Rekommunalisierung

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Rekommunalisierung bezeichnet das Zurückholen von früher privatisierten Aufgaben oder Einrichtungen in die Hand der Kommune, also das "Rückgängigmachen" vollzogener Privatisierung. Da "Privatisierung" unterschiedliche Vorgänge bezeichnen kann, ist auch "Rekommunalisierung" als Oberbegriff zu verstehen. Libbe/Hanke/Verbücheln[1] unterscheiden folgende mögliche Vorgehensweisen:

  • Wiederaufgreifen von Aufgaben durch einen Aufgabenträger
  • Neugründung von Eigengesellschaften zum Aufgreifen von Aufgaben
  • Rückübertragung operativer Dienstleistungen auf Regie- oder Eigenbetriebe
  • Überführung von Kapitalgesellschaften in öffentlich-rechtliche Organisationsformen (dies bezeichnen die Autor_innen jedoch als ein "eher theoretisches Modell")
  • Erhöhung des Gesellschaftsanteils an gemischtwirtschaftlichen Unternehmen.

Gründe für Rekommunalisierung[Bearbeiten]

Für eine Rekommunalisierung gibt es unterschiedliche Gründe. Häufig wird eine Kombination von Gründen vorliegen.

Qualität der Leistung[Bearbeiten]

Nicht immer entspricht die Qualität der von Privaten erbrachten Leistungen den Erwartungen der Kommune oder der KundInnen. Da Ausschreibungen zu einem guten Teil über den Preis gewonnen werden, ist der Anreiz auf die Bietenden hoch, zunächst einen grünstigen Preis anzubieten und nach Erhalt des Auftrags aus eigener Sicht die Kosten zu optimieren. Wenn dabei die Qualitätsstandards gesenkt oder schlecht bezahltes und damit häufig auch wenig qualifiziertes und motiviertes Personal eingesetzt wird, so leidet darunter häufig die Service-Qualität.

Wirtschaftlichkeit[Bearbeiten]

Auch die Hoffnungen auf bessere Effizienz oder geringere Kosten, die meist mit Privatisierungen verbunden waren, wurden nicht immer erfüllt. So zeigt sich, dass die Kommune, wenn sie ihre Steuerungsaufgaben erfüllen will, ein gewisses Maß an eigenem Personal und eigener Sachkompetenz vorhalten muss, so dass nicht alle Kosten in diesem Bereich entfallen. Private kalkulieren auch nicht - wie die Kommune - nur kostendeckende Preise, sondern erwarten einen zumindest marktüblichen Gewinn. Wo die Privatisierung - zumindest auf Zeit - zu einer lokalen Monopolstellung der Auftragnehmerin geführt hat, folgen ihr gelegentlich Preissteigerungen auf dem Fuße.

Politische Steuerung[Bearbeiten]

Nach der Übertragung von Aufgaben auf Private erweist es sich häufig, dass die Steuerung der Aufgabenerfüllung erheblich schwieriger geworden ist. Verträge werden meist für lange Laufzeiten (5-25 Jahre) abgeschlossen; werden Änderungen oder Erweiterungen gewünscht, so fehlt es gelegentlich an der Flexibilität des Auftragnehmers oder an der Bereitschaft, dies zu annehmbaren Preisen anzubieten. Wo Kommunen über die Kommunalwirtschaft politische Umsteuerungen bewirken wollen - Beispiele: Energiewende, sozialer und ökologischer Stadtumbau -, zeigt sich, dass dies mit eigenen Stadtwerken oder einem eigenen kommunalen Gebäudebestand erheblich leichter zu bewerkstelligen ist.

Geänderte Rahmenbedingungen[Bearbeiten]

Manchmal fällt die Entscheidung für eine Rekommunalisierung auch deshalb, weil seit der letzten Entscheidung die Rahmenbedingungen für die Eigenerstellung der Leistung besser geworden sind. So kann sich die Aufstellung der eigenen Unternehmen verbessert haben, oder es bietet sich die Möglichkeit, in Kooperation mit anderen Kommunen (z. B. im Rahmen eines Zweckverbandes) Leistungen wirtschaftlich selbst zu erbringen.

