Kommunale Bildungslandschaft
Der Begriff der „kommunalen Bildungslandschaft“ (auch in den Varianten „lokale“ bzw. „regionale Bildungslandschaft“) ist in der deutschen Debatte relativ neu. Zuvor nur sporadisch verwendet, ist er insbesondere in Folge des 12. Kinder- und Jugendberichts der Bundesregierung (2005) zu einem Gegenstand jener politischen Debatte geworden, die sich mit der Veränderung und Erweiterung des Verständnisses von Bildung auseinandersetzt.
Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass Bildung nicht nur in der Schule stattfindet. Kinder und Jugendliche bilden sich an vielen Orten und bei vielen Gelegenheiten: In der Familie, durch Medien, in spezifischen Angeboten für Kinder und Jugendliche, in Institutionen wie Bibliotheken und Museen und natürlich auch in der peer group und bei Freizeitaktivitäten; letztlich überall dort, wo sie sich mit ihrer Umwelt aktiv auseinandersetzen. Dementsprechend gilt es, alle relevanten Bildungsorte und -gelegenheiten im Zusammenhang zu betrachten.
Wenn diese „Bildungslandschaft“ als „kommunal“ bezeichnet wird, wird damit zugleich ein Anspruch an die Gemeinde formuliert, eine Gesamtkonzeption zu entwickeln. Bildung wird in der Konsequenz stärker als bislang als kommunale Aufgabe gesehen.
Der Begriff „Bildungslandschaft“ fasst daher alle Angebote für Kinder und Jugendliche zusammen, die im weiteren Sinne einen Bildungsauftrag erfüllen, wobei die (nur teilweise kommunale) Schule, weitere öffentliche Angebote und Orte, die Familie und das Freizeitumfeld der Kinder einbezogen sind. Er fordert zudem alle Akteure, die Angebote an Kinder und Jugendliche adressieren, auf, über den Tellerrand ihrer Institution zu schauen, sich stärker auf ihr Umfeld zu beziehen und miteinander in Verfolgung gemeinsamer Ziele zu kooperieren.
Realitätsbeschreibung oder politische Aufgabe[Bearbeiten]
Bei genauerer Betrachtung wird der Begriff der „Bildungslandschaft“ in zweierlei Sinn gebraucht:
- Als Beschreibung einer Realität, die es zu analysieren und zu verbessern gilt; in diesem Sinne wird häufig der Begriff der „lokalen“ oder „regionalen Bildungslandschaft“ gebraucht.
- Als Bezeichnung für ein politisches Ziel, das erst noch zu erreichen ist (Aufbau einer Bildungslandschaft). Mit dem Sprachgebrauch „kommunale Bildungslandschaft“ wird dabei auch tendenziell eine Zuständigkeit für diese Aufgabe gesehen.
Wird die Entwicklung einer kommunalen Bildungslandschaft als politische Aufgabe ernst genommen, reicht es nicht, sich konzeptionell auf die Kooperation Jugendhilfe - Schule zu beschränken. Es gilt vielmehr, weitere kommunale Fachplanungen (z. B. auch Sozial- und Raumplanung) in die Betrachtung einzubeziehen, Netzwerke zwischen vielen Akteuren zu knüpfen sowie schul- und schulformübergreifende Angebote zu entwickeln. Auch die Gelegenheiten des „informellen Lernens“ müssen betrachtet werden: Der öffentliche Raum (und das ist nicht nur die Umgebung des Schulgeländes) muss Möglichkeiten zu kreativer Aneignung bieten, die außerschulischen Bildungseinrichtungen müssen für Kinder und Jugendliche niedrigschwellig zugänglich sein und auf sie zugeschnittene Angebote haben. So wird „Bildung“ zu einer umfassenden kommunalen Aufgabe, in der die gegenüber der Gemeinde relativ autonome Schule ein zentraler Kooperationspartner, aber nicht der einzige Akteur ist.
