Mietpreisbremse

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Als Mietpreisbremse wird in Politik und Öffentlichkeit das Mietrechtsnovellierungsgesetz vom 21.04.2015[1] bezeichnet. Das Gesetz hat zwei wesentliche Inhalte:

  • Die Landesregierungen erhalten das Recht, bis Ende 2020 durch Rechtsverordnung "Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten" für eine Dauer von höchstens fünf Jahren festzulegen. In diesen Gebieten darf die Miete zu Beginn eines neuen Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um 10 Prozent übersteigen. Falls jedoch bereits mit dem Vormieter ein Jahr vor Ende des Mietvertrages eine höhere Miete vereinbart war, so bildet diese die Obergrenze. Weitere Ausnahmen gelten bei kürzlicher Modernisierung oder für Neubauten (Erstvermietung ab Oktober 2014). Zuviel gezahlte Miete kann zurückverlangt werden. Diese Vorschriften wurden als neue §§ 556d-556f in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) eingefügt.
  • Das Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung[2] wurde dahingehend verändert, dass Mieter/innen nur dann eine Maklergebühr zu zahlen haben, wenn sie den Vermittlungsauftrag erteilt haben.

Die Mietpreisbremse wird häufig zusammen mit anderen Instrumenten zum Schutz vor zu schnell ansteigenden Mieten eingesetzt wie der abgesenkten Kappungsgrenze für Mieterhöhungen (§ 558 BGB) und der verlängerten Kündigungssperrfrist nach Umwandlung in Wohneigentum (§ 577a BGB).

Angespannte Wohnungsmärkte

Die Mietpreisbremse soll, wie auch die Bezeichnung sagt, den weiteren Anstieg der Mieten in "angespannten Wohnungsmärkten" verlangsamen. Nach dem Mietrechtnovellierungsgesetz liegt ein Gebiet mit angespannten Wohnungsmärkten vor, "wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist." Das Gesetz nennt einige Beispiele für Indikatoren, die jedoch nicht abschließend und für die Länder nicht verbindlich sind: z.B. wenn

  1. die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt,
  2. die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt,
  3. die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit insoweit erforderlicher Wohnraum geschaffen wird, oder
  4. geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.

Anwendung in den Bundesländern

Die Entscheidung, ob solche Gebiete ausgewiesen werden und welche das sind, liegt bei den Ländern; die Kommunen erhalten durch das Gesetz keine Mitspracherechte. Die Bundesländer haben bei ihrer Entscheidung jedoch teilweise die Kommunen in unterschiedlicher Weise einbezogen. Bis heute (Mai 2017) haben alle Bundesländer außer Mecklenburg-Vorpommern, dem Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt die Mietpreisbremse für bestimmte Gebiete eingeführt; Mecklenburg-Vorpommern plant dies für die nächste Zukunft. Zum Stichtag 31.12.2016 galt die Mietpreisbremse in 313 Gemeinden.[3]

Baden-Württemberg

Seit November 2015 gilt in Baden-Württemberg die Mietpreisbremse in 68 Städten.[4] Darunter sind die Stadtkreise Freiburg im Breisgau, Heidelberg, Heilbronn, Karlsruhe, Ulm sowie die Landeshauptstadt Stuttgart. Einige betroffene Städte hatten die Auswahl kritisiert; so kritisierte der Oberbürgermeister Sindelfingens, dass nicht auch die Nachbarstadt Böblingen einbezogen wurde, „obwohl beide Städte quasi einen gemeinsamen Wohnungsmarkt haben“. Auch der Mieterbund forderte die Einführung der Mietpreisbremse auch in anderen Orten des Kreises Böblingen.[5] Andere Gemeinden halten zusätzlichen Wohnungsbau für wirksamer als die Mietpreisbremse und fordern Landesmittel zur Unterstützung des sozialen Wohnungsbaus.

