Cross Border Leasing

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Cross Border Leasing (CBL) ist eine Form des Leasing, bei dem Leasinggeber und Leasingnehmer in verschiedenen Staaten ansässig sind (Cross Border = grenzüberschreitend). Ursprünglich handelt es sich dabei um eine Form der Exportfinanzierung.[1]. Kommunen und kommunale Unternehmen haben zwischen 1993 und 2003 gelegentlich Cross-Border-Verträge geschlossen, um Vorteile aus unterschiedlicher Steuergesetzgebung der beteiligten Länder zu ziehen. Diese Verträge waren von Anbeginn stark umstritten und haben in mehreren deutschen Kommunen zu ernsten Finanzproblemen geführt.

Kommunales CBL[Bearbeiten]

CBL-Verträge von Kommunen liefen darauf hinaus, dass kommunale Vermögensgegenstände (z. B. Wasser- oder Abwassernetz, Kläranlage, Straßenbahnfahrzeuge) an einen ausländischen Investor, meist aus den USA, verkauft und für die Nutzung langfristig zurückgeleast wurden. Bei solchen Leasingverträgen konnten beide Seiten nach dem Recht ihres jeweiligen Landes als Eigentümer der Vermögensgegenstände gelten und diese abschreiben. Dadurch entstand ein finanzieller Vorteil, den sich die Kommunen als "Barwertvorteil" zu Beginn des Vertrages auszahlen ließen.

Ein CBL-Vertragswerk besteht aus bis zu 70 einzelnen Verträgen, die nur gemeinsam gültig sind und zusammen leicht über 1.000 Seiten umfassen.[2] Vertragspartner sind in der Regel US-Banken, vermittelt wurden die Geschäfte über deutsche Banken. Rund 150 deutsche Kommunen haben um das Jahr 2000 herum Verträge abgeschlossen, das Gesamtvolumen wird auf ca. 30-80 Mrd. €, der insgesamt erzielte Barwertvorteil auf rund 1 Mrd. € geschätzt.[3] Ab 2004 wurde das Steuerschlupfloch in den USA gestopft, die entsprechenden Verträge als Scheingeschäfte eingestuft; seitdem ergeben sich aus CBL-Verträgen mit US-Partnern keine Steuervorteile mehr. Die meisten bestehenden Verträge laufen aber weiter.

Kritik[Bearbeiten]

Cross Border Leasing-Verträge stießen schon frühzeitig auf Skepsis und Kritik. Die Verträge waren ganz oder teilweise geheim, auch die kommunalen Entscheidungsgremien bekamen sie meist nicht zu Gesicht. Damit war unklar, wie die Risiken verteilt sind. Da die Leasingverträge immer über Jahrzehnte gehen, sind diese Risiken kaum abschätzbar: Was geschieht, wenn wesentliche Änderungen an der Infrastruktur notwendig werden, die der Kommune ja nicht mehr gehört? Bedeutet eine Bindung auf bis zu 100 Jahren nicht eine Aushebelung der kommunalen Demokratie und Selbstverwaltung? Was, wenn sich die Verträge als rechtswidrig erweisen sollten? Wer trägt den Schaden, wenn der versprochene Steuervorteil nicht eintritt? Ein Risiko hat sich in einigen Fällen schon ausgewirkt: Falls die beteiligte Geschäftsbank auf der ausländischen Seite im Rating unter einen vorgegebenen Wert fällt, muss nach den Vertragsbestimmungen die deutsche Kommune eine neue Bank suchen, die das Geschäft übernimmt; dies ist in der Regel mit Kosten in Millionenhöhe verbunden.

Teilerfolg: Bundesverwaltungsgericht ermöglicht Zugang zu Verträgen[Bearbeiten]

Auf Klage eines Journalisten, der CBL-Verträge der Stadt Recklinghausen einsehen wollte und sich dazu auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Landes NRW berief, hat das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2011 festgestellt, dass CBL-Verträge nicht geheimhaltungsbedürftig sind.[4] Weder die deutsche Kommune noch die ausländischen Geschäftspartner können sich auf Geheimhaltungsgründe berufen, auch dann nicht, wenn sie eine "Vertraulichkeitsvereinbarung" abgeschlossen haben. Nachdem die amerikanische Steuerbehörde Cross-Border-Leasing-Verträge als Scheingeschäfte beanstandet und ihnen die steuerliche Anerkennung versagt habe, sei das Geschäftsgeheimnis der CBL-Verträge wirtschaftlich "totes" Wissen, das für die aktuelle Markt- und Wettbewerbssituation kaum noch Bedeutung haben dürfte. Auf jeden Fall überwiege das öffentliche und private Offenbarungsinteresse.

Einzelbeispiele[Bearbeiten]

Baden-Württemberg[Bearbeiten]

  • Heidenheim, Aalen und Schwäbisch Gmünd haben 2003 CBL-Verträge geschlossen, die sich 2015 als Kostenfalle erwiesen: Eine beteiligte Bank ist im Rating gefallen und muss von den Städten ersetzt werden.[5] Das Risiko wurde für Heidenheim mit 29,5 Mio. € beziffert.[6] im Fall von Schwäbisch Gmünd und Heidenheim ging es um Abwasseranlagen, die der amerikanische Vertragspartner geleast und an die Städte zurückvermietet hatte; der Barwertvorteil schlug sich in niedrigeren Abwassergebühren nieder. Im Sommer 2017 konnten alle drei Städte mitteilen, dass die Verträge auf Wunsch des US-amerikanischen Vertragspartners vorzeitig einvernehmlich beendet werden.[7]
  • Die Stadt Stuttgart hat 2002 ihr Kanalnetz im Wert von 450 Millionen Euro an den Trust „John Hancock Stuttgart 2002“ verkauft und erhielt dafür knapp 23 Mio. € als Barwertvorteil. Der Vertrag ist auf 99 Jahre angelegt und frühestens nach 29 Jahren, also 2031, kündbar. Beim neuen Eigentümer des Stuttgarter Kanalnetzes handelt es sich der "Stuttgarter Zeitung" zufolge um "eine in der Steueroase im US-Bundessstaat Delaware angesiedelte Briefkastenfirma". Die Gruppe "Ingenieure 22" klagt nunmehr auf Offenlegung der Verträge.
  • Nach 2003 wurden von baden-württembergischen Gemeinden keine CBL-Verträge mehr abgeschlossen.[8]

Weblinks[Bearbeiten]

Sachsen[Bearbeiten]

  • Leipzig: Die Kommunalen Wasserwerke Leipzig (KWL) haben 2000, 2003 und 2005 CBL-Verträge abgeschlossen. Beim letzten Vertrag wurden Wasserleitungen nach Großbritannien vermietet. Nach späteren Feststellungen wurde dabei ein KWL-Manager bestochen. Nach Kreditausfällen in Folge der Finanzkrise 2009 wurden die KWL durch die am Geschäft beteiligte Bank UBS vor dem High Court of Justice in London auf mindestens 400 Mio. € verklagt. In erster Instanz haben die KWL das Verfahren gewonnen, müssen jedoch den seinerzeitigen Barwertvorteil zurückzahlen und weitere Kosten tragen, insgesamt rund 40 Mio. €.

Weblinks[Bearbeiten]

Fußnoten[Bearbeiten]

Zum Weiterlesen[Bearbeiten]