Rechtliche Hürden[Bearbeiten]

Ein weiterer Grund für Rekommunalisierung entsteht aus rechtlichen Rahmenbedingungen: Ausschreibungsverfahren erweisen sich häufig als sehr aufwändig (bis hin zur Unwirtschaftlichkeit), oder es existiert kein funktionierender Markt, so dass eine Ausschreibung sinnlos erscheint. Auch die strengen europarechtlichen Anforderungen an öffentlich-private Partnerschaften führen bei Kommunen gelegentlich zur Entscheidung für die Eigenerstellung oder -erbringung von Leistungen.

Trend zur Rekommunalisierung?[Bearbeiten]

Ob es einen "Trend" zur Rekommunalisierung gibt, ist umstritten. Die öffentliche Wahrnehmung wird teilweise durch einzelne bekannt gewordene Entscheidungen wie die Rekommunalisierung der Müllentsorgung (2006) und der Trinkwasserversorgung (2009) in Bergkamen[2] geprägt. Dazu mag auch beigetragen haben, dass der Bürgermeister der Stadt Bergkamen, Roland Schäfer, zugleich Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes ist. Tatsächlich stellt sich die Situation je nach Aufgabenfeld sehr unterschiedlich dar.

Abfallwirtschaft[Bearbeiten]

Eine empirische Studie der Heinrich-Böll-Stiftung und des VKS im VKU[3] für die Jahre 2004-2007 zeigt, dass jedenfalls der Trend zur Privatisierung nicht mehr vorherrschend ist. Im betrachteten Zeitraum fanden insgesamt mehr Rekommunalisierungen als Privatisierungen statt, wobei zu differenzieren ist: Vor allem in größeren Kommunen (höhere Zahl von betroffenen EinwohnerInnen) und im Aufgabenbereich "Sammeln und Transport" wurde in erheblichem Maße rekommunalisiert, während in Bereichen, in denen große Anlagen (Abfallbehandlung) oder besonderes technisches Wissen (Sonderabfälle) benötigt werden, Privatisierungen und andere Formen der Zusammenarbeit mit Privaten weiterhin "im Trend" liegen. Dennoch kann hier von einem Wiedererstarken der kommunalen Aufgabenerledigung gesprochen werden.

Energieversorgung[Bearbeiten]

Derzeit lässt sich ein regelrechter Trend zur Rekommunalisierung bzw. regionalen Vernetzung von Stadtwerken konstatieren. Nachfolgend eine knappe Zusammenfassung der jüngsten Meldungen. Aus den genannten Beispielen wird ersichtlich, dass immer mehr Städte, Gemeinden und Kreise ihre Grundversorgung unabhängig machen wollen von den stratgischen Kalkülen und Gewinnerwartungen großer Konzerne. Die Privatisierung ist offenbar out.

Bielefeld[Bearbeiten]

Am 11. Mai 2012 konnte die Stadt Bielefeld einen Anteil von 49,9% an den Stadtwerken Bielefeld zurückkaufen, die zuvor von den Stadtwerken Bremen gehalten wurden. Bielefeld ist dadurch wieder Alleineigentümerin der Stadtwerke. Dem Kauf war ein jahrelanger Streit um die Kaufsumme vorangegangen. Die Stadtwerke Bremen hatten noch 2011 250 Mio. € gefordert, wogegen ein Gutachen im Auftrag der Stadt Bielefeld einen Wert von 109 Mio € ermittelte. Gezahlt wurden am Ende 187,5 Mio. € plus Zinsen. Allein der jährliche Steuervorteil durch den Querverbund wird von der Stadt mit 8 Mio. € beziffert.