Bayern

In Bayern gilt die Mietpreisbremse seit Mitte 2015 in 136 Gemeinden [6], darunter die Landeshauptstadt München sowie die kreisfreien Städte Aschaffenburg, Augsburg, Bamberg, Erlangen, Fürth, Ingolstadt, Kempten, Landshut, Nürnberg, Regensburg, Rosenheim, Würzburg sowie eine Vielzahl kreisangehöriger Gemeinden, darunter alle 29 Gemeinden des Landkreises München. Das Land Bayern hatte eine Befragung unter den Gemeinden durchgeführt, die erklären sollten, ob sie die Mietpreisbremse wünschten, letztlich in vielen Fällen aber selbst auf Grundlage einer statistischen Erhebung aus dem Jahr 2014 entschieden.[7]

Berlin

Berlin hat durch eine Rechtsverordnung[8] die Mietpreisbremse mit Wirkung ab 01. Juni 2015 für das gesamte Stadtgebiet eingeführt.

Brandenburg

In Brandenburg gilt die Mietpreisbremse seit Jahresbeginn 2016 in 31 Kommunen. Darunter ist die Landeshauptstadt Potsdam, die weiteren Kommunen grenzen überwiegend direkt an Berlin. In den meisten dieser Orte galt schon zuvor die abgesenkte Kappungsgrenze. Zeitgleich wurde eine zweite Einkommensgrenze eingeführt, um auch Menschen mit mittleren Einkommen den Bezug einer Sozialwohnung zu ermöglichen.[9]

Bremen

Die Freie Hansestadt Bremen hat am 25.11.2015 eine Verordnung zur Mietenbegrenzung[10] erlassen, die zum 01.12.2015 in Kraft trat. Danach gilt für die Stadtgemeinde Bremen, nicht jedoch die Stadtgemeinde Bremerhaven die Mietpreisbremse bis zum 30.11.2020.

Hamburg

Am 23.06.2015 beschloss der Hamburger Senat die Einführung der Mietpreisbremse ab 01.07.2015. Zugleich soll ein Gutachten klären, ob der Wohnungsmarkt tatsächlich in allen Bezirken angespannt ist oder ob die Mietpreisbremse für einige Teile der Stadt wieder aufgehoben werden kann. Zusätzlich sollen Gespräche über eine Neuauflage des „Bündnis für das Wohnen in Hamburg“ aufgenommen werden.[11]

Hessen

Mit Verordnung vom 17.11.2015[12] hat das Land Hessen die Mietpreisbremse in 16 Gemeinden eingeführt. Darunter sind die Großstädte Darmstadt*, Frankfurt am Main*, Kassel*, Offenbach am Main und die Landeshauptstadt Wiesbaden* (* = jeweils mit Ausnahme einzelner Ortsteile). Die Verordnung gilt bis zum 30.06.2019. Grundlage für die Auswahl der Kommunen war ein Gutachten des Instituts Wohnen und Umwelt (IWU); ergänzend wurde eine Befragung der Kommunen durchgeführt, in der diese u.a. die Frage „Ist der Wohnungsmarkt in der Gemeinde angespannt?“ beantworten sollten. Diese Art der Befragung war auf starke Kritik des Eigentümerverbands Haus & Grund gestoßen.[13]

Mecklenburg-Vorpommern

In Mecklenburg-Vorpommern gilt derzeit (Stand Mai 2017) noch keine Mietpreisbremse, jedoch hat der Landtag im Januar 2017 die Landesregierung aufgefordert, die Mietpreisbremse insbesondere für die Universitätsstädte einzuführen.[14]

Niedersachsen

Niedersachsen hat ab 1. Dezember 2016 die Mietpreisbremse in 19 Kommunen eingeführt. Darunter sind alle Großstädte Braunschweig, Göttingen, Hannover, Oldenburg, Osnabrück und Wolfsburg sowie die ostfriesischen Inseln. Die Mietpreisbremse in Niedersachsen ist Teil eines Maßnahmepakets, zu dem auch eine abgesenkte Kappungsgrenze sowie eine verlängerte Kündigungssperrfrist in denselben Gemeinden sowie eine Aufstockung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau auf 800 Mio. € bis 2019 gehören. Die Mietpreisbremse und die abgesenkte Kappungsgrenze gelten bis zum 30.11.2021, die verlängerte Kündigungssperrfrist bei Wohnungsumwandlung tritt zwei Jahre später außer Kraft.[15] Die Auswahl der Kommunen basiert auf einer Analyse der Investitions- und Förderbank Niedersachsen (NBank)[16]

Nordrhein-Westfalen

In NRW gilt seit Juli 2015 die Mitpreisbremse in 22 Städten: Aachen, Bielefeld, Bocholt, Bonn, Brühl, Düsseldorf, Erkrath, Frechen, Hürth, Kleve, Köln, Langenfeld (Rheinland), Leverkusen, Meerbusch, Monheim am Rhein, Münster, Neuss, Paderborn, Ratingen, Siegburg, St. Augustin, Troisdorf. Die Auswahl der Kommunen wurde vorab mit den Mieterverbänden und den Verbänden der Wohnungswirtschaft erörtert. Zusätzlich gilt seit 2014 für 59 Städte und Gemeinden eine Kappungsgrenzenverordnung.[17]

Rheinland-Pfalz

In Rheinland-Pfalz gilt die Mietpreisbremse seit dem 29.09.2015 in der Landeshauptstadt Mainz, außerdem in den kreisfreien Städten Trier und Landau in der Pfalz. Die entsprechende Verordnung gilt bis zum 7.10.2020.[18]

Saarland

Zwar wurde der Bundestagsbeschluss zur Mietpreisbremse im März 2015 von der Landesregierung des Saarlandes begrüßt,[19] doch wurde kurze Zeit später entschieden, sie im Saarland nicht anzuwenden.[20] Die Begründung: Die Bevölkerung sinke aufgrund des demografischen Wandels, auf dem Wohnungsmarkt herrsche Überangebot und Leerstand.

Sachsen

In Sachsen wurde die Mietpreisbremse bislang nicht eingeführt. Ein Gutachten der empirica Forschung und Beratung im Auftrag der sächsischen Landesregierung war Ende 2015 zu dem Ergebnis gekommen, in keiner sächsischen Gemeinde sei der Wohnungsmarkt angespannt.[21]. Auch hatte keine sächsische Kommune die Einführung der Mietpreisbremse verlangt.[22] Die Landesregierung hat angekündigt, bei Vorliegen neuer Wohnungsmarktdaten die Frage erneut zu prüfen.

Sachsen-Anhalt

Auch Sachsen-Anhalt sieht derzeit keine Notwendigkeit, die Mietpreisbremse anzuwenden. Im Land sei der Wohnungsmarkt nirgends angespannt, so die Landesregierung. In den beiden größten Städten Halle und Magdeburg seien die Bevölkerungszahlen sogar rückläufig.[23]

Schleswig-Holstein

In Schleswig-Holstein gilt die Mietpreisbremse seit 1.12.2015 in 12 Kommunen. Dazu gehört als größte die Landeshauptstadt Kiel, weiterhin Gemeinden, die an Hamburg angrenzen, sowie Gemeinden auf den Inseln Sylt und Föhr. Die Kommunen im Einzelnen: Barsbüttel, Glinde, Halstenbek, Hörnum, Kampen, Kiel, List auf Sylt, Norderstedt, die Gemeinde Sylt u.a. mit Westerland, Rantum und Keitum, Wenningstedt-Braderup, Wentorf und Wyk auf Föhr.[24]

Thüringen

Thüringen hat im März 2016 die Mietpreisbremse für die beiden Städte Erfurt und Jena eingeführt. Weimar hatte die Meitpreisbremse ebenfalls beantragt, jedoch konnte nach Ansicht der Landesregierung ein angespannter Wohnungsmarkt nach den Kriterien des Gesetzes dort nicht nachgewiesen werden. Aus Sicht des Bauministeriums kann letztlich nur Wohnungsneubau die notwendige Entspannung auf dem Wohnungsmarkt bewirken.[25] Die Verordnung[26] trat am 11.03.2016 in Kraft und gilt bis zum 31. Januar 2021.

