Fütterungsverbot für Tauben

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Viele Städte haben ein Fütterungsverbot für Tauben, gelegentlich auch für andere Vögel erlassen. Bei Verstößen kann ein Bußgeld fällig sein. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat solche Verbote im Jahr 2014 für zulässig erklärt. Ein neueres Gutachten hält dagegen Fütterungsverbote für rechtswidrig, jedenfalls wenn kein funktionierendes kommunales Stadttaubenkonzept existiert.

Fütterungsverbot in Stuttgart[Bearbeiten]

Die Landeshauptstadt Stuttgart hatte mit einer Polizeiverordnung aus dem Jahr 1997 das Füttern von Tauben im Stadtgebiet verboten. Dagegen klagte eine Bewohnerin der Stadt, nachdem sie sich bereits fünf Jahre lang mit der Polizeibehörde gestritten hatte, die sie mehrfach - zuletzt mit einem gebührenpflichtigen Bescheid und der Androhung von Zwangsgeld - auf das Fütterungsverbot hingewiesen hatte. Die Klägerin argumentierte u.a., das Fütterungsverbot verstoße gegen das Staatsziel des Tierschutzes in Art. 20a des Grundgesetzes. Gegen die Klageabweisung des Verwaltungsgerichts Stuttgart[1] legte die Klägerin Berufung ein, die jedoch vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg nicht zugelassen wurde. In seiner Begründung[2] argumentiert der VGH u.a. wie folgt:

  • Von Stadttauben geht eine Gesundheitsgefahr "insbesondere bei immundefizienten Personen wie Kindern, alten Menschen und Kranken" aus;
  • weiterhin entstehen durch Taubenkot Gefahren und Schäden für Gebäude;
  • Das Taubenfütterungsverbot verstößt nicht gegen das Staatsziel des Tierschutzes (Artikel 20 a Grundgesetz). Der Tierschutz sei bei Abwägungsentscheidungen zu berücksichtigen, setze sich aber nicht notwendigerweise gegen konkurrierende Belange von verfassungsrechtlichem Gewicht durch.

Mit der neuen Polizeiverordnung vom März 2017 ist in Stuttgart auch das Füttern von Wasservögeln verboten.[3]

Vorschläge von Tierschutzorganisationen[Bearbeiten]

Tierschutzorganisationen halten ein Fütterungsverbot für nicht geeignet, die Taubenpopulation in Schach zu halten, und bestreiten zudem die den Tauben angelasteten Gefahren und Schäden. Sie schlagen andere Methoden vor: Taubenschläge sollen den Tauben Nistplätze bieten, mit kontrollierten Futterplätzen soll eine artgerechte Ernährung gewährleistet werden. Die Population wird begrenzt, indem die Eier gegen Attrappen ausgetauscht werden.[4] Zumeist scheitert dies Konzept an dem personellen Aufwand, der damit verbunden ist. Zwar sind Freiwillige aus Tierschutzorganisationen gelegentlich bereit, Taubenschläge zu betreuen, doch ist ihre Zahl viel zu gering. Ein Taubenschlag kann etwas über 100 Tiere aufnehmen, in einer mittleren Großstadt (200.000-300.000 Einw.) wären 100-150 Taubenschläge, in Berlin über 1.000 erforderlich. Zudem müssten die Tauben wirksam daran gehindert werden, an anderen Orten zu nisten. Da Tauben sehr standorttreu sind, müssen Taubenhäuser in der Stadt nahe den bisherigen Taubenstandorten stehen; Taubenhäuser am Stadtrand erfüllen ihren Zweck meist nicht.

Klage gegen Fütterungsverbot in Kassel[Bearbeiten]

Die Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz finanziert und unterstützt seit 2019 eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Kassel gegen ein Fütterungsverbot für Tauben in Fulda. Die ursprünglich für das erste Quartal 2020 vorgesehene mündliche Verhandlung wurde aufgrund der Corona-Krise verschoben, bis jetzt (Stand: Februar 2022) gibt es offenbar noch keine Entscheidung.

Ausnahmen in der Corona-Krise[Bearbeiten]

Während des Lockdowns aufgrund der Corona-Krise fanden Stadttauben weniger Futter, da Geschäfte geschlossen, Innenstädte, Bahnhöfe etc. weniger frequentiert sind und daher kaum Essensreste im öffentlichen Raum zu finden sind. Zu Beginn der Krise, im März 2020, hatte die Tierschutzorganisation Peta von 78 Städten mit Fütterungsverbot gefordert, dieses befristet aufzuheben, da die Tiere während des Lockdowns während der Corona-Krise keine Nahrung fänden und zu verhungern drohten. Bayerische Städte wie Nürnberg und Fürth wiesen diese Forderung jedoch zunächst zurück. Während der Corona-Krise seien nicht mehr tote Tauben als sonst gefunden worden, das Verbot werde nicht gelockert. Ende 2020 rief der Deutsche Tierschutzbund dazu auf, Ausnahmen vom Fütterungsverbot zuzulassen. Sie sollten nur für Tierschutzvereine und Taubenhilfen und für artgerechtes Körnerfutter gelten, auch um unkontrollierte Fütterungen durch Privatpersonen zu vermeiden.[5] Einige Städte - darunter Nürnberg, Köln, Kiel und Braunschweig - erteilten solche Ausnahmegenehmigungen. Andere, z.B. Hamburg und München, entschieden sich dagegen. Im Winter seien die Biergärten und Straßencafés immer geschlossen, so dass die Tauben weniger Essensreste finden würden, erklärte die Stadt München. "Eine besondere Notlage ist daher nicht ersichtlich."[6]

Berlin: Gutachten zu städtischen Pflichten[Bearbeiten]

Ein Gutachten im Auftrag der Berliner Landestierschutzbeauftragten Dr. Kathrin Herrmann vom Oktober 2021 wirft ein neues Licht auf Fütterungsverbote. Bei sog. Stadttauben handelt es sich danach immer um Haustiere (domestizierte Tiere).[7] Auch wenn sie von der Felsentaube abstammen, bilden sie eine eigene Art, vermischen sich nicht mit wilden Tauben und behalten genetisch und verhaltensbiologisch ihre angezüchteten Merkmale. Sie sind für das Leben in freier Wildbahn nicht gerüstet. Ihre tierschutzrechtlichen Probleme sind menschengemacht. Der Gutachter leitet aus Art. 20a Grundgesetz sowie aus Art. 31 Abs. 2 der Verfassung von Berlin und dem Tierschutzgesetz die Verpflichtung des Staates ab, sich um diese Tauben angemessen zu kümmern. Seiner Ansicht nach - hier zitiert er einen juristischen Fachaufsatz[8] - ist es Pflicht der Städte, diese Tauben vor Leid zu schützen, was zumeist bedeutet, ihnen (betreute) Taubenhäuser und Futter zur Verfügung zu stellen und ggf. ihre Gelege gegen Ei-Attrappen auszutauschen. Stadttaubenmonitoring und Stadttaubenmanagement ist danach von den Städten im Sinne eines wirksamen Tierschutzes gesetzlich gefordert.

Ein zweiter Argumentationsstrang in diesem Gutachten lautet: Rechtlich gesehen seien Stadttauben "Fundsachen", die der Finder nach § 966 Abs. 1 BGB "verwahren" muss. Die Kommunen haben damit gegenüber den Stadttauben "Halterpflichten" nach §§ 2 ff. Tierschutzgesetz (insbesondere Fütterung, Pflege, tierärztliche Versorgung). Das Füttern von Tauben zu verbieten und mit Bußgeldern zu belegen hält der Gutachter - zumindest solange sie nicht von der Stadt gefüttert werden - für rechtswidrig.

Weblinks[Bearbeiten]

Umfrage zu Stadttaubenkonzepten[Bearbeiten]

Zum Jahreswechsel 2020/21 führte der Bundesverband Menschen für Tierrechte eine Online-Umfrage unter Veterinär- und Ordnungsämtern, Tierschutzvereinen, Stadttaubeninitiativen sowie Privatpersonen durch, deren Ergebnisse im Dezember 2021 veröffentlicht wurden. Das Fazit: Nach Auswertung von 129 Fragebögen aus 71 Städten zeigt sich, dass das „Augsburger Modell“ erfolgreich sein kann, wenn es konsequent umgesetzt wird. Zehn Projekte wurden als besonders erfolgreich bewertet und werden in der Publikation als best practice vorgestellt, darunter Aachen, Augsburg, Düsseldorf und Wiesbaden sowie kleinere Städte wie Bielefeld, Norderstedt, Hanau oder Tübingen. Der Verband fordert - auch mit Blick auf das Berliner Gutachten (siehe den vorhergehenden Abschnitt) - von den Städten ein funktionierendes Stadttaubenmanagement.

Weblinks[Bearbeiten]

In Mecklenburg-Vorpommern als Gesundheitsschädlinge eingestuft[Bearbeiten]

Das Land Mecklenburg-Vorpommern stuft Stadttauben als Gesundheitsschädlinge ein; siehe dazu § 1 der Landesverordnung zur Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen (GesSchädBLVO M-V). Daraus kann sich unter bestimmten Umständen eine Pflicht zu ihrer Bekämpfung ergeben.

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. VG Stuttgart, Urteil vom 27.05.2014, Az.: 5 K 433/12
  2. Die Begründung der Nichtzulassung der Berufung liegt im Volltext nicht vor; vgl. aber die Wiedergabe wesentlicher Aussagen in: Rechtsindex, Tauben füttern verboten - Verstoß gegen das Staatsziel des Tierschutzes?, 20.12.2014
  3. Zu den aktuellen Bestimmungen in Stuttgart siehe: Stadt Stuttgart, Fütterungsverbot für Tauben und Wasservögel
  4. Vgl. die Papiere des Deutschen Tierschutzbundes unter Weblinks; als Beispiel für Stuttgart die Forderungen des "Verein Straßentaube und Stadtleben": Stuttgarter Nachrichten, Taubenfüttern soll wieder erlaubt sein, 05.04.2018; aus Worms: Wormser Zeitung, "Kommunen müssen den Tierschutz ernst nehmen", 16.01.2020
  5. Siehe Deutscher Tierschutzbund, Lockdown: Stadttauben finden weniger Nahrung, Pressemitteilung vom 21.12.2020. Siehe auch: Tierschutzverein für Stadttauben und Wildtiere in Nürnberg e.V. "Ein Haus für Stefan B.": Corona-Krise trifft auch den Tierschutzverein für Stadttauben, Pressemitteilung vom 23.03.2020
  6. Zeit, Tierschützer dürfen im Lockdown ausnahmsweise Tauben füttern, 14.02.2021
  7. Siehe dazu auch: Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz, Stadttauben sind keine Wildvögel, mit weiteren Links zum Thema
  8. von Loeper, in: Natur und Recht 2020 (42), 827, 829

Weblinks[Bearbeiten]

Örtliche Beispiele[Bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten]