Grüne Infrastruktur

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Was wir grüne Infrastruktur nennen, ist tatsächlich eine Vielzahl unterschiedlicher Elemente. Moore verlangen von Kommunen etwas anderes als Dachbegrünung. Warum also der vereinende Begriff? Keine Wildwiese und keine renaturierte Uferböschung alleine kann leisten, was beide zusammen vielleicht schaffen: ein halbwegs stabiles Gleichgewicht von Pflanzen und Tieren, in dem auch die Menschen einen Platz haben. Die EU definiert Grüne Infrastruktur als strategisch geplantes Netzwerk, das eine wichtige Funktion zum Erhalt der biologischen Vielfalt hat. Das Netzwerk besteht vor allem aus natürlichen oder naturnahen Flächen und anderen Naturelementen, wie Gewässern – weswegen synonym auch oft der Begriff blau-grüne Infrastruktur zu hören ist.

In der Kommunalpolitik wird der Begriff oft etwas allgemeiner verwendet und umfasst Grünflächen und Gewässer unabhängig von ihrer Nutzung und Entstehungsgeschichte. Dass naturnahe Räume auch für das Klima gut sind, ist keine neue Idee. Immer mehr Städte, Kreise und Gemeinden erkennen außerdem, dass ihnen die Investition in Ökosysteme langfristig sogar Geld spart. Vormals bebaute Flächen können durch Entsiegeln und Bepflanzen zu Grüner Infrastruktur gemacht werden. Auf Hochwasser, Dürre und andere Folgen des Klimawandels ist eine Kommune in der Regel besser vorbereitet, je grüner sie ist.

Ökosystemleistungen[Bearbeiten]

Verschiedene Konzepte versuchen, den Wert von urbanem Grün für die Stadtgesellschaft – dessen sogenannte Ökosystemleistung – zu erfassen. Die meisten unterscheiden dafür spezifische Dienstleistungen. Die drei wesentlichen sind:

  • Bereitstellende Ökosystemleistungen, womit das Liefern von Nahrung, Wasser, Baumaterial, Fasern oder Rohstoffen gemeint ist;
  • Regulierende Ökosystemleistungen, hier geht es um Klimabedingungen, Wasserqualität, Schadstoffkonzentrationen oder Bestäubung sowie
  • Kulturelle Ökosystemleistungen, unter die Aspekte wie Stadtbild, Erholung, Naturtourismus und Umweltbildung fallen.

Bekannte Ansätze, die Ökosystemleistungen auch international untersucht haben, sind unter anderem

  • das Millennium Ecosystem Assessment der Vereinten Nationen, das die Folgen von Änderungen der Ökosysteme zwischen 2001 und 2005 untersuchte,
  • die TEEB-Initiative (The Economics of Ecosystems and Biodiversity), die unter anderem von der EU-Kommission finanziert wird sowie
  • das CICES-Projekt (Common International Classification of Ecosystem Services) der Europäischen Umweltagentur.

Kritik an umweltökonomischen Bewertungen, die zum Teil auch in die Betrachtung von Ökosystemleistungen einfließen, befürchtet häufig, dass Biosphären dadurch auf ihren finanziellen Nutzen reduziert werden. Unter anderem Barbara Unmüßig, bis 2022 Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung, kritisierte vor allem die TEEB-Initiative: Diese greife "zum einen das Konzept Valuing Nature auf – Natur wertschätzen und sichtbar machen, weil – so die Vermutung der TEEB Protagonisten – nichts gemanagt werden kann, was nicht gemessen und bewertet wurde. Sie verbinden dies jedoch nicht alleine mit einem politischen Appell zum (Naturschutz)Handeln, sondern machen den ökonomischen Wert, die Monetarisierbarkeit von Natur und ihren Dienstleistungen, expliziter als alle anderen Konzepte davor."[1]

In diesem Spagat zwischen ökonomischen Anreizen zum Natur- sowie Klimaschutz und übermäßiger Kommodifizierung von Ökosystemen müssen Kommunen ihre Umweltstrategie aufbauen.