Kritik

Die Wirksamkeit der Mietpreisbremse wird vielfach angezweifelt. So stellte der Mieterverein Hamburg im Juni 2016, etwa ein Jahr nach Einführung, fest, dass bei etwa 40% der Neuvermietungen die zulässige Miethöhe überschritten werde. Mieter/innen hätten aufgrund dessen seit Begin der Mietpreisbremse ca. 20 Mio. € zuviel gezahlt.[27] Auch der Mieterschutzverein Frankfurt kritisiert die Mietpreisbremse: Es gebe zu viele Ausnahmen, etwa nach Sanierungen oder bei Neubauten. Zudem frage kein Mieter bei seinem Vermieter nach, wie hoch die Vormiete war. Mitte 2016 forderte der DGB, die Mietpreisbremse zu verschärfen. Die Mieter brauchten einen Rechtsanspruch auf die Nennung der Vormiete durch den Vermieter, sagte Körzell, der in der Leitung des Gewerkschaftsbundes für Wirtschaftspolitik zuständig ist. „Außerdem müssen Sanktionen in das Gesetz, damit es wirken kann und Verstöße der Vermieter nicht ungeahndet bleiben.“[28] Berlin hat inzwischen eine Bundesratsinitiative eingebracht, mit dem u.a. ein Auskunftsanspruch der Mieter/innen ins Gesetz kommen soll.[29]

Die umgekehrte Kritik üben die Grundbesitzervereinigungen. So sagt die Eigentümervereinigung Haus und Grund Hessen, die Mietpreisbremse sei "Gift für den Wohnungsmarkt", verhindere Wohnungsbau und sorge für Rechtsunsicherheit.[30] In eine ähnliche Richtung zielt die Kritik des Deutschen Städte- und Gemeindebunds: Die Mietpreisbremse "ist zu bürokratisch und birgt die Gefahr von Investitionshemmungen in sich", so Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Die Bundesregierung solle "besser entsprechende Förder- und Flexibilisierungsmaßnahmen im Bereich des Bauens zügig umsetzen", beispielsweise durch Einführung eines Baukindergelds.[31] Christian Erhardt fordert im Online-Magazin des Städte- und Gemeindebunds "Macht das Umland attraktiver" und fordert außerdem eine schnellere Bearbeitung von Bauanträgen sowie die Abschaffung überflüssiger Gesetze und Verordnungen.[32]

Kaum Klagen von Mieter/innen

Offenbar ist auch die Bereitschaft von Mieter/inne/n gering, ihre Rechte aus der gesetzlichen Neuregelung vor Gericht zu erstreiten. Das kann zum einen an der Schwierigkeit liegen, Auskunft über die Vormiete zu erhalten, aber auch daran, dass Mieter/innen Kosten und Dauer eines Prozesses fürchten und ein gutes Verhältnis zum Vermieter nicht gefährden wollen.

Im Einzelfall können Klagen von Mieter/innen jedoch Erfolg haben. Ein erster Fall wurde im September 2016 in Berlin-Lichtenberg verhandelt: Eine knapp 80 m² große Wohnung war für eine Nettokaltmiete von 562,02 € vermietet worden. Das Gericht stellte anhand des Berliner Mietspiegels fest, dass die zulässige Miete 32,47 € niedriger war, und sprach den Mieter/innen eine Rückzahlung für sieben Monate zu.[33] Das Urteil fand ein großes Presseecho. Ein weiteres Urteil des Amtsgerichts Neukölln, ebenfalls aus dem September 2016, sah eine Miete in Höhe von 725 € für eine 76-m²-Wohnung gar um 221,09 € überhöht und sprach dem Mieter eine entsprechende Rückzahlung zu.[34]

Landgericht Berlin hält Mietpreisbremse für verfassungswidrig

In einem Hinweisbeschluss vom 14.09.2017[35] hat das Landgericht Berlin erklärt, dass es die Mietpreisbremse für verfassungswidrig hält, da sie zur Ungleichbehandlung von Vermietern führe. Da sich die Mietpreisbremse auf die ortsübliche Vergleichsmiete bezieht, führt sie bundesweit zu sehr unterschiedlichen Mietobergrenzen. Dies verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz). Außerdem würden "diejenigen Vermieter, die bereits in der Vergangenheit eine (zu) hohe Miete (d.h. eine 10 % der ortsüblichen Vergleichsmiete übersteigende Miete) mit ihrem Mieter vereinbart hatten, ungerechtfertigt begünstigt". Sie dürfen nämlich "bei einer Neuvermietung die 'alte' Miete weiterhin unbeanstandet verlangen". Diese Ungleichbehandlung sei "mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise schlichtweg unvereinbar".

