Kommunale Glücksspielkonzepte
Kommunale Glücksspielkonzepte sind strategische Rahmenwerke, mit denen Städte und Gemeinden das Glücksspiel im lokalen Raum steuern. Sie bündeln Erkenntnisse zur Angebots- und Nachfragestruktur, legen Ziele des Spieler*innenschutzes fest, definieren Zuständigkeiten innerhalb der Verwaltung und beschreiben Maßnahmen der Prävention, Ordnung und Stadtentwicklung. Im Kern geht es darum, öffentliche Interessen wie Gesundheitsschutz, Jugend- und Spielerschutz, städtebauliche Qualität sowie Sicherheit und Ordnung mit den Realitäten eines regulierten Glücksspielmarkts zu verbinden.
Historische Entwicklung[Bearbeiten]
Lange Zeit lag die Regulierung des Glücksspiels vor allem auf Landes- und Staatsebene; Kommunen wirkten hauptsächlich über Bauleitplanung, Gewerberecht und örtliche Ordnungsvorschriften. Seit den 1990er-Jahren nahm die Zahl gewerblicher Spielangebote in Städten zu, parallel dazu veränderte die Digitalisierung die Spielgewohnheiten. Daraus erwuchs vor Ort ein größerer Koordinationsbedarf. Kommunale Konzepte wurden professionalisiert: Datenbasierte Bestandsaufnahmen, sozialräumliche Analysen, feste Kooperationsstrukturen mit Beratungsstellen und eine systematische Evaluation gehören heute zum Standard.
Rechtlicher Rahmen[Bearbeiten]
Der rechtliche Rahmen wird übergreifend gesetzt, doch Kommunen verfügen über wesentliche Steuerungshebel. Mit der Bauleitplanung legen sie fest, wo Vergnügungsstätten zulässig sind und welche Abstände zu sensiblen Einrichtungen gelten. Ordnungs- und Gewerbebehörden überwachen Auflagen, Öffnungszeiten und Jugendschutz. Gesundheits- und Sozialverwaltungen kooperieren mit Suchtberatungen, fördern Präventionsmaßnahmen und koordinieren Hilfeketten. Öffentlichkeitsarbeit, Schulungsangebote und lokale Leitfäden sorgen dafür, dass Regelungen im Alltag ankommen.[1]
Ziele und Leitprinzipien[Bearbeiten]
Zentrale Ziele sind der Schutz vor problematischem Spielverhalten, die geordnete Steuerung des Angebots im Stadtgebiet, Transparenz bei Entscheidungen sowie die enge Zusammenarbeit zwischen Ordnungsamt, Jugendhilfe, Gesundheitswesen, Schulen, Polizei und zivilgesellschaftlichen Trägern. Leitprinzipien sind Evidenzorientierung, Verhältnismäßigkeit und Kontinuität: Entscheidungen stützen sich auf lokale Daten, Maßnahmen sind nachvollziehbar abgestuft und die Wirkung wird regelmäßig überprüft.
Einfluss und Rolle für Kommunen[Bearbeiten]
Kommunale Glücksspielkonzepte wirken als verbindendes Dach über mehrere Politik- und Verwaltungsfelder. Ihre zentrale Rolle besteht darin, Ziele zu priorisieren, Zuständigkeiten zu klären und operative Maßnahmen so zu koordinieren, dass Prävention, Ordnung und Stadtentwicklung ineinandergreifen. Dabei liegt die besondere Stärke der Kommunen in der Nähe zu den betroffenen Quartieren, Akteur*innen und Zielgruppen: Sie kennen lokale Muster, können schnell reagieren und Maßnahmen passgenau zuschneiden.
Governance und Organisation[Bearbeiten]
In vielen Städten werden feste Steuerungsstrukturen eingerichtet – etwa eine zentrale Koordinierungsstelle oder ein verwaltungsübergreifender Lenkungskreis –, der Ordnungsamt, Jugendhilfe, Gesundheitsamt, Stadtplanung, Schulverwaltung, Schulden- und Suchtberatung sowie Polizei an einen Tisch bringt. Diese Gremien definieren Jahresziele, legen Monitoringindikatoren fest und steuern die Ressourcenverteilung. Klare Prozessketten werden etabliert: von der Antragsprüfung und Standortbewertung über Vollzug und Kontrollen bis zur Dokumentation und Evaluation. Ein regelmäßiger Bericht an Politik und Öffentlichkeit schafft Transparenz und trägt zur Verstetigung bei.
Integrierte Stadtpolitik[Bearbeiten]
Die Rolle der Kommune reicht über die reine Regulierung von Spielstätten hinaus. In der Sozial- und Gesundheitspolitik verankern Konzepte Präventionsketten: Schulen, Jugendzentren, Sportvereine und Beratungsstellen arbeiten mit abgestimmten Materialien und Verweiswegen. In der Stadtentwicklung werden Leitbilder zur Nutzungsmischung konkretisiert, um Vergnügungsstätten räumlich zu ordnen und sensible Bereiche zu schützen. Wirtschaftsförderung und Quartiersmanagement können ergänzend wirken, etwa wenn attraktive Alternativnutzungen für Erdgeschosszonen entwickelt oder belebt werden.
Datenbasierte Steuerung[Bearbeiten]
Kommunen entwickeln zunehmend Datenkompetenz im Sinne eines kontinuierlichen Monitorings. Zusammengeführt werden städtebauliche Informationen (Dichte und Lage von Spielstätten), ordnungsrechtliche Befunde (Kontrollen, Auflagen), gesundheits- und sozialbezogene Indikatoren (Beratungsanfragen, Inanspruchnahme von Hilfen) sowie Hinweise aus Bildungseinrichtungen. Datenschutzkonforme Dashboards erlauben es, räumliche Schwerpunkte zu erkennen, Maßnahmen zeitnah anzupassen und Wirksamkeit über längere Zeiträume nachzuverfolgen. Diese Evidenzbasis stärkt die Entscheidungsqualität und ermöglicht eine vorausschauende Steuerung.
Finanz- und Ressourcenmanagement[Bearbeiten]
Aufgaben im Spieler*innenschutz, in Beratung und Vollzug benötigen verlässliche Ressourcen. Kommunen kalkulieren Personal- und Sachaufwände, planen Fortbildungen für Vollzugskräfte und sichern die Finanzierung von Beratungsangeboten – häufig in Kooperation mit freien Trägern. Zugleich werden Wirkungen der Prävention berücksichtigt: Frühzeitige Information, zielgruppengerechte Ansprache und gut erreichbare Hilfen stabilisieren über die Zeit die Nachfrage nach intensiveren Leistungen und erhöhen die Planbarkeit im Haushalt.
Vollzug, Kommunikation und Öffentlichkeitsraum[Bearbeiten]
Die ordnungsrechtliche Rolle der Kommune zeigt sich in planmäßigen Kontrollen, in standardisierten Verfahren bei Verstößen und in klaren Auflagen an Betreiber. Flankierend wird die Kommunikation in den öffentlichen Raum hinein gestaltet: Informationskampagnen adressieren Jugendliche, Eltern und Multiplikator*innen; Leitfäden unterstützen Betriebe bei der Einhaltung von Jugendschutz- und Spielerschutzstandards. Wo es rechtlich möglich ist, werden Regeln zur Außenwirkung und Werbung präzisiert, damit Schutzinteressen und Stadtbild miteinander harmonieren.
Digitale Dimension und Online-Angebote[Bearbeiten]
Obwohl die Erlaubnis für Online-Casinos[2] maßgeblich auf höherer Ebene liegt, entfaltet die kommunale Rolle ihren Effekt in Prävention, Beratung und Bildung. Medienpädagogische Projekte an Schulen, digitale Beratungsformate, Schulungen zu Mechaniken der Online-Angebote sowie Kooperationsvereinbarungen mit lokalen Akteur*innen (z. B. Jugendhilfe, Schuldnerberatung) sorgen dafür, dass Risiken früh erkannt und adressiert werden. Monitoringdaten mit Online-Bezug – etwa Beratungsfälle oder Schulabsentismus im Umfeld intensiver Nutzung – fließen in die Schwerpunktsetzung ein.
Interkommunale Zusammenarbeit[Bearbeiten]
Viele Fragestellungen überschreiten Stadtgrenzen. Kommunen kooperieren deshalb in Verbünden, tauschen Musterregelwerke, Evaluationsdesigns und Schulungsmaterialien aus und harmonisieren, wo möglich, städtebauliche und ordnungsrechtliche Standards. Dadurch entstehen übertragbare Verfahren, die den Vollzug vereinfachen und die Rechtssicherheit erhöhen.[3]
Operativer Mehrwert im Alltag[Bearbeiten]
Im Ergebnis schafft das kommunale Glücksspielkonzept Verlässlichkeit: für Bürger*innen, die niedrigschwellige Informationen und Hilfen finden; für Schulen und soziale Einrichtungen, die klare Ansprechpartner und Materialien nutzen; für die Verwaltung, die entlang definierter Prozesse arbeitet; und für legale Anbieter, die transparente, nachvollziehbare Regeln vorfinden. Die Kommune wird so zur Moderatorin eines geordneten Marktrahmens, einer wirksamen Präventionslandschaft und eines Stadtbilds, das Schutzinteressen und urbanes Leben dauerhaft in Einklang bringt.
Online-Casino und digitale Angebote[Bearbeiten]
Digitale Angebote wie Online-Casinos werden schwerpunktmäßig auf höherer Ebene reguliert, wirken jedoch unmittelbar in den kommunalen Raum hinein. Wichtig sind Glücksspiellizenzen der jeweiligen Online-Casinos. Diese stehen für die Legalität der Betreiber. In der Schweiz zum Beispiel wurde das erste legale Online-Casino 2019 eröffnet.[4] In Deutschland gibt es auch mehrere regulierte Casinos.
Instrumente der Umsetzung[Bearbeiten]
Am Beginn steht meist eine Bestands- und Bedarfsanalyse: Anzahl, Lage und Dichte stationärer Angebote werden erfasst, ebenso sozialräumliche Merkmale und die Inanspruchnahme von Hilfen. Darauf aufbauend werden städtebauliche Leitlinien formuliert, die Vergnügungsstätten räumlich ordnen und sensible Bereiche schützen. Ordnungsrechtliche Maßnahmen reichen von planmäßigen Kontrollen bis zu standardisierten Verfahren bei Verstößen. Prävention wird als Querschnittsaufgabe verstanden: Multiplikator*innen in Schulen, Jugendhilfe, Sport und Kultur erhalten Materialien und Schulungen; Beratungsangebote werden niedrigschwellig gestaltet, mehrsprachig kommuniziert und mit Schuldnerberatung, psychosozialer Betreuung sowie Therapieangeboten verknüpft. Regelmäßige Berichte sichern Transparenz und ermöglichen Kurskorrekturen.
Finanzielle Aspekte[Bearbeiten]
Kommunale Haushalte sind mit gegensätzlichen Effekten konfrontiert. Einerseits fließen Steuern, Abgaben oder Pachten indirekt in öffentliche Kassen, andererseits entstehen Kosten durch Beratung, Behandlung, soziale Folgewirkungen und ordnungsrechtliche Maßnahmen. Moderne Konzepte bilanzieren diese Effekte systematisch und stellen Präventionsrenditen heraus: Frühzeitige Aufklärung, wirksamer Spielerschutz und gut zugängliche Hilfen vermindern Folgekosten und stabilisieren langfristig kommunale Budgets. Dafür bleibt jedoch auch die Einkünfte der Gemeinden auf der Strecke. Besonders stark wurde dies durch verschärfte Regelungen für Spielhallen sichtbar.[5]
Stadtsoziologische und städtebauliche Dimension[Bearbeiten]
Glücksspielangebote konzentrieren sich häufig in bestimmten Straßenzügen. Kommunale Konzepte nutzen Leitbilder wie Nutzungsmischung und lebendige Erdgeschosszonen, um Monostrukturen zu vermeiden. Gestaltungsvorgaben können die äußere Präsenz von Spielstätten zügeln und so das Stadtbild schützen. Sozialräumliche Analysen identifizieren Gebiete mit besonderem Handlungsbedarf; dort werden städtebauliche Steuerung, Prävention und Quartiersarbeit gezielt gebündelt.
Evaluation und Indikatoren[Bearbeiten]
Die Wirkung kommunaler Glücksspielkonzepte wird mit quantitativen und qualitativen Indikatoren erfasst. Dazu zählen die Dichte und Verteilung von Spielangeboten, die Zahl der Beratungsfälle, ordnungsrechtliche Feststellungen, aber auch subjektive Sicherheits- und Stadtbildwahrnehmungen. Viele Kommunen etablieren dafür kontinuierliche Monitorings, die datenschutzkonform gestaltet sind und Entscheidungen laufend unterstützen. Evaluation wird nicht als einmaliger Abschluss, sondern als wiederkehrender Bestandteil des Steuerungskreislaufs verstanden.
Gute Praxis und Erfolgsfaktoren[Bearbeiten]
Erfolge stellen sich ein, wenn mehrere Bedingungen zusammenkommen: eine belastbare Datenbasis, klare Governance-Strukturen innerhalb der Verwaltung, verlässliche Kooperationen mit freien Trägern und Anbietern sowie eine Kommunikation, die Zielgruppen wirklich erreicht. Besonders wirksam sind Formate, die digitale Prävention mit Angeboten vor Ort verknüpfen, etwa wenn Online-Beratungen niedrigschwellig den Einstieg in persönliche Hilfewege öffnen. Transparente Berichte gegenüber Politik und Öffentlichkeit erhöhen die Akzeptanz und sichern die Verstetigung.
Fußnoten[Bearbeiten]
- ↑ kultus.hessen.de: Sucht- und Gewaltprävention, 29.10.2025
- ↑ gluecksspiel-behoerde.de: Erlaubnis für Glücksspielanbieter, 29.10.2025
- ↑ bpb.de: Interkommunale Kooperation oder Wettbewerb?, 29.10.2025
- ↑ jackpots.ch: Online Casino, 29.10.2025
- ↑ kommunal.de: Wie viel Geld verlieren die deutschen Kommunen beim Glücksspiel?, 21.06.2021
Siehe auch[Bearbeiten]
- hansestadt-lueneburg.de: Spielhallenkonzept für die Hansestadt Lüneburg, 19.05.2022