Kommunale Handlungsspielräume[Bearbeiten]

Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat im Rahmen seines Bundeskonzepts Grüne Infrastruktur neun Aufgabenfelder identifiziert:

  • Arten und Lebensräume,
  • Biotopverbund und Schutzgebietsnetz,
  • Wildnisgebiete,
  • Landschaft (inklusive landschaftsbezogene Erholung),
  • Bodenschutz,
  • Flächeninanspruchnahme und Landschaftszerschneidung,
  • Wasser (Binnengewässer, Grundwasser, Auenzustand, Hochwasserschutz),
  • Meeresschutz,
  • Geländeklima.

Das zum Bundeskonzept gehörende Fachgutachten soll "als integrative, informelle und rechtlich nicht bindende Grundlage für Planungen, Maßnahmen und naturschutzfachliche Einschätzungen in Bund, Ländern, Regionen und Kommunen zur Verfügung stehen."[2]

Darüber hinaus gibt das Bundesamt für Naturschutz umfangreiche Empfehlungen, wie Grüne Infrastruktur konkret in die Kommunalpolitik eingebunden werden kann. Die Autor*innen der BfN-Schrift "Grüne Infrastruktur im urbanen Raum: Grundlagen, Planung und Umsetzung in der integrierten Stadtentwicklung" machen zum Beispiel folgende Ziele für den städtischen Umgang mit Grüner Infrastruktur aus:[3]

  • Förderung von Gesundheit und Lebensqualität: Umweltbelastungen reduzieren, Erholungs- und Bewegungsräume schaffen und die Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen in der Stadt fördern
  • Klimawandelanpassung und Stärkung der Resilienz: Städte an den Klimawandel anpassen und Belastungen für hier lebende Menschen verringern
  • Schutz und Erleben von biologischer Vielfalt: Natur in ihrer Vielfalt in der gesamten Stadt erhalten, fördern und für Menschen erlebbar machen
  • Förderung des sozialen Zusammenhaltes und der gesellschaftlichen Teilhabe: Grün- und Freiräume für verschiedenste Nutzergruppen entwickeln, Begegnung und Kommunikation ermöglichen und Zugänglichkeit in allen Stadtquartieren schaffen
  • Stärkung grüner Baukultur: Mit Hilfe der grünen Baukultur qualitätsvolle urbane Grün und Freiräume als Werk der Landschaftsarchitektur erhalten, planen und entwickeln, um Identität zu stiften, das kulturelle Erbe zu bewahren und neue Gestaltungsformen zu entwickeln
  • Förderung von Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz: Negative Wirkungen städtischen Wachstums und städtischer Nutzungen auf Klima und Umwelt vermeiden, Ressourcenverbrauch reduzieren, Stoffströme schließen
  • Stärkung wirtschaftlicher Entwicklung: Standorte, Stadtquartiere und ganze Städte für ihre Bewohnerinnen und Bewohner sowie als Standort für Unternehmen attraktiver machen.

Das Paper greift darüber hinaus viele Praxisbeispiele auf und erläutert Planungsprinzipien, die Unmittelbar mit dem Konzept Grüner Infrastruktur verknüpft sind.

Die begriffliche Abgrenzung zu verwandten Konzepten wie "Stadtgrün", "wassersensible und hitzeangepasste Stadtentwicklung", "doppelte Innenentwicklung" oder "Biotopverbund" ist nicht immer einfach. Nicht selten finden sich Hinweise auf den kommunalen Umgang mit Grüner Infrastruktur auch unter diesen Schlagworten. So hat etwas das Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung (BBSR) umfangreiche Fallbeispiele unter dem Titel "Handlungsziele für Stadtgrün und deren empirische Evidenz" veröffentlicht. Der Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. (BGL) informiert auf der Seite „Grün in die Stadt“ über Fördermöglichkeiten für kommunale Grünprojekte, aber auch über kommunale Beispiele sowie Vorteile und gute Gründe für mehr Stadtgrün. Oder die Begriffe sind als Unterkategorien Grüner Infrastruktur zu verstehen, wie im Fall der Schwammstadt.

Fußnoten[Bearbeiten]