Während Verbände der Immobilienwirtschaft diese Äußerung begrüßten, betonte Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne), die Mietpreisbremse sei weiterhin gültig: „Über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen entscheidet nach unserem Grundgesetz das Bundesverfassungsgericht.“[36] Das Landgericht Berlin hat die Frage nicht dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt, da dies für den zu entscheidenden Fall letztlich nicht erheblich war.

Studien zur Wirkung der Mietpreisbremse

Um die Wirkung der Mietpreisbremse zu untersuchen, hat die Fraktion Bündnis 90 / DIE GRÜNEN im Bundestag eine Studie bei Miettest e.V. in Auftrag gegeben, die am 28.05.2017 veröffentlicht wurde.[37]. Diese kommt u.a. zu dem Ergebnis, "dass aufgrund mangelnder Durchsetzung der Mietpreisbremse pro Jahr in Deutschland Mietverträge für etwa 310 Mio. EUR über das in der Mietpreisbremse vorgesehenen Niveau hinaus abgeschlossen werden". Bis zum Ende der Geltung des Gesetzes würde sich die jährliche Mehrbelastung für Mieter/innen auf ca. 1,5 Mrd. € belaufen. Bisher versuchten nur wenige Mieter, eine geringere Miete gerichtlich durchzusetzen. Neben der Sorge vor einer beziehungsschädigenden Auseinandersetzung mit dem Vermieter würden auch die fehlende Transparenz bezüglich der Vormiete und die Rügepflicht als Hürden genannt. [38] Die Studie stellt ebenfalls fest, dass sich die Belastung der Mieter/innen bei Umsetzung der Reformvorschläge von Bündnis 90/die GRÜNEN im ersten Jahr um 580 Mio. €, im fünften Jahr um 2,9 Mrd. € reduzieren würde. Die Bundestagsfraktion hatte im Januar 2017 einen umfangreichen Vorschlag für eine Reform des Mietrechts vorgelegt,[39], die sich nicht nur auf Verbesserungen zur Durchsetzung der Mietpreisbremse bezieht, sondern u.a. auch die Mieterhöhungen bei Modernisierung begrenzt und deckelt.

Ebenfalls im Mai 2017 veröffentlichte das Portal wenigermiete.de[40] die Ergebnisse einer Erhebung: Danach wird in mehr als 70 Prozent der insgesamt 10.000 untersuchten Fälle in sechs deutschen Großstädten die Mietpreisbremse nicht beachtet. Mieter/innen zahlen in diesen Städten durchschnittlich 220 Euro zu viel im Monat.[41]

Kurz zuvor, im April 2017 legte das IW Köln eine kurze Studie zur Evaluation der Mietpreisbremse vor.[42] Dabei wurden auf Grundlage der Datenbank von ImmobilienScout24 Wohnungsangebote der Jahre 2015 und 2016 ausgewertet. Die Wohnungen wurden nach verschiedenen Wohnlagen differenziert und ebenfalls danach, ob sie unter die Mietpreisbremse fallen oder nicht (weil sie z.B. neu errichtet oder jüngst modernisiert worden waren). Dabei zeigte sich, dass im betrachteten Zeitraum bei 62,3% der angebotenen Wohnungen die ortsübliche Vergleichsmiete überschritten wurde, im Durchschnitt um 26,1%. Die Mietpreisbremse scheint also auch nach diesen Ergebnissen nicht zu wirken. Die Differenzierung nach Lage und Größe der Wohnung zeigt jedoch, dass diese Überschreitungen besonders häufig im hochwertigen Segment und bei Altbauten (vor 1991 errichtet) gilt. Schließlich wurde in einer Regressionsanalyse differenziert zwischen Preisänderungen, die durch Knappheit von Wohnungen in bestimmten Segmenten und solchen, die durch Qualitätssteigerungen bedingt waren. Hier ergab sich rechnerisch ein Effekt der Mietpreisbremse in Höhe von 2,7%, d.h. ohne sie wären die angebotenen Wohnungen in ihrer Gesamtheit noch um diesen Faktor teurer gewesen. Dies gilt besonders für Wohnungen mit einfacher Ausstattung und in weniger guter Lage. Dennoch wird auch hier die Mietpreisbremse nur bei einem kleinen Anteil der Wohnungsangebote beachtet. Im Ergebnis folgern die Autoren, "dass besonders bei der Vermietung kleiner Wohnungen die Mietpreisbremse wirkungslos und die ortsübliche Vergleichsmiete überschritten werden. Dies trifft in erster Linie diejenigen, die entweder aufgrund ihrer Ausbildungs- und Berufssituation sehr mobil sein müssen oder aber jene, die lediglich eine geringe Wohnfläche benötigen – also Studenten, Berufsanfänger und Rentner." Die Mietpreisbremse habe sich "nach der Einführung auf dem Berliner Wohnungsmarkt als weitestgehend wirkungslos erwiesen.". Nebenbei wird auf eine weitere Umgehungsmöglichkeit der Mietpreisbremse hingewiesen: Nach einem Pressebericht in München werden bei rund 60% der Vermietungen die Wohnungen möbliert angeboten, damit sie nicht unter die Mietpreisbremse fallen.[43] Die Autoren des IW Köln sind jedoch der Ansicht, dass dieser Befund nicht negativ zu sehen sei. Würde die Mietpreisbremse stärker wirken, würden Anreize zur Vermietung wegfallen und mehr Wohnungen als bisher verkauft statt vermietet. Notwendige Instandhaltungen würden vermieden werden. Von einer stärker wirkenden Mietpreisbremse würden zudem eher Gutverdiener profitieren. Notwendig sei ein stärkerer Wohnungsbau im einfachen Segment, um Wohnungen auch für Menschen mit geringerem Einkommen bezahlbar zu halten.

