Kennzeichnungs- und Kastrationspflicht für Katzen

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Nachricht von Rita A. Herrmann, August 2014[Bearbeiten]

Kassel / Rostock. Kater Carlo und Mietzekatze Morle kann man den Fortpflanzungstrieb nicht verdenken – und leider bedenken auch viele Halter die Folgen nicht, wenn sie ihrem Tier Auslauf ins Freie gewähren: Unkastrierte „Freigängerkatzen“ sorgen dafür, dass es immer mehr herrenlose, verwilderte Tiere gibt. So kommen in Kassel auf 15.000 Haustiere etwa 2-3.000 verwilderte Katzen. Viele erkranken an Leukose, Katzenschnupfen oder Katzenseuche – und infizieren wiederum andere Artgenossen.

Das Leid der Tiere kommt auch die Allgemeinheit teuer zu stehen: „Allein im Tierheim Kassel fallen jährlich ca. 250.000 € Kosten für die Versorgung von Katzen an. Ca. 80% dieser Kosten werden durch Fundtiere aus dem Stadtgebiet Kassel verursacht und für diese Katzen muss gemäß BGB die Kommune aufkommen“, schreibt etwa der Leiter des Kasseler Tierheimes.

Er wandte sich mit einer Bürgereingabe ebenso an die Stadtverordnetenversammlung wie neun in einer Initiative zusammengeschlossene Tierschutzverbände der Region: Sie fordern eine Kastrationspflicht für freilaufende Katzen – nach dem Tierschutzgesetz ist die Kastration "zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung" ausdrücklich vom sog. Amputationsverbot ausgenommen (§ 6 (1) TierSchG). Ferner sollen die Tiere gechipt werden, damit der Tierarzt kontrollieren kann, ob eine Katze bereits kastriert ist. Außerdem lässt sich so bei Fundtieren der Besitzer schneller ermitteln.

Die tierschutzpolitische Sprecherin der grünen Fraktion, Christine Hesse, und ihr SPD-Kollege Günther Schnell konnten nach einer Expertenanhörung auch die CDU-Fraktion überzeugen, so dass mit einem Satzungsbeschluss im Herbst 2013 zu rechnen ist.

Vorbild ist die Stadt Paderborn, die die Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für privat gehaltene Freigängerkatzen bereits 2008 eingeführt hatte. Dem sog. „Paderborner Modell“ sind zwischenzeitlich 235 Kommunen gefolgt, jüngstes Beispiel ist die Hansestadt Rostock. Deren „Stadtverordnung“ bezuschusst auf Antrag diese Eingriffe; 8.000 € stehen dieses Jahr dafür zur Verfügung. Auch die Kommunen im Landkreis Uelzen erwägen eine solche Verordnung, nachdem sie in den Samtgemeinden Bevensen-Ebstorf und Aue schon existiert.

Situation in einzelnen Bundesländern[Bearbeiten]

Seit 2013 erlaubt der neue § 13b Tierschutzgesetz den Bundesländern, Gebiete festzulegen, in denen für Katzen "erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden auf die hohe Anzahl dieser Tiere in dem jeweiligen Gebiet zurückzuführen sind" und entsprechende Maßnahmen zu treffen. Von der Möglichkeit einer solchen Rechtsverordnung haben bislang (Stand Ende 2017) folgende Länder Gebrauch gemacht: Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen. Diese Ermächtigung können die Ländern auf andere Behörden, somit auch auf die Kommunen übertragen. Kommunale Regelungen in diesen Bundesländern beruhen zumeist auf dieser Verordnung, ansonsten auf dem Ordnungsrecht.[1]

Nach Informationen des Tierschutzbundes hatten bis zum Sommer 2016 bundesweit rund 350 Kommunen, davon 70 in NRW, Katzenschutzverordnungen auf Grundlage der jeweiligen Landesgesetze erlassen.[2] Die folgende Übersicht ist unvollständig. Eine umfassende Liste der Kommunen mit Kastrationspflicht stellt der Deutsche Tierschutzbund zur Verfügung.

Bayern[Bearbeiten]

In Bayern haben nur sehr wenige Gemeinden eine Katzenschutzverordnung: In Dachau und Pfaffenhofen an der Ilm gibt es sie schon länger, Laufen und Aschaffenburg verabschiedeten sie 2023.

Brandenburg[Bearbeiten]

In Brandenburg haben drei Gemeinden eine Kastrationspflicht für Katzen eingeführt: Luckenwalde bereits 2014, Frankfurt (Oder) 2015 und Jüterbog seit Anfang 2016.[3]

Hessen[Bearbeiten]

In Hessen hat die Landesregierung im März 2015 den Kommunen freigestellt, in eigenen Satzungen die Kastration wildlebender Katzen vorzuschreiben.[4] Die rechtliche Handhabe dafür gibt der 2013 neu eingefügte § 13b Tierschutzgesetz. Der Landestierschutzbeauftragte Hessen hat zum Thema eine Handreichung für Kommunen (pdf-Format, 6 Seiten) veröffentlicht. Als erste Hessische Kommune hat Darmstadt im Juli 2015 eine Kennzeichnungs- und Kastrationspflicht für Katzen, die ins Freie gelassen werden, eingeführt; bei Zuwiderhandeln drohen Geldbußen bis zu 1.000 €.[5] Andere Kommunen reagierten zurückhaltend, teils aus Furcht vor Klagen von Katzenbesitzer/inne/n. Teilweise (z. B. in Wiesbaden) wird aber auch kein Bedarf gesehen. Land und Tierschutzgruppen haben gemeinsam ein Katzen-Kastrationsmobil ausgerüstet.[6] Nach Aussage des Landestierschutzverbands reichen diese Maßnahmen jedoch nicht aus. Die Zahl der streunenden Katzen in Hessen werde auf bis zu 500 000 geschätzt. Doch hätten in den vergangenen Jahren (Stand: Ende 2017) nur 18 von 426 hessischen Kommunen eine Kastrationspflicht erlassen.[7]

Mecklenburg-Vorpommern[Bearbeiten]

Als erstes Bundesland hat Mecklenburg-Vorpommern im September 2014 die flächendeckende Kastrationspflicht für freilaufende Katzen eingeführt; bereits ein Jahr zuvor galt dies auf kommunaler Ebene in der Hansestadt Rostock.[8] Nachdem nicht alle Kommunen diese Pflicht umsetzen, hat der Katzenschutzverein Rostock beschlossen, mehrere Kommunen im Landkreis Rostock zu verklagen.[9]

Nordrhein-Westfalen[Bearbeiten]

In Nordrhein-Westfalen hat das Landesumweltministerium am 04.11.2015 den Kreisordnungsbehörden eine Musterverordnung ("Materialien zur Erstellung einer Verordnung zum Schutz freilebender Katzen in bestimmten Gebieten nach § 13b TierschG") zur Verfügung gestellt. Auf dieser Grundlage können Kreise und kreisfreie Städte eine Verordnung erlassen. Beispielsweise hatte die grüne Stadtratsfraktion in Essen bereits am 19.11.2015 einen entsprechenden Antrag eingebracht, der als Anregung dienen kann. Bis Anfang 2018 haben etwa 80 NRW-Kommunen entsprechende Verordnungen erlassen.[10] Nach dem 2015 verabschiedeten "Ökologischen Jagdgesetz"[11] dürfen wildernde Katzen in NRW nicht mehr geschossen werden. Am 15. Oktober 2015 hat das Verwaltungsgericht Münster festgestellt, dass von Jägern aufgegriffene freilaufende Katzen als "Fundtiere" anzusehen sind und von kommunalen Tierheimen in Verwahrung genommen werden müssen.[12]

Rheinland-Pfalz[Bearbeiten]

Seit Anfang 2016 haben die Kommunen in Rheinland-Pfalz gesetzlich die Möglichkeit, eine Kastrationspflicht für freilaufende Katzen zu erlassen. In Worms und in Maifeld (Landkreis Mayen-Koblenz) gibt es seit Anfang 2018 eine Katzenschutzverordnung, in der Verbandsgemeinde Brohltal (Landkreis Ahrweiler) bereits seit Juli 2016. Die Verordnung in Worms gilt jedoch nicht für das gesamte Stadtgebiet, sondern nur in bestimmten Schutzzonen.[13]

Sachsen-Anhalt[Bearbeiten]

Nach Presseberichten plant die Landesregierung in Sachsen-Anhalt, Landkreisen und kreisfreien Städten die Möglichkeit zu geben, einen lokalen Kastrationszwang zu verordnen. Zuvor soll jedoch ein Gutachten die Wirksamkeit einer solchen Maßnahme beurteilen.[14]

Schleswig-Holstein[Bearbeiten]

In Schleswig-Holstein fördert die Landesregierung die Kastration von Katzen. Dazu wurde eine Vereinbarung zwischen Landesregierung, kommunalen Spitzenverbänden, Tierschutzverbänden und Tierärztekammer geschlossen (der Landesjagdverband schloss sich später an) mit folgendem Inhalt:

  • Kastrationen werden in drei Zeitfenstern gefördert: Probelaufaktion 15. Oktober bis 14. November 2014, Frühjahrsaktion 15. Februar bis 31. März 2015, Herbstaktion 1. bis 30. September 2015
  • Bei der Tierärztekammer wird ein Fonds geschaffen, in den Landesregierung, Tierschutzverbände und Einzelspender/innen zunächst 150.000 Euro einbringen; um weitere Beiträge z. B. von Kommunen und um Spenden wird geworben - mit Erfolg: Im Januar 2015 standen gut 200.000 € zur Verfügung, obwohl bereits Mittel verbraucht worden waren.
  • Während der Aktionszeiträume verzichten Tierärztinnen und Tierärzte auf ihr Honorar in Höhe von 25 Euro je Kastration. Weitere Kosten werden aus dem Fonds getragen, die Tierärzt/innen rechnen dies direkt ab.
  • Weiterhin wurden Vereinbarungen zu Öffentlichkeitsarbeit und zur Erfolgskontrolle getroffen.

Bei der Probelaufaktion im Herbst 2014 wurden 2.754 Tiere kastriert.

Aktion wird fortgesetzt[Bearbeiten]

Die Aktionen von 2014/15 wurden als erfolgreich angesehen und fortgesetzt. Insgesamt wurden bis 2017 ca. 10.000 Katzen kastriert, die Zahl der bei Tierheimen abgegebenen Fundkatzen verringerte sich daraufhin um bis zu 30%, was als Indikator für eine erfolgreiche Kampagne angesehen wird. Weiterhin sind zwei Aktionen jährlich vorgesehen, Land und Kommunen teilen sich die Finanzierung, auch Naturschutzorganisationen tragen mit Geld und freiwilligen Helfer/inne/n bei. Im Jahr 2017 wurde die Zahl der wild lebenden Hauskatzen in Schleswig-Holstein auf ca. 65.000 geschätzt.[15]

2018: Streit um Finanzierung[Bearbeiten]

Bis September 2018 waren nach Angaben eines Sprechers des Umweltministeriums in Schleswig-Holstein 12.848 freilaufende Katzen kastriert worden. Insgesamt wird die Zahl der nicht an Menschen gebundenen Haushaltzen im Land auf 75.000 geschätzt. Die Aktion soll fortgesetzt werden, doch ist die Finanzierung unklar, nachdem die Kommunen "aus rechtlichen Gründen" ihren Anteil von 90.000 € nicht mehr in den dafür vorgesehenen Fonds einzahlen. Der Tierschutzbund würde 40.000 € beisteuern, wenn das Land den Rest der Kosten einschließlich des kommunalen Anteils übernimmt.[16]

Thüringen[Bearbeiten]

Die Thüringer Landesregierung hat im Mai 2016 eine "Verordnung zum Schutz frei lebender Katzen" (Katzenschutzverordnung) erlassen, die den Kreisen und kreisfreien Städten ermöglicht, nach einer entsprechenden Bedarfserhebung die Kastration für alle Katzen und Kater vorzuschreiben; die Landesregierung empfiehlt dieses Vorgehen.[17]Nach einer Recherche des MDR haben in Thüringen (Stand Juli 2019) fünf Kommunen davon Gebrauch gemacht: Die Städte Erfurt und Weimar (gültig für das gesamte Stadtgebiet) sowie die Kreise Altenburger Land, Eichsfeld und Gotha (gültig für Teilgebiete). Tierhalter müssen dort freilaufende Katzen kastrieren und über einen Mikrochip registrieren lassen. Bis 2022 kamen noch Gera und Teile des Landkreises Nordhausen hinzu. Streunende Tiere werden von den Behörden kontrolliert und bei Bedarf tierärztlich behandelt. Nach Aussagen der Landesverwaltung sollen Verordnungen nur dort erlassen werden, wo viele leidende Tiere gefunden werden. Das Chippen koste etwa 25 Euro pro Tier, eine Kastration 70 bis 100 Euro. Das Land habe in drei Jahren bis 2019 für Kastrationen und Mikrochip-Registrierung 400.000 € bereitgestellt. In den Jahren 2020 und 2021 wurden insgesamt 330.000 € in den Haushalt eingestellt, die Mittel wurden ausgeschöpft; für 2022 stehen 150.000 € zur Verfügung.[18]

Weniger Probleme mit allergischen Reaktionen[Bearbeiten]

Durch die Kastrationspflicht für Katzen konnte die Anzahl der freilaufenden Katzen eingedämmt werden. Zwar treten die meisten allergischen Reaktionen in geschlossenen Räumen und nur bei engem Kontakt auf, doch kann durch die Eindämmung auch allergische Reaktionen bei Menschen mit einer Katzenallergie reduziert werden. Typische Symptome bei einer Katzenallergie sind Hustenreiz, Niesen, Halskratzen, Atemnot und gerötete Augen.[19]

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Quelle für diesen Absatz: Tierschutzbund, Gemeinden mit Kastrationspflicht; siehe auch: Tierschutzbund, Zur Änderung des Tierschutzgesetzes (2014, pdf-Format), S. 8 f. mit einer Kritik an diesem Paragraphen.
  2. Vgl. Kölner Stadtanzeiger, Der Kampf der Kommunen gegen Streuner, 07.08.2016
  3. rbb, Auf die Straße nur kastriert, 25.06.2016
  4. Frankfurter Allgemeine Rhein-Main, Kommunen dürfen streunende Katzen kastrieren lassen, 24.03.2015; siehe auch zum Beispiel Odenwald: Echo, Tierschutzverein Odenwald fordert Kastrationspflicht, 21.05.2015
  5. focus regional, Darmstadt führt Kastrationspflicht für Katzen ein, 24.07.2015; siehe auch die nächste Fußnote
  6. Die Welt, Kommunen sehen Katzenkastrationspflicht in Hessen skeptisch, 07.08.2015; Mitteldeutsche Zeitung: Kommunen sehen Katzenkastrationspflicht in Hessen skeptisch, 07.08.2015
  7. Welt: Nur wenige Kommunen haben Katzen-Kastrationspflicht, 25.11.2017
  8. Vier Pfoten: Mecklenburg-Vorpommern führt Kastrationspflicht für freilaufende Katzen ein, 24.09.2015
  9. Ostsee-Zeitung: Katzenschutzverein verklagt Kommunen, 02.07.2016
  10. SWR aktuell, Kastrationspflicht erst in drei Kommunen, 04.01.2018
  11. Zum Jagdgesetz vgl. die Broschüre des Umweltministeriums: Das ökologische Jagdgesetz NRW. Erläuterungen zum neuen Jagdrecht (pdf-Format, 52 Seiten)
  12. Aktenzeichen: 1 L 1290/15, das Urteil im Wortlaut
  13. SWR aktuell, Kastrationspflicht erst in drei Kommunen, 04.01.2018; lokalo.de: Rheinland-Pfalz: Kastrationspflicht für Katzen in drei Kommunen, 17.03.2018
  14. Welt, Sachsen-Anhalt bereitet Kastrationspflicht für Katzen vor, Mai 2017
  15. shz, Kommunen geben mehr Geld für Katzen-Kastration aus, 12.11.2017
  16. Kieler Nachrichten, Streit ums Geld in Schleswig-Holstein, 23.09.2018
  17. Sozialministerium Thüringen: Sozialministerium empfiehlt Katzenkastration, Medieninformation 079/2015 vom 21.05.2015; vgl. MDR, Kommunen können Kastration von Katzen vorschreiben, 25.05.2016
  18. mdr, Bisher nur fünf Kommunen mit Katzenschutzverordnung, 16.07.2019; Süddeutsche Zeitung: Tierschützer und Behörden: Kastration von Streunern wichtig, 28.05.2022
  19. Symptome bei Katzenallergie, 11.02.2023

Weblinks und Quellen[Bearbeiten]

Quelle[Bearbeiten]

Der ursprüngliche Artikel stammt aus der AKP 4/13 und wurde seitdem um viele aktueller Informationen, insbesondere aus den einzelnen Bundesländern, ergänzt.