Bildungspolitik als kommunale Aufgabe

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Vor zehn Jahren war es noch einfach. Wurde nach der kommunalen Bildungspolitik gefragt, so lautete die Antwort: Die Kommune ist für Inhalt und Konzept der Schulen nicht verantwortlich; lediglich Gebäude und Ausstattung fallen in ihren Aufgabenbereich. Dann blieben noch einige Institutionen außerschulischer Bildung – Museen, Bibliotheken, Volkshochschulen – übrig, deren Angebote sich hauptsächlich an Erwachsene richten. „Kommunale Bildungspolitik“ war damit ein randständiges, sehr schmales Politikfeld.

Inzwischen ist ein deutlicher Umschwung erkennbar. Dazu mag die erste PISA-Untersuchung beigetragen haben, die allgemein die Bedeutung von Bildung im öffentlichen Bewusstsein anhob. Wichtiger war aber die Neudiskussion des Bildungsbegriffs: Kinder und Jugendliche lernen an vielen Orten und bei vielen Gelegenheiten, nicht nur in der Schule. Mindestens ebenso wichtig sind die Anstöße, die aus der Familie kommen, aus Medien, aus Freizeitangeboten, aus der peer group. Im weitesten Sinne lernen Kinder immer dann und überall dort, wo sie sich aktiv mit ihrer Umwelt auseinandersetzen.

Mit der Ausweitung des Bildungsbegriffs weitet sich auch der Blick für politische Verantwortlichkeiten. Wenn Bildung in einem Netzwerk aus Schule, Jugend- und Freizeitangeboten, Familie und Stadtumfeld stattfindet, so liegt es nahe, dies Netzwerk in seiner Gesamtheit und in seinem Beziehungsgeflecht zu betrachten und auf seine Bildungstauglichkeit zu prüfen. Und wesentliche Teile dieses Netzwerks sind nun mal kommunal oder können von der Kommune beeinflusst oder gefördert werden. Damit wird Bildung in einem umfassenderen Sinne zu einer kommunalen Aufgabe.

Kondensationspunkt dieses Verständnisses ist der Begriff der „kommunalen (oder lokalen) Bildungslandschaft“, der genau diese Gesamtschau ausdrückt. Seine Interpretation geht allerdings unterschiedlich weit. Die lokale Bildungslandschaft lässt sich zunächst rein analysierend betrachten: Es ist eine Tatsache, dass verschiedene Akteure auf der lokalen Ebene an Bildung und Lernprozessen bei Kindern und Jugendlichen beteiligt sind. Wird jedoch von „kommunaler Bildungslandschaft“ gesprochen, so ist die Kommune als eigener Akteur angesprochen. Ihre Aufgabe besteht darin, Verknüpfungen zu bilden oder zu fördern und so die Bildungslandschaft erst noch zu schaffen oder doch zumindest zu gestalten. „Bildungslandschaft“ wird damit ein politisches Ziel.

Kommunale Bildungslandschaft: Mehr als die Kooperation Schule – Jugendhilfe[Bearbeiten]

Diese kann mehr oder weniger verbindlich angelegt sein, mehr oder weniger Partner einbeziehen. Besonders weit geht der „Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge (DV) in seinem Positionspapier „Aufbau kommunaler Bildungslandschaften“ (2007). Er fordert, die Kooperationsbeziehungen in der kommunalen Bildungslandschaft durch verbindliche Vereinbarungen zu festigen und zu verstetigen. Der Projektbericht „Lokale Bildungslandschaften“ des Deutschen Jugendinstituts zeigt Ansätze und Möglichkeiten auf, wie Kommunen das Zusammenspiel von Jugendhilfe und Schule im Sinne einer Bildungslandschaft gestalten und steuern können. Exemplarisch wurden Konzepte der Städte Halle, Arnsberg und Dortmund analysiert, ein Blick über die Grenzen nach Italien und Schweden weitet zusätzlich den Horizont. Klar ist: Die viel diskutierte Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe ist ein wichtiger Kern einer kommunalen Bildungslandschaft, doch gehört weit mehr dazu.

Dabei hat sich jedoch gerade die Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe als besonders schwierig herausgestellt. Unterschiedliche Ziele, Arbeitsweisen und Mentalitäten prägen diese Bereiche. Schule ist verpflichtend, verfolgt verbindliche (Bildungs-)ziele und arbeitet in festen zeitlichen und räumlichen Strukturen. Die SozialarbeiterInnen in der Jugendhilfe machen (freiwillige) Angebote, orientieren sich flexibel an den Wünschen ihrer Zielgruppen und verfolgen in erster Linie soziale und sozialpolitische Zielsetzungen. Gemeinsam ist ihnen die Erfahrung der Ressourcenverknappung und der Arbeitsüberlastung. Für die Kooperation beider Bereiche mangelt es nicht an guten Konzepten, allein die Praxis stößt auf vielfältige Hemmnisse, die auch in der Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Professionen liegen.

