Deutsch-türkische Städtepartnerschaften

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In Deutschland haben nach einer Übersicht des RGRE rund 80 Kommunen Partnerschaften zu Gemeinden in der Türkei.[1] Der RGRE sowie die Heinrich-Böll-Stiftung haben im Jahr 2011 unter diesen Kommunen eine Umfrage durchgeführt und sie zu einem Treffen eingeladen, um mehr über Möglichkeiten und Grenzen der deutsch-türkischen Partnerschaften zu erfahren und einen Erfahrungsaustausch unter den AkteurInnen zu ermöglichen. Dieses Netzwerktreffen fand am 6./7. Juni 2011 in Nürnberg statt.

Motive und Ziele

Häufigstes Motiv ist der hohe Anteil türkischstämmiger Bevölkerung in der deutschen Kommune. Durch eine sichtbare Institutionalisierung der Kontakte zur Türkei erhofft man sich vor allem eine integrative Wirkung in die deutsche Kommune hinein: Durch ein Kennenlernen des Herkunftslandes der Türkeistämmigen soll auch der Austausch innerhalb der Kommune gefördert werden und der Dialog der deutschen und deutsch-türkischen Bevölkerung durch die gemeinsame Partnerschaftsarbeit gestärkt werden. Insgesamt liegt den Städtepartnerschaften vor allem das Motiv der interkulturellen Verständigung und des gegenseitigen Kennenlernens zugrunde.

Als Grund für die Auswahl einer bestimmten türkischen Gemeinde werden überwiegend die bereits bestehenden Kontakte auf privater und politischer Ebene genannt. Dabei wurde zumeist versucht, eine Partnerschaftskommune zu finden, zu der ein Großteil der türkeistämmigen Bewohner Beziehungen haben. Initiiert wurden die Städtepartnerschaften in der Hälfte der Fälle direkt aus der Stadtverwaltung, insbesondere von den Bürgermeistern, in der anderen Hälfte der Fälle von Vereinen, politisch aktiven Einzelpersonen, aber auch anderen Akteuren wie dem Ausländerbeirat oder dem Integrationsrat.

Die am häufigsten genannten Ziele sind: Schaffung von kultureller Sensibilität, gegenseitiges Kennenlernen, Abbau von Vorurteilen, Förderung der Völkerverständigung und des Toleranzgedankens, interkultureller Kompetenzgewinn, Dialog zwischen den Religionen oder Erweiterung des Horizonts. Ein praktischer Nutzen durch gemeinsame Projekte findet kaum Erwähnung.

Bedeutung der türkischen Community

Die Einbindung der türkischen Community in die Partnerschaftsarbeit (Teilnahme an Aktivitäten, Planung und Unterstützung, Vermittlung von Kontakten, Dolmetscherdienste usw.) wird vom überwiegenden Teil der befragten Kommunen bestätigt. Dies geschieht vielfach durch türkische bzw. deutsch-türkische Vereine.

Die Einbeziehung der gesamten türkischstämmigen Community wird in manchen Städten als schwierig erlebt. So berichtete der Nürnberger Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly in seiner Begrüßung, die Nürnberger Partnerschaft zu Antalya sei auf Seite der in Nürnberg lebenden MigrantInnen überwiegend von Intellektuellen getragen, der Querschnitt der türkischstämmigen Bevölkerung käme in der Partnerschaft kaum vor. Es gibt allerdings auch gegenläufige Erfahrungen in anderen Städten. Die Einbeziehung weniger gebildeter, einkommensschwächerer Teile der Migrationsbevölkerung erfordert jedoch geeignete Formen (z. B. Quartiersorientierung), stellt aber auch eine besondere Chance zur Förderung der Integration dar.

Rolle der politisch-kulturellen Unterschiede zwischen den beiden Ländern

Auffällig ist, dass auf deutscher Seite zivilgesellschaftliche Akteure wie die Kirchen, Sport- und Kulturvereine, ein Frauenclub, die Arbeiterwohlfahrt, die Pfadfinder oder der Freundeskreis der jüdischen Gemeinde eine herausragende Rolle spielen. Als wirtschaftliche Akteure werden die IHK bzw. die deutsch-türkische IHK und ein Entsorgungsbetrieb genannt. Darüber hinaus trägt ein breites Spektrum von (halb-)öffentlichen Einrichtungen wie die Feuerwehr und das THW sowie Bildungseinrichtungen (vor allem Schulen, aber auch Hochschulen und Volkshochschulen) die Arbeit in den Partnerschaften. Dabei sind auch die Stadtverwaltungen an den Aktivitäten beteiligt. Demgegenüber sind in der Türkei bei weniger als der Hälfte der Partnerschaften gesellschaftliche Organisationen beteiligt, was im Kontext der sehr viel weniger ausgeprägten Rolle der Zivilgesellschaft zu sehen ist.