Bereits im Juni 2016 hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung eine Untersuchung vorgelegt, die zu ähnlichen Schlussfolgerungen kam wie die der Grünen: Die Mietpreisbremse habe den Anstieg der Mietpreise nicht entschleunigen können. Im Gegenteil habe sie kurzfristig sogar zu einem stärkeren Mietpreisanstieg in regulierten Märkten geführt.[44]

Im September 2016 veröffentlichte der Deutsche Mieterbund zwei Untersuchungen für die Städte Berlin, München, Hamburg und Frankfurt a.M.[45] Danach lagen zwischen Inkrafttreten der Mietpreisbremse und dem Stichtag 30.06.2016 zwischen 66,5 Prozent und 94,8 Prozent aller Angebote bzw. Wiedervermietungsmieten in diesen vier Städten über der Schwelle der Mietpreisbremse. In mehr als 100.000 Fällen wurden die Obergrenzen um zwischen 28,7 Prozent und 49,3 Prozent überschritten. Allerdings wurden nur Datenbestände von immobilinescout24 ausgewertet, nicht z.B. Angebote von genossenschaftlichen oder kommunalen Trägern oder Mietverträge, die über persönliche Empfehlungen zustandekommen. Dennoch zieht der Mieterbund die Bilanz: "Die Vorschriften der Mietpreisbremse werden in großem Stil missachtet. Vermieter halten sich nicht an die gesetzlichen Vorgaben. Hinzu kommt, dass Mieter bisher nur in wenigen Fällen eine Überprüfung der Mietpreisobergrenzen-Regelung rügen. Sie meiden die Auseinandersetzung mit dem Vermieter, weil sie glauben, “vertragstreu“ sein zu müssen, oder weil sie aufgrund der vielen Ausnahmen im Gesetz nicht sicher abklären können, ob ihre Rüge erfolgversprechend ist oder nicht." Und in seiner "Wohnungspolitischen und mietrechtlichen Bilanz der Arbeit der Bundesregierung"[46] schreibt der Deutsche Mieterbund: "Die 2015 eingeführte Mietpreisbremse war gut gemeint, funktioniert aber nicht." Noch vernichtender urteilt ein Kommentator in der Berliner Zeitung: "Das Paragrafenwerk war von Anfang an nicht darauf ausgelegt, tatsächlich Wirkung zu entfalten".[47]

