Gemeindefinanzen: Was hat die GroKo den Kommunen gebracht?

Aus KommunalWiki

von Stefan Schmidt MdB[1]

Seit der Bundestagswahl 2017 regierte erneut eine „Große Koalition“ aus CDU und SPD das Land. Die Bilanz ihrer Regierungsarbeit aus der Sicht der kommunalen Ebene fällt gemischt aus:

Positiv[Bearbeiten]

  • Die Kommunen bzw. die Länder als verantwortliche staatliche Ebene für ihre jeweiligen Kommunen haben von der Bundesebene eine Vielzahl von Mitteln für unterschiedliche Handlungsfelder bekommen, z.B.
  • Strukturell wurden die Kommunen darüber hinaus bessergestellt, da sie eine Erhöhung des Bundesanteils an den Kosten der Unterkunft im Bereich der Leistungen des SGB II erhalten haben, was einer jährlichen Entlastung von etwa 3,5 Mrd. Euro entspricht.
  • Im Zusammenhang mit der Pandemie wurden den Kommunen ihre Gewerbesteuerausfälle für 2020 durch Bund und Länder ausgeglichen (der Ausgleich entspricht einem Volumen von rund 11 Mrd. Euro).
  • Aus parlamentarischer Sicht war es positiv zu bewerten, dass das Kommunalthema diese Legislaturperiode einem eigenen Ausschuss zugeordnet wurde; es hat damit mehr Aufmerksamkeit bekommen, als wenn es weiterhin einem Unterausschuss zugeordnet gewesen wäre.

Negativ:[Bearbeiten]

  • Die erhoffte Neuordnung der Struktur- und Regionalpolitik blieb aus, die erfolgten Maßnahmen beschränken sich auf einen Flickenteppich an Einzelmaßnahmen.
  • Die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“, auf die große Hoffnungen gesetzt wurden, blieb ergebnislos, u.a. da für die Umsetzung ihrer Handlungsempfehlungen die notwendigen finanziellen Ressourcen nicht bereitgestellt wurden.[2]
  • Innenminister Seehofer hat sich dem Handlungsfeld der gleichwertigen Lebensverhältnisse nicht gewidmet und schien überfordert mit dem breiten Themenspektrum seines riesigen Ministeriums
  • Das führte auch dazu, dass er sich wichtigen Themenfeldern, wie etwa der Verödung der Innenstädte oder den immer weiter steigenden Mieten in den Städten, nicht oder nicht rechtzeitig gewidmet hat.

Wir Grüne konnten immer wieder thematische Akzente setzen: etwa mit einem Innenstadt-Gipfel unter Beteiligung einer breiten Verbändelandschaft, dem Dialogprojekt Stadt - Land - Zukunft oder unserer Großen Anfrage zur Situation der Kommunalfinanzen.[3]

Die finanzielle Situation in den Kommunen spitzt sich zu[Bearbeiten]

Bereits vor der Pandemie sind die finanziellen Disparitäten zwischen ärmeren und reicheren Kommunen immer weiter angewachsen, das hatte unsere Große Anfrage an die Bundesregierung aufgezeigt. Corona belastet die kommunalen Haushalte enorm: Selbst finanziell sehr solide aufgestellte Städte haben durch gestiegene Ausgaben und einen Einbruch der Einnahme zu kämpfen.[4] Nur durch den Ausgleich der Gewerbesteuerausfälle durch Bund und Länder ist es noch nicht zu Investitionskürzungen in den Kommunen gekommen. Einen erneuten Ausgleich der coronabedingten Steuerausfälle in Städten und Gemeinden lehnt die Bundesregierung jedoch ab. Daher warnen die kommunalen Spitzenverbände vor harten Einschnitten in den nächsten Jahren insbesondere im Bereich der freiwilligen Leistungen wie etwa Kultur- und Sportangeboten.

Die mangelnde Investitionsfähigkeit kann sich langfristig negativ auf den wirtschaftlichen Aufschwung und das Niveau der Daseinsvorsorge und somit auf die Lebensqualität in unserem Land auswirken, denn die Kommunen sind der größte öffentliche Investor. Ein Euro öffentlicher Investitionen zieht zudem etwa 1,50 Euro privater Investitionen nach sich. Diese Gemengelage gefährdet auch Projekte der sozial-ökologischen Transformation, die aus grüner Sicht dringlich sind. Wenn die Ungleichheit im Niveau der Daseinsvorsorge wächst und damit die Chancengleichheit in Deutschland auf der Strecke bleibt, ist der grundgesetzliche Auftrag der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse nicht erfüllt und das Thema wird zur sozialen Frage. Last but not least: Der bestehende Wust an knapp 1.000 Förderprogrammen, die sich an Kommunen richten, erreicht nicht zielgenau finanzschwächere Kommunen und strukturschwache Regionen. Oft fehlt Personal und Knowhow, um die Mittel zu beantragen und abzurufen.

Daher fordern wir im Grünen Wahlprogramm:

  • ein „Jahrzehnt der Zukunftsinvestitionen“: 50 Mrd. Euro pro Jahr über 10 Jahre über einen kreditfinanzierten Investitionsfonds (Sondervermögen im Bundeshaushalt). Investiert werden soll in „Infrastrukturen der Zukunft“:
    • Klimaschutz: Investitionen in Energienetze und Infrastruktur für grünen Wasserstoff, in energetische Gebäudesanierung, die Verkehrswende (Radschnellwege, Elektro-Ladesäulen, Bahn, ÖPNV), in die Agrarwende, Naturschutz
    • Digitalisierung: Zugang zu Breitband, flächendeckende Mobilfunk-Versorgung
    • Bildung: Digitalisierung an Schulen, Sanierungsstau an Schulen auflösen, Aufholprogramm für Schulen in benachteiligten Regionen und Stadtteilen
    • Gesundheit: Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes
    • Wohnen: Sozialer Wohnungsbau
  • Eine aufgabengerechte Finanzausstattung der Kommunen
  • Eine Lösung der Altschuldenfrage unter Beteiligung des Bundes (in Westdeutschland Kassenkreditschulden, in Ostdeutschland Schulden der öffentlichen Wohnungswirtschaft)
  • Die Einführung einer neuen Gemeinschaftsaufgabe Regionale Daseinsvorsorge ins Grundgesetz zur zielgenauen Unterstützung von strukturschwachen Regionen, mit der Möglichkeit der Förderung sozialer Infrastrukturen[5]
  • Eine Neuausrichtung der Förderlandschaft, etwa Erleichterung von Förderrichtlinien, Absenkung der Kofinanzierungs-Erfordernisse für ärmere Kommunen.

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Stefan Schmidt ist Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90 / die Grünen und Sprecher der Fraktion für Kommunalfinanzen.
  2. Siehe dazu auch: Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen, Kraftloses Ergebnis der Bundesregierung nach einjähriger Kommission zu gleichwertigen Lebensverhältnissen, Pressemitteilung vom 10.07.2019
  3. Siehe: Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Finanzielle Situation der Kommunen in Deutschland“, Drucksache 19/16810, 05.08.2020 (pdf-Format, 156 Seiten)
  4. Beispiel: München hatte 2020 rund 600 Mio. € Gewerbesteuerausfälle
  5. Siehe dazu: Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen, Gleiche Chancen in allen Regionen mit Links auf weitere Dokumente zum Thema

Siehe zum Thema auch[Bearbeiten]