Mit Erfolg; heute werden in dieser Praxis ca. 1.800 Patient/inn/en betreut.[5]

Niedersachsen

  • Der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund (NSGB) hat einen Arbeitskreis gegründet, der die Probleme aus den Kommunen aufgreifen, einen Handlungskatalog erarbeiten und die Landespolitik in die Pflicht nehmen soll. Er hält die Tatsache für alarmierend, dass in Niedersachsen aktuell (Juni 2017) 359 Hausarztsitze unbesetzt sind.[6] Der NSGB setzt im Dialog mit der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachen (KVN) zunächst auf eine ausführliche Situationsanalyse. Er fordert eine Aufstockung der Studienplätze für Medizin und ihre Vergabe an Bewerber/innen, die sich zur Niederlassung im ländlichen Raum verpflichten. Dagegen haben sich jedoch die Kassenärztliche Vereinigung und auch die SPD-Fraktion im Landtag positioniert.[7]Die hausärztlichen Planungsbereiche sollten, so der NSGB, deutlich kleiner gefasst werden, um die Situation in einzelnen Kommunen besser abzubilden. Der Sicherstellungsauftrag für die Ärzteversorgung liege jedoch bei der KVN, nicht den Kommunen.[8] Der NSGB brachte ebenfalls einen "Rechtsanspruch auf einen Hausarzt in zumutbarer Nähe" in die Diskussion, was die Landesgesundheitsministerin jedoch nicht für durchsetzbar hält.[9]

Nordrhein-Westfalen

  • Landarztquote: Die 2017 neugewählte Landesregierung plant im Koalitionsvertrag eine "Landarztquote": Jeder zehnte Medizinstudienplatz soll an Bewerber/innen vergeben werden, die sich für ein Stipendium verpflichten, später für bis zu 10 Jahre auf dem Land zu arbeiten.
  • Versorgungszentren: Unter NRW-Kommunen wird auch über die Gründung kommunaler medizinischer Versorgungszentren diskutiert, durch die Ärzte/innen eher mit geregelten Arbeitszeiten und einem festen Einkommen rechnen können.
  • Gesundheitslotse: Im Kreis Steinfurt beschloss der Kreisausschuss, die Stelle eines Gesundheitslotsen im Gesundheitsamt einzurichten. Von hier aus will man um die Niederlassung junger Ärzte im Kreisgebiet werben. Hausärzten sollen günstige Baugrundstücke und Unterstützung bei der Suche nach einer Kinderbetreuung angeboten werden.[10]

Thüringen

  • Zulage für Amtsärzte: Nach Angaben des MDR waren im Januar 2016 in Thüringen von den 127 Stellen für Amtsärzte nur 78 besetzt. Daher würden die Aufgaben der Gesundheitsämter wie Impfkontrollen, Vorschuluntersuchungen oder medzinische Eignungsprüfungen nur noch partiell erfüllt. Hauptgrund für den Personalmangel sei die schlechtere Bezahlung im Vergleich zu Ärzten in Krankenhäusern. Daher planen die kommunalen Arbeitgeber die Einführung einer Zulage für Amtsärzte, die bislang an der fehlenden Genehmigung des Landes gescheitert ist. Das Land hat nach diesen Angaben für das zweite Quartal 2016 eine Verordnung angekündigt, die eine solche Zulage möglich macht, und will diese finanziell unterstützen. Die dafür eingeplanten Mittel (500.000 € für 2016, 600.000 € für 2017) stünden ab Mitte 2016 bereit. Der Thüringer Verband der Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst fordert hingegen eine bessere Bezahlung nach Tarifvertrag. Eine kommunale Zusage sei nur eine Kann-Bestimmung, die Ärztinnen und Ärzte müssten in jedem Einzelfall darum kämpfen.[11] Anfang 2017 gab das Land bekannt, für eine Zulage für Amtsärzte Landesmittel bereitzustellen, die die Kommunen beantragen können.[12]

Fußnoten

Materialien

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