Arbeitsschwerpunkte, Herausbildung neuer Themen und Projekte

Im Vordergrund der Partnerschaftsarbeit stehen eindeutig die unterschiedlichen Formen des Austauschs, wie Bürgerreisen, Jugend- und Kulturaustausch, Kooperationen von Schulen und Hochschulen, Feuerwehr, THW u.ä. Ein Drittel der Befragten gibt auch wirtschaftliche Kontakte als Kooperationsform an, ein Viertel verzeichnet eine Zusammenarbeit von öffentlichen Einrichtungen. Bei den Zukunftsplanungen liegt der Schwerpunkt vor allem auf der Fortführung und Intensivierung solcher Austauschbeziehungen in den Bereichen Jugend, Kunst und Kultur. Darüber hinaus zeichnet sich eine stärkere fachliche Kooperation zum Beispiel in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Stadtplanung, Umweltschutz, Katastrophenschutz, Kunst und Kultur ab, zum Beispiel durch einen Fachkräfteaustausch und Verwaltungskooperationen. Fachliche Projektarbeit wird in Zukunft eine größere Rolle spielen, ohne die Austauschbeziehungen zu verdrängen.

Praktische Probleme in den Partnerschaftsbeziehungen

Probleme wurden in der Befragung nur sporadisch genannt: Finanzierung, Visa und sprachliche Verständigung. Die Arbeitsweise und Organisationskultur auf türkischer Seite wird aber offenkundig als Problem erfahren.

Finanzierung der Partnerschaftsarbeit

In zwei Drittel der Fälle geschieht eine Finanzierung über ordentliche Haushaltsmittel im Rahmen der allgemeinen Aktivitäten der Stadtverwaltung oder im Rahmen von speziellen Projekten. Die Partnerschaftsvereine werden nur zu einem Drittel durch die Kommunen mit ordentlichen Haushaltsmitteln unterstützt. Bei rund der Hälfte der Befragten spielen Mitgliedsbeiträge und Eigenmittel eine große Rolle. Projektmittel von Bund und Ländern wurden kaum in Anspruch genommen – sind darauf aber auch meistens nicht ausgelegt. Mittel der EU wurden von weniger als einem Drittel für die Partnerschaftsarbeit erschlossen. Ebenso wenig Stiftungsgelder oder „kreative Instrumente“ wie Rest-Cent-Aktion oder Bußgelder. Auf türkischer Seite überwiegen kommunale Mittel und Sponsoring/Eigenmittel zur Finanzierung der Aktivitäten.

EU-Programme

Die deutsche Sektion des RGRE bietet auf ihrer Homepage aktuelle Förderinfos zu einschlägigen EU-Programmen, hier kann auch ein zweimonatlicher Förderbrief bezogen werden. Eine besondere Rolle kann hier das Instrument für Heranführungshilfe IPA 2007–2013 spielen. Weiterhin kommen in Frage:

Bei weiteren Programmen muss die Türkei ein sog. Assoziationsabkommen mit der EU abgeschlossen haben, damit Projekte mit der Türkei finanziell unterstützt werden können. Dies geschieht nicht pauschal und wird von der EU-Kommission meist kurzfristig auf der jeweiligen Homepage der entspr. Generaldirektion bekannt gegeben. Auf jeden Fall sollte darauf geachtet werden, dass bei der Planung eines Projektes die Mindestzahl der geforderten beteiligten Organisationen erreicht wird, falls doch kein Assoziierungsabkommen mit der Türkei zustande kommt. An dem Programm „Europa der Bürgerinnen und Bürger“, mit dem insbesondere auch Städtepartnerschaften gefördert werden, ist die Türkei nicht beteiligt. Daher können Bürgerbegegnungen mit türkischen Partnerstädten mit diesem Förderprogramm nicht unterstützt werden.

Weitere Fördermittel, Wettbewerbe[2]

Fußnoten

  1. Eine Übersicht der bestehenden deutsch-türkischen Partnerschaften befindet sich in der Dokumentation zur Tagung, siehe Literaturhinweis am Schluss dieses Artikels
  2. Hinweis: Die in dieser Aufstellung aufgeführten Informationen sind mit größter Sorgfalt recherchiert. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der genannten Daten können wir allerdings keine Gewähr übernehmen.

Literatur