Ausländerbeirat

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Ausländerbeiräte sind politisch legitimierte und anerkannte Gremien der Mitwirkung an kommunalen Entscheidungsprozessen. Sie sollen als durch die Ausländer selbst gewählte (Vertrauens-)Instanzen deren Belange gegenüber deutschen Staatsbürgern, Behörden und Verwaltungen partizipatorisch vertreten und so einen integrationspolitischen Beitrag leisten.

Geschichte[Bearbeiten]

Die Idee zur Initiierung von demokratischen Vertretungsorganen der in Deutschland lebenden Ausländer geht bis auf die 60er Jahre zurück. 1960 wurde in Dortmund ein Koordinierungskreis zur verwaltungsinternen Kooperation in ausländerpolitischen Fragen gegründet. 1971 empfahlen die zuständigen Landesministerien den Kommunen die Bildung von ausländerpolitischen Arbeitskreisen, damit die Zusammenarbeit zwischen Ausländervereinen, Ämtern und Wohlfahrtsverbänden die nötige Kontinuität erhielt. In den bundesweit 109 Arbeitskreisen waren im gleichen Jahr aber nur 36 Ausländer vertreten.

Die Forderung wurde nun lauter, dass diese Gremien sich ausschließlich aus gewählten ausländischen Repräsentanten zusammensetzen sollten, was 1971/72 erstmals in den in Wiesloch-Walldorf und Troisdorf gegründeten Ausländerparlamenten der Fall war. Verschiedene Bundesländer haben solche autonomen Interessenvertretungsorgane von Ausländern in der Folgezeit als sog. Ausländerbeiräte in ihren Kommunalverfassungen gesetzlich verankert: Hessen §84-88, NRW §27, Rheinland-Pfalz §46a. In Kommunen mit 1000 (Hessen/Rheinland-Pfalz) bzw. 5000 (NRW) ausländischen Einwohnern ist die Wahl und Einrichtung von Ausländerbeiräten Pflicht. In anderen Bundesländern wurden zumindest Kann-Bestimmungen erlassen: Brandenburg §25, Saarland §50, Thüringen §26/Abs.4. Im Jahre 1997 gab es in NRW mit 142 Ausländerbeiräten, Hessen mit 129 und Rheinland-Pfalz mit 45 fast flächendeckend diese Institutionen. Im gleichen Jahr hat sich ein "Bundesausländerbeirat" gegründet, dem über 400 lokale Beiräte angehören.

Rechte und Aufgaben[Bearbeiten]

Ihre Rechte und Aufgaben sind jedoch höchst unterschiedlich definiert. Problematisch ist generell die personelle und finanzielle Ausstattung. Wenn kein Geld zur Verfügung gestellt wird, um eine reguläre Geschäftsstelle mit Bürozeiten und Beratungs- sowie Beschwerde-Service zu unterhalten, wenn in den Stadträten kein Rederecht verankert wurde, sondern Ausländerbeiräte ihre Vorstellungen nur als unverbindliche Empfehlungen aussprechen können, ist die Wirksamkeit dieses Instrumentariums stark eingeschränkt. Vor allem ist es wichtig, daß Ausländerbeiräte genügend Ressourcen haben, um (mehrsprachig) Öffentlichkeitsarbeit machen zu können. Eine Umfrage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aus dem Jahre 1995 hat ergeben, daß 36,8% der Befragten vom Ausländerbeirat eine positive Funktion hinsichtlich der Verbesserung der Situation von Ausländer erwarten, 33% eine Förderung der Verständigung und 29,3% ein Öffentlichmachen der besonderen Anliegen von Ausländern.

Perspektiven[Bearbeiten]

Inzwischen steht die Institution des Ausländerbeirates wieder zur Disposition: In Hessen haben sich 1997 nur knapp über 15% der wahlberechtigten Ausländer an den Beiratswahlen beteiligt, in Rheinland-Pfalz 1999 so wenige, dass vielfach die Quoren verfehlt und im Mai 2000 nochmals gewählt werden musste. Oft wird die frustrierende Arbeitssituation in den "Alibi-Gremien" genannt, die den Elan rasch wieder erlahmen lässt. Nachdem 1990 das Bundesverfassungsgericht ein kommunales Ausländerwahlrecht für verfassungswidrig erklärt hatte, schienen die Ausländerbeiräte zunächst ein passabler Ersatz zu sein. Inzwischen wurde jedoch das aktive und passive Wahlrecht für EU-Bürger auf kommunaler Ebene eingeführt, was in den Augen vieler Ausländer den Beirat überflüssig bzw. nur noch als Gremium der Nicht-EU-Ausländer notwendig macht.

Durch die Erleichterung der Einbürgerung, einen Weg, den zunehmend mehr Ausländer wählen, ist es außerdem zu einem gewissen Aderlass gerade bei den politisch aktiven Ausländervertretern gekommen, die vielfach der Meinung sind, durch den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft mit allen Rechten und Pflichten effektiv mehr für ihre (ehemaligen) Landsleute tun zu können. Fakt ist andererseits aber, dass weder EU-Wahlrecht noch Einbürgerung die kommunalen Ausländerbeiräte überflüssig im Hinblick auf ihre wichtige Funktion bei der Abwehr ethnischer Diskriminierung machen.

Ausländerbeiräte in Hessen[Bearbeiten]

In Hessen sieht § 84 der Hessischen Gemeindeordnung vor, dass in Gemeinden mit mehr als 1.000 gemeldeten ausländischen Einwohner*innen ein Ausländerbeirat zu bilden ist.[1] Nach einer Änderung der HGO im Jahr 2020 kann die Gemeindevertretung jedoch stattdessen eine Kommission zur Integration der ausländischen Einwohner (Integrations-Kommission) bilden. Diese wird nicht von den nichtdeutschen Einwohner*innen gewählt, sondern vom Gemeinderat bestimmt. Von 127 Kommunen, die das Kriterium erfüllen, haben vor der Kommunalwahl 2021 38 davon Gebrauch gemacht, so dass in 89 Kommunen Beiräte gewählt wurden.

Die Möglichkeit, auf einen demokratisch gewählten Beirat zu verzichten, sieht der Landesverband der kommunalen Ausländerbeiräte in Hessen (Landesausländerbeirat - agah) kritisch. Die Streichung von Ausländerbeiräten in 38 Kommunen sei "ohne Not und über die Köpfe der ausländischen Bürger hinweg" geschehen, so die agah-Landesvorsitzende Enis Gülegen. Der integrationspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, Turgut Yüksel, sieht in der Wahlmöglichkeit der Kommunen einen "Abbau von Beteiligungsrechten von Migrantinnen und Migranten".[2]

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Die Aufgaben des Ausländerbeirats regelt § 88 HGO.
  2. Frankfurter Rundschau, Kommunen können Ausländerbeiräte abschaffen, 28.02.2021

Literatur[Bearbeiten]

  • Lutz Hoffmann: Vom Gastarbeiterparlament zur Interessenvertretung ethnischer Minderheiten. die Entwicklung der kommunalen Ausländerbeiräte im Kontext der bundesdeutschen Migrationsgeschichte; in «Standpunkt» Schriftenreihe der AG der Ausländerbeiräte Hessen und Niedersachsen, Wiesbaden/Osnabrück 1997
  • Thomas Liebau: Ausländerbeiräte - Politische Partizipation von Migranten in der Kommune; in Berthold Dietz/Dieter Eißel/Dirk Naumann (Hg.): Handbuch der kommunalen Sozialpolitik; Verlag Leske+Budrich, Opladen 1999, S. 479-489