Siehe hierzu[Bearbeiten]

Kommune und Schule in der Kooperation[Bearbeiten]

Wie groß die Schwierigkeiten auch sein mögen: Reform der Schule heißt heute immer auch Öffnung der Schule. Es gilt, den SchülerInnen gesellschaftliche Lernräume außerhalb des schulischen Mikrokosmos zu eröffnen, und zugleich, den Schulen neue Kooperationsmöglichkeiten und –partnerInnen zu erschließen, die ihr Lernangebot inhaltlich bereichern oder ihre Ressourcen durch BürgerInnen-Engagement (einschl. Sponsoring) verstärken. Und überall, wo dies geschieht oder geschehen soll, kommt die Kommune ins Spiel. Sie kann Verbindungen zwischen Schule, Eltern, weiteren PartnerInnen und dem Stadtteil initiieren, herstellen und unterstützen und damit zugleich Anstöße zu innerschulischen Reformen geben – oder sie kann all dies bürokratisch be- und verhindern. Spätestens die Entwicklung zur Ganztagsschule setzt auch die Kommune unter Veränderungsdruck: Wenn die Schule auch am Nachmittag Unterricht oder zumindest Angebote bereit hält, bleibt anderen Einrichtungen die Klientel aus. Sie müssen sich fragen, ob sie nicht in Kooperation mit den Schulen ihre Aufgaben neu definieren müssen.

Auch in umgekehrte Richtung kann Kooperation gelingen: indem die Schule ihre Ressourcen (z. B. ihre Räume) für öffentliche Ereignisse zur Verfügung stellt und sich damit selbst stärker in den gesellschaftlichen (zumeist kommunalen) Zusammenhang stellt. Bei all dem geht es nicht in erster Linie um Fragen der Zuständigkeit, sondern um Kooperation zwischen PartnerInnen, die eigenständig ihre Ziele definieren und autonom agieren.

Dabei gibt es viele mögliche Schnittstellen. Wir greifen – neben der bereits genannten Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe – beispielhaft zwei heraus:

  • Beim Service Learning übernehmen SchülerInnen Aufgaben (meist sozialer Art) im und für den Stadtteil oder die gesamte Gemeinde, nicht als isoliertes Projekt, sondern als Teil des Unterrichts. Soziales Lernen, Übernahme von Verantwortung und Erschließung neuer Kenntnisse gehen dabei Hand in Hand. Im Idealfall profitieren alle: die Schule, die SchülerInnen, die Zielgruppe der Dienstleistungen und die Gemeinde.
  • Ein entscheidender Punkt in der Biographie Jugendlicher ist der Übergang zwischen Schule und Beruf. Dass dieser gelingt, liegt auch im ureigenen Interesse der Gemeinde, für die sich die Prävention gegen spätere Arbeitslosigkeit direkt auszahlt. Dabei müssen die Bemühungen innerhalb wie außerhalb der Schule schon lange vor dem Zeitpunkt beginnen, an dem die Jugendlichen die Schule verlassen.

Weitere Beispiele sind das abgeschlossene BLK-Projekt „Demokratie lernen und leben“ oder die Initiative "Verantwortung lernen!".

Nicht zuständig, aber verantwortlich?[Bearbeiten]

Damit sollte klar sein, dass die Gemeinden sich nicht länger auf ihre Nicht-Zuständigkeit zurückziehen dürfen. Bildungspolitik ist eine originär kommunale Aufgabe, sie muss vernetzt und kooperativ gedacht und mit einem langfristigen Konzept angegangen werden.

Einzelne Gemeinden haben folgerichtig – analog zu anderen Bereichen – damit begonnen, sich zunächst einmal einen umfassenden Überblick zu verschaffen: Bildungsberichterstattung wird in Bund und Ländern schon länger betrieben, jetzt kommt sie in den Gemeinden an. München ist hier Vorreiter. Der Erste Münchener Bildungsbericht wurde 2006 vom Schul- und Kultusreferat der bayerischen Landeshauptstadt in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Urbanistik (difu) erstellt. Er nimmt besonders die Situation in benachteiligten Stadtquartieren in den Blick und kann mit seiner Systematik jedenfalls für andere Großstädte als Vorbild dienen.

Berichterstattung, Kooperationen – reichen diese Möglichkeiten der Kommune aus, oder braucht sie stärkere Kompetenzen in der Schulpolitik? Es ist keine Überraschung, dass auch dies zum Diskussionsgegenstand geworden ist. In seinen „Celler Thesen zur kommunalen Bildungspolitik“ forderte der Niedersächsische Städtetag im Mai 2007, zumindest in Modellversuchen eine kommunale Zuständigkeit für die Grundschule zu erproben. Ihm geht es dabei vor allem um die bessere Verzahnung zwischen Kindertagesbetreuung und Grundschule. Auch bei Bündnis 90 / Die Grünen wird diese Debatte geführt. So arbeiten die Grünen Baden-Württemberg am Konzept einer „selbstbestimmten Schule in kommunaler Verantwortung“. In anderen Bundesländern konzentriert sich die Debatte dagegen (noch?) auf die innere Verfasstheit der Schule; beispielhaft hierfür stehen die niedersächsischen Grünen mit ihrem Konzept „Die Neue Schule Niedersachsen“. Hauptziel ist, dass alle SchülerInnen bis zum neunten Schuljahr gemeinsam lernen. All diese Konzepte sind Teil einer Reformdebatte, die erst beginnt.