Leitfaden für eine neue Planungskultur

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Der Leitfaden für eine neue Planungskultur wurde im März 2014 vom Staatsministerium Baden-Württemberg veröffentlicht. Er ist ein Begleitwerk zur VwV Öffentlichkeitsbeteiligung und enthält unverbindliche Empfehlungen für ihre Umsetzung. Diese richten sich in erster Linie an die Landesverwaltung, aber auch an private und kommunale Vorhabenträger.

Aus dem Inhalt[Bearbeiten]

  • Wozu eine Erweiterung der Öffentlichkeitsbeteiligung?
  • Die zentralen Neuerungen in der Öffentlichkeitsbeteiligung
  • Was bedeuten die Vorgaben der Verwaltungsvorschrift im Detail?
  • Das Beteiligungsscoping
  • Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung während der Vorhabenrealisierung
  • Wie setzen wir die frühe und nicht-förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung um?
  • Evaluation und Bewertung des Beteiligungsverfahrens
  • Checkliste: Hinwirken auf dritte Vorhabenträger

Rezension von Wolfgang Pohl[Bearbeiten]

Mit einer neuen Verwaltungsvorschrift zur Öffentlichkeitsbeteiligung hat das Land Baden-Württemberg 2013 Neuland betreten. Das Bundesland verpflichtet sich, in Planungs- und Zulassungsverfahren über die gesetzlichen Vorgaben hinaus transparent zu handeln und Beteiligung zu ermöglichen. Die von Winfried Kretschmann versprochene "Politik des Gehörtwerdens" soll damit ein Stück weit umgesetzt werden. Die Vorschrift bindet die Verwaltung an bestimmte Grundsätze und Vorgehensweisen bei Planungen, die das Land durchführt, ob auf eigene Initiative oder durch andere Vorhabenträger angestoßen. Der vorliegende Leitfaden soll diese Vorschrift erläutern und ihre Handhabung erleichtern.

Der Leitfaden formuliert eingangs die Grundsätze der baden-württembergischen Beteiligungspolitik:

  • Beteiligung soll so früh wie möglich beginnen.
  • Ihre konkrete Ausgestaltung wird nicht im Einzelnen vorgeschrieben, sondern soll fallweise flexibel gehandhabt werden.
  • Ziel des Verwaltungshandelns ist nicht allein die rechtliche Planungssicherheit, sondern auch die Mitwirkung interessierter Bürgerinnen und Bürger am Gemeinwohl.
  • Indem die Lebenswirklichkeit der Menschen vor Ort einbezogen wird, kann Konflikten frühzeitig vorgebeugt beziehungsweise diese aktiv bearbeitet werden.
  • Durch eine aufgeschlossene und wertschätzende Grundeinstellung gegenüber allen beteiligten Akteuren wird Beteiligung zur Bereicherung für die Planung, Zulassung und Umsetzung von Infrastrukturprojekten.
  • Die erweiterte Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern ist Ausdruck eines neuen Demokratieverständnisses.
  • Beteiligung gelingt nicht von alleine – Haltung, Rahmenbedingungen und Methoden müssen stimmen.
  • Für die Planung und Umsetzung der Bürger- und Öffentlichkeitsbeteiligung müssen Zeit und Ressourcen eingeplant werden.
  • Eine dialogorientierte Planungskultur muss die Holschuld der Bürger bei der Informationsbeschaffung und Teilhabe mit der Bringschuld der Verwaltung für Bereitstellung von Information und Eröffnung von Beteiligungsmöglichkeiten in Einklang bringen.
  • Im Idealfall verbessert eine sorgfältig durchgeführte Öffentlichkeitsbeteiligung die Qualität der Planungen und kann für einen reibungslosen Ablauf des förmlichen Verfahrens sorgen.

Ausgiebig wird dargestellt, wie die Landesregierung Beteiligung versteht und warum sie sie mehr als bisher für notwendig hält. Dabei wird auch auf den Unterschied zwischen Beteiligung und Protest und auf die Abgrenzung - aber auch mögliche Verbindungen - zwischen Beteiligung und direkter Demokratie eingegangen. Der Leitfaden klärt, für wen und für welche Verfahren die Verwaltungsvorschrift gilt: Sie verpflichtet die Verwaltung, bei förmlichen Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren zusätzlich zur vorgeschriebenen formellen Beteiligung eine nicht