Feindliches Design
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Der Begriff "Feindliches Design" (verwendet werden auch die Begriffe "Defensive Architektur" (was verharmlosend verstanden werden kann), "Anti-Obdachlosen-Architektur" oder englisch "Hostile Architecture") bezeichnet eine Gestaltung im öffentlichen Raum, die dazu bestimmt ist, unerwünschte Aktivitäten zu verhindern. Häufig geht es darum, Obdachlose abzuhalten, sich z.B. auf Sitzbänke zu legen, doch "defensive Architektur" kann sich auch gegen das Skaten, gegen Sprayen oder andere Aktivitäten richten. Sie wird bei der Gestaltung von Stadtmöbeln wie z.B. Sitzbänken angewendet, aber auch im öffentlichen Nahverkehr oder in öffentlichen Gebäuden.
Feindliches Design geht als Idee auf die 60er, in der Umsetzung auf die 70er Jahre zurück. Damals wurden in New Yorker U-Bahn-Stationen erstmals Bänke aufgestellt, die zwischen den Sitzen Lehnen hatten und sich daher nicht zum Liegen eigneten.
Kritik[Bearbeiten]
Aus sozialpolitischer Sicht wird diese Gestaltung des öffentlichen Raums vielfach kritisiert: "Defensive Architektur" macht das Leben für die Teile der Bevölkerung, die ohnehin schon mit vielen Widrigkeiten zu kämpfen haben, noch ein wenig schwerer. Sie setzt auf Verdrängung: Das Problem wird nicht gelöst, sondern verlagert sich an andere Orte. Die Jury des "Unwort des Jahres 2022" nannte diesen Baustil "menschenverachtend".[1] "Defensive Architektur" macht Stadtmöbel für alle unbequemer: Nicht nur, dass sie zum aufrechten und manchmal unbequemen Sitzen zwingt, oft lässt sich Gepäck oder auch nur ein Kaffeebecher nicht sicher abstellen oder Menschen können nur einzeln mit Abstand sitzen. Das kann auch für Ältere, Kranke oder Familien nachteilig sein.
Aktivist*innen machen auf das Thema zunehmend aufmerksam, teils mit drastischen Aktionen: So entfernte der deutsche Rapper Disarstar 2022 Metallbügel mit einem Trennschleifer und dokumentierte die Aktion auf Youtube.[2] In Stuttgart gibt es eigene Stadtführungen zu diesem Thema.[3]
Fußnoten[Bearbeiten]
- ↑ SWR: Defensive Architektur: Wie ein Baustil Obdachlose aus der Stadt verdrängt, 10.01.2023
- ↑ wikipedia, siehe unter Weblinks
- ↑ SWR, "Defensive Architektur": Wie die Stadt Menschen ausgrenzt, 23.12.2022 (mit Bildbeispielen aus Stuttgart und Link auf eine Sendung zum Thema)
Weblinks[Bearbeiten]
- wikipedia: Defensive Architektur
- taz: Aufenthalt unerwünscht, 27.02.2024
- ZDF heute: Wie Obdachlose in Städten ferngehalten werden, ausführlicher Bericht mit Bildbeispielen
- mdr: "Defensive Architektur": Wie Leipzigs Innenstadt Wohnungslose verdrängt, 12.09.2023
- rbb: Wie in Berlin Architektur gegen Obdachlose eingesetzt wird, 18.12.2022
- mdr: Warum Thüringens Innenstädte unbequemer geworden sind, Gespräch mit Prof. Dr. Frank Eckardt, Bauhaus-Universität Weimar (01.06.2022, mit kurzen Videos)
- Der Standard: "Feindliches Design": Wer im öffentlichen Raum auf Bänken sitzen darf, 10.08.2022, mit Beispielen und Diskussionen aus Wien, sowie Defensive Architektur: Warum Parkbänke oft unbequem sind, 06.08.2021 (Video, 17 min.)
- Hannah Wagner (Hochschule Mannheim): Feindliche Architektur - Wem gehört die Stadt?, einige Bildbeispiele aus ihrer Masterarbeit zum Thema
Podcast[Bearbeiten]
- Jennifer Rieger: Menschenfeindliche Stadt: wenn sich Architektur gegen uns wendet, Gespräch mit dem Architekten Theo Deutinger in der Podcastreihe "NZZ Megahertz", 26.10.2023 (ca. 37 min.)
Literaturhinweise[Bearbeiten]
- Mickaël Labbé: Platz nehmen. Gegen eine Architektur der Verachtung, 208 Seiten, Edition Nautilus 2023, ISBN 978-3-96054-330-5, 20,- € (Verlagsinformation)
- Theo Deutinger: Handbook of Tyranny, 172 Seiten, 987 Illustrationen (Info-Grafiken), Lars Müller Publishers 2023, ISBN 978-3-03778-719-9, Englisch, CHF 35.00 (Verlagsinformation)