Siehe auch

Fußnoten

  1. Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung (Mietrechtsnovellierungsgesetz – MietNovG)
  2. Gesetz zur Regelung der Wohnungsvermittlung (WoVermRG); die verlinkte Fassung enthält bereits die Änderung, vgl. § 2 Abs. 1a
  3. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 19.05.2017 "Zwei Jahre Mietpreisbremse", Drucksache 18/12447 (pdf-Format, 20 Seiten). Dies Dokument enthält ab S. 9 eine Liste aller Gemeinden, in denen die Mietpreisbremse gilt. Vgl. auch die Übersicht bei Haufe: Mietpreisbremse, dort die Tabelle
  4. Vgl. Landesregierung Baden-Württemberg, Mietpreisbremse in 68 Städten und Gemeinden im Land, Pressemitteilung vom 29.09.2015; eine Liste der Städte findet sich in der Pressemitteilung vom 01.06.2015: Landesregierung bringt Umsetzung der Mietpreisbremse auf den Weg.
  5. Leonberger Kreiszeitung, Widerstand gegen die Mietpreisbremse - Die Kommunen rebellieren, 28.08.2015
  6. Vgl. Justiz Bayern: Örtlicher Anwendungsbereich bundesrechtlicher Mieterschutzvorschriften in Bayern (pdf-Format, 10 Seiten; die Liste enthält Angaben zur Mietpreisbremse (§ 556d BGB), Senkung der Kappungsgrenze (§ 558 BGB) sowie zur verlängerten Kündigungssperrfrist (§ 577a BGB))
  7. Vgl. Süddeutsche Zeitung, Deckel auf dem Dampfkessel, 12.07.2015
  8. Verordnung zur zulässigen Miethöhe bei Mietbeginn gemäß § 556d Absatz 2 BGB (Mietenbegrenzungsverordnung) vom 28. April 2015
  9. Land Brandenburg, Mietpreisbremse und zweiter Einkommensgrenze für Sozialwohnungen zugestimmt, 02.12.2015 mit Liste der Gemeinden, in denen die Mietpreisbremse gilt; siehe auch immowelt: Ab Januar 2016: Brandenburg zieht in 31 Kommunen die Mietpreisbremse, 2.12.2015
  10. Freie Hansestadt Bremen, Verordnung über die zulässige Miethöhe gemäß § 556d Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Mietenbegrenzungs-Verordnung)
  11. Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen Hamburg, Senat beschließt Mietpreisbremse für ganz Hamburg, 23.06.2015
  12. Hessische Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten im Sinne des § 556d Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Hessische Mietenbegrenzungsverordnung) vom 17. November 2015
  13. FR, Kritik an Umfrage zur Mietpreisbremse, 15.05.2015
  14. NDR, Landtag ebnet Mietpreisbremse den Weg, 26.01.2017
  15. Niedersächsische Staatskanzlei: Niedersachsen verbessert den Mieterschutz in 19 Kommunen, Pressemitteilung vom 01.11.2016
  16. Investitions- und Förderbank des Landes Niedersachsen: Analyse zur Festlegung der Gebietskulisse für eine Mietbegrenzungsverordnung in Niedersachsen (November 2015, pdf-Format, 34 Seiten)
  17. Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr: Mietpreisbremse wird in 22 Städten eingeführt, Pressemitteilung vom 23.06.2015
  18. Siehe Landesverordnung über die Bestimmung der Gebiete mit Mietpreisbegrenzung nach § 556 d des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Mietpreisbegrenzungsverordnung) vom 28. September 2015
  19. vgl. Verbraucherschutzminister Jost begrüßt Bundestagsbeschluss zu Mietpreisbremse und Maklerprovision, Pressemitteilung vom 05.03.2015
  20. vgl. Haufe: Im Saarland wird die Mietpreisbremse vermutlich nicht eingeführt, 29.05.2015
  21. empirica: Gutachten Mietpreisbremse Sachsen, Endbericht, (November 2015, pdf-Format, 35 Seiten). Siehe auch mdr: Sachsen lehnt Mietpreisbremse weiter ab, 29.08.2016
  22. Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN mit Antwort der Landesregierung, 15.03.2015
  23. Immobilienscout24: Sachsen-Anhalt hat kein Problem mit zu hohen Mieten
  24. Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten Schleswig-Holstein, Landesregierung beschließt Mietpreisverordnung Schleswig-Holstein, Pressemitteilung vom 03.11.2015
  25. Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft: Mietpreisbremse in Erfurt und Jena, Pressemitteilung
  26. Thüringer Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit Mietpreisbegrenzung nach § 556d BGB (Thüringer Mietpreisbegrenzungsverordnung -ThürMietBegrVO -) vom 10.03.2016
  27. Berliner Zeitung: Mieterverein: Mietpreisbremse funktioniert in Hamburg kaum, 30.06.2016
  28. Berliner Zeitung: Gewerkschaften wollen Mietpreisbremse verschärfen, 15.06.2016
  29. Berliner Zeitung: Berlin bringt Bundesrats-Initiative zur Mietpreisbremse ein, 17.06.2017
  30. hessenschau, Kritik von allen Seiten nach einem Jahr Mietpreisbremse, 11.12.2016
  31. Finanznachrichten, Kommunen halten Mietpreisbremse für gescheitert, 08.01.2017
  32. Christian Erhardt: Mietpreisbremse? Macht lieber den ländlichen Raum attraktiver!, in: KOMMUNAL, 12.05.2017
  33. Amtsgericht Lichtenberg, Urteil vom 28.09.2016, 2 C 202/16
  34. Amtsgericht Neukölln, Urteil vom 08.09.2016, Az. 11 C 414.15; vgl. auch Pressemitteilung des Gerichts vom 20.10.2016
  35. Landgericht Berlin, Beschluss vom 14.09.2017, Geschäftsnummer 67 S 149/17; vgl. auch die ausführliche Pressemitteilung vom 19.09.2017
  36. Berliner Zeitung: Trotz Bedenken des Landgerichts - Die Mietpreisbremse gilt weiterhin in Berlin, 21.09.2017
  37. Miettest e.V.: Finanzielle Lasten für Mieter durch Überschreitung der Mietpreisbremse, Analyse von Wiedervermietungen in Berlin, Hamburg und Stuttgart, Mai 2017 (pdf-Format, 25 Seiten)
  38. Vgl. auch die Themenseite der grünen Bundestagsfraktion: Mieter zahlen fast eine Milliarde drauf, sowie das Video Die Mietpreisbremse bremst nicht
  39. Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 10.01.2017 "Zusammenhalt stärken – Mietrecht reformieren", Drucksache 18/10810 (pdf-Format, 12 Seiten)
  40. Das Portal wird von einer Firma betrieben, die von zwei Anwälten gegründet wurde. Es ermöglicht Mieter/innen in einigen Städten, "mit wenigen Mausklicks" festzustellen, ob bei ihrem Mietvertrag die Mietpreisbremse eingehalten ist, und ggf. die Firma mit der Vertretung ihrer Rechte zu beauftragen.
  41. vgl. Pressemitteilung Verstöße gegen die Mietpreisbremse weit verbreitet, 16.05.2017
  42. Deschermeier, Seipelt, Voigtländer (IW Köln): Evaluation der Mietpreisbremse, IW policy paper Nr. 5 vom 25. April 2017 (pdf-Format, 24 Seiten)
  43. Benedikt Müller (Süddeutsche Zeitung), Vermieter umgehen Preisbremse mit möblierten Wohnungen, 24.09.2016
  44. Konstantin Kholodilin, Andreas Mense und Claus Michelsen: Die Mietpreisbremse wirkt bisher nicht, in: DIW-Wochenbericht 22/2016, S. 491 (pdf-Format, 10 Seiten).
  45. institut für soziale stadtentwicklung: Die Wirkung der Mietpreisbremse. Eine Zwischenbilanz für die Städte Berlin, München, Hamburg und Frankfurt a.M. im Jahr 2016 (Kurzfassung, September 2016, pdf-Format, 5 Seiten); RegioKontext, Datenanalyse: Wiedervermietungsmieten in Berlin, Hamburg, München und Frankfurt (September 2016, pdf-Format, 21 Seiten); vgl. auch Deutscher Mieterbund, Mietpreisbremse wirkt nicht wie erhofft, Pressemitteilung vom 12.09.2016
  46. Deutscher Mieterbund, Wohnungspolitische und mietrechtliche Bilanz der Arbeit der Bundesregierung, Pressemitteilung vom 06.06.2017
  47. Thorsten Knuf, Die Politik bekommt steigende Mieten nicht in den Griff, in: Berliner Zeitung vom 07.06.2017

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