Einzelne Bundesländer[Bearbeiten]
In Rheinland-Pfalz und im Saarland unterstützt seit 2014 die Transferagentur Rheinland-Pfalz – Saarland Landkreise und kreisfreie Städte beim Auf- und Ausbau eines kommunalen Bildungsmanagements. Sie bietet dafür Beratung, Qualifizierung und Vernetzung als Instrumente. Mit dem Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition von 2021 sieht die Agentur gute Voraussetzungen für eine Stärkung der kommunalen Verantwortung in der Bildung.[1]
Lokale und Regionale Beispiele[Bearbeiten]
Fußnote[Bearbeiten]
- ↑ Eifel-Mosel-Zeitung: Neue Ampelkoalition: Transferagentur sieht Aufwind für kommunale Bildungslandschaften, 09.05.2021
Materialien und Links:[Bearbeiten]
- Heinrich-Böll-Stiftung: Dossier "Bildung im Sozialraum. Gelingensbedingungen für Kooperationen in Bildungslandschaften (2022,
- Dorothea Minderop: Kommunen auf dem Weg zur Bildungslandschaft. Ein Handbuch für kommunale Akteure, Hrsg Bertelsmann Stiftung, 2014, 130 Seiten, ISBN 978-3-86793-577-7, 20,00 € (Weitere Informationen)
- Wolfgang Rombey: Erfolgsfaktoren einer kommunalen Bildungslandschaft. Eine Handreichung zum Aufbau eines kommunalen Bildungsnetzwerkes (Hrsg. Bertelsmann-Stiftung; pdf-Format, 24 Seiten, März 2014)
- Christin Melcher: Kommunale Bildungslandschaften, Broschüre des DAKS e.V., 2012 (pdf-Format, 36 Seiten)
- Heinrich-Böll-Stiftung: Bildung als kommunale Angelegenheit - Interview mit Sybille Volkholz und Anika Duveneck, 21. März 2012
- Anika Duveneck, Sybille Volkholz: Kommunale Bildungslandschaften, Berlin 2011 (Heinrich-Böll-Stiftung, Download kostenlos)
- Caroline Müller: Kommunale Bildungslandschaften als Entwicklungsraum früher Bildung, Betreuung und Erziehung (Internationale Hochschulschriften, Band 553), Waxmann Verlag 2011, 262 Seiten, ISBN 978-3-8309-2459-3, 29,90 € (als e-book 26,90 €) (Verlagsinformation)
- Der Deutsche Städtetag hat zu diesem Thema zwei Erklärungen verabschiedet: Die Aachener Erklärung 2007 und die Münchner Erklärung "Bildung gemeinsam verantworten" 2012
- Sofie Schalkhaußer, Franziska Thomas: Lokale Bildungslandschaften in Kooperation von Jugendhilfe und Schule. Forschungsbericht des Deutschen Jugendinstituts, 2011, ISBN 978-3-86379-014-1 (pdf-Format, 300 Seiten, 11 MB)
- Dr. Ernst-Wilhelm Luthe: Kommunale Bildungslandschaften. Rechtliche und organisatorische Grundlagen. Mit einem Geleitwort des Deutschen Landkreistages, Erich-Schmidt-Verlag, 2008, 375 Seiten, ISBN 978-3-503-11231-9, 44,80 € (Verlagsinformation)
- Besonders weitgehend wird das Ziel einer kommunalen Bildungslandschaft vom „Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge“ formuliert, der in einem Diskussionspapier von 2007 verbindliche Vereinbarungen der Akteure für den „Aufbau kommunaler Bildungslandschaften“ als notwendig erachtet.
- Wolfgang Mack / Anna Harder / Judith Kelö / Katharina Wach: Lokale Bildungslandschaften, Projektbericht (2006)
- Wolfgang Mack: Lokale Bildungslandschaften planen, Vortrag auf dem 4. Ganztagsschulkongress, September 2007
- Beispiel für ein lokales Konzept: Reiner Prölß (Referent für Jugend, Familie und Soziales in Nürnberg), Bildung ist mehr als ein Referat. Eckpunkte eine Topografie und Organisation einer kommunalen Bildungslandschaft in Nürnberg, Juni 2005
- Das Fachportal der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung zum Thema Bildungslandschaften: http://www.lokale-bildungslandschaften.de/home.html