Siehe hierzu[Bearbeiten]
  • "Stadtwerke Bielefeld - zurück in kommunaler Hand", in: AKP 4/2012, S. 8

Cottbus[Bearbeiten]

Am 25.04.2014 beschloss die Stadtverordnetenversammlung von Cottbus (Brandenburg) den Rückkauf von 74,1% der Stadtwerke. Dieser Anteil war 2006 verkauft worden. Der Rückkauf kostet rund 26 Mio. €. Davon sollen 16 Millionen vom kommunalen Wohnungsbauunternehmen Gebäudewirtschaft Cottbus kommen, dieses würde damit Mitgesellschafter an den Stadtwerken. Die Stadt erhofft sich aus dem künftigen Alleinbesitz der Stadtwerke stabile Einnahmen zur Stützung des prekären Haushalts. Die Stadtwerke sollen neben der Energieversorgung ab Mitte 2015 auch den ÖPNV wieder übernehmen.

Siehe hierzu[Bearbeiten]

Münsterland[Bearbeiten]

Im nördlichen Münsterland sind im Jahr 2012 sieben nordrhein-westfälische Gemeinden[4] übereingekommen, ein gemeinsames Stadtwerk zu verwirklichen, und haben die dazu gehörige Konsortialvereinbarung im Rathaus von Ibbenbüren unterzeichnet. In einem weiteren Schritt soll das Stromnetz von der RWE Deutschland AG Essen erworben werden. Die Konzessionsverträge der beteiligten Gemeinden enden zwischen 2014 und 2017, so dass deren Auslaufen nun gemäß Energiewirtschaftsgesetz zwei Jahre zuvor bekannt gegeben wurde.

Siehe hierzu[Bearbeiten]

Greifswald[Bearbeiten]

In Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern) haben die Stadtwerke im August 2012 eine 49%-Beteiligung von der EonEdis AG zurückgekauft, um die Gasversorgung wieder in eigener Regie betreiben zu können. Oliver Haarmann, der Geschäftsführer der Gasversorgung Greifswald, kommentierte dies so: „Wir trennen uns einvernehmlich von einem Großkonzern und damit von dessen konzernpolitischen Vorgaben und dessen Preispolitik.“ Die Übernahme der technischen Betriebsführung in nahegelegenen, regionalen Gaswerken zum Zwecke der Erweiterung des Konzessionsgebietes sei durch die strategische Ausrichtung der Trennung von EonEdis einfacher möglich.

Minden[Bearbeiten]

Der Stadtrat von Minden hat 2012 beschlossen, das erst im August 2007 an Eon Westfalen-Weser verkaufte 49%-Paket für die Energieversorgung in kommunale Hand zurückzunehmen und mit den Stadtwerken Hameln zu kooperieren. Susanne Treptow, die Chefin der GWS-Hameln, freute sich über den „ganz tollen Erfolg“, sich bei dem Rennen gegen den Konkurrenten Gelsenwasser AG / Westfalica GmbH durchgesetzt zu haben. Aus den Reihen der Mehrheit der 58 Mindener Ratsherren (bei nur fünf Enthaltungen und zwei Gegenstimmen) verlautete, dass von dem neuen Stadtwerkeunternehmen erwartet wird, die Leistungen sicher, preiswert und umweltfreundlich zu erbringen, ohne wie ein börsennotiertes Oligopol der Gewinnmaximierung unterworfen zu sein.

Siehe hierzu[Bearbeiten]

Landkreis Peine[Bearbeiten]

Im niedersächsischen Landkreis Peine, gelegen zwischen Hannover und Braunschweig, gibt es jetzt Strom und Gas auch aus kommunaler Hand. Im September 2012 wurden die Gemeindewerke Peiner Land GmbH & Co. KG gegründet, die neben Peine sechs weitere Gemeinden umfassen, zudem die Energieversorgung Hildesheim. Ebenfalls nahe Hannover wird Springe hinsichtlich der Grundversorgung zu 50,5% von einem eigenen Stadtwerk ab 1.1.2013 betreut, anstelle von Eon Avacon. 49,5% hält weiterhin Veolia über die BS Ernergy.

Siehe auch[Bearbeiten]

Wolfhagen[Bearbeiten]

In Wolfhagen (Hessen) ist die BürgerEnergieGenossenschaft (BEG) mit einer 25%-Beteiligung nun Miteigentümer der Stadtwerke Wolfhagen GmbH geworden. Der BEG gelang dies durch eine Kapitalaufstockung in Höhe von einem Drittel des Unternehmenswertes. Die Genossenschaft zählt 478 Mitglieder. „Es ist schon etwas Besonderes, dass sich die Bürger direkt an einem Stadtwerk beteiligen können,“ sagte Martin Rühl, der Geschäftsführer der Stadtwerke Wolfhagen. „Damit wird eine Partizipation ermöglicht, die zu einer langfristigen Demokratisierung der Energieversorgung führen kann. Die Kunden können Verantwortung übernehmen und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Energiewende in Wolfhagen.“[5]

Siehe hierzu[Bearbeiten]

Dresden[Bearbeiten]

Die Landeshauptstadt Dresden nutzt die Gunst der Stunde und kauft der EnBW die Geso Beteiligungs- und Beratungs-Aktiengesellschaft Dresden ab – für über 800 Mio. €. Der Rat stimmte mit großer Mehrheit dem Kauf zu; er wird über die Technischen Werke Dresden GmbH abgewickelt. „Mit dem Geso-Kauf hat Dresden die Chance, in der Region nicht nur eine hohe Qualität der Energieversorgung zu sichern, sondern auch deren umwelt- und ressourcenschonende Erzeugung“, kommentierte Andrea Schubert den Kauf; sie ist Sprecherin für Klimaschutz und Energie der bündnisgrünen Fraktion Dresden.

Die EnBW musste entweder die Geso oder ihre Beteiligung an der Verbundnetz Gas AG abstoßen, sonst hätte das Kartellamt der Beteiligung an der EWE nicht zugestimmt. Die Geso ist an den die fast den gesamten Regierungsbezirk Dresden abdeckenden Regionalversorgern ENSO (50,11%) und GSW (100%) beteiligt. Außerdem hält sie Anteile an zehn Stadtwerken der Region von B wie Bautzen bis Z wie Zittau – darunter auch an den Anfang der 1990er Jahre teilprivatisierten Dresdener Stadtwerken. In der der AKP vorliegenden Beschlussvorlage werden für den Kauf standort-, energie- und finanzpolitische Gründe angeführt.

Die Stadt hofft, durch den Kauf der Holding mittelfristig einen erheblichen Vermögenswert aufzubauen: „Mit diesem geschaffenen Vermögenswert erfüllt die Landeshauptstadt Dresden auch ihre Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen. So wie die heute zur Veräußerung und Privatisierung verfügbaren Objekte das Ergebnis der Politik früherer Generationen sind, so muss jetzt auch Vorsorge für zukünftige Zeiten getroffen werden.“ Den dicken Deal kann sich die Kommune leisten, weil sie schuldenfrei ist. Schuldenfrei ist sie, weil sie 2006 ihr kommunales Wohnungsunternehmen komplett verkauft hat.[6]

Literatur und Weblinks[Bearbeiten]

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Jens Libbe, Stefanie Hanke, Maic Verbücheln: Rekommunalisierung - Eine Bestandsaufnahme, Difu-Paper, August 2011 (vergriffen)
  2. Siehe: Roland Schäfer, Rekommunalisierung: Privat vor Staat hat ausgedient - Erfahrungen aus Bergkamen sowie ders., Kommunal statt Privat - Erfolgreiche Kommunalisierung der Müllabfuhr in Bergkamen
  3. Karin Opphard, Corinna Hölzl, Wolfgang Pohl, Judith Utz: In- und Outsourcing in der kommunalen Abfallwirtschaft. Studie über Make-or-Buy-Entscheidungen, Berlin 2010 (Heinrich-Böll-Stiftung und VKS im VKU)
  4. Stadt Hörstel, Gemeinde Hopsten, Stadt Ibbenbüren, Gemeinde Lotte, Gemeinde Mettingen, Gemeinde Recke, Gemeinde Westerkappeln
  5. Die vorstehenden fünf Beispiele wurden entnommen aus: Nachricht von Gerald Munier, aus AKP 1/2013
  6. Nachricht von Rita A. Herrmann aus AKP 3/2010. Siehe auch die Nachricht „Wohnungsunternehmen: Der Rat verkauft – den Preis zahlen Stadt und Mieterschaft“ in AKP 4/09, S. 9f.

Literatur[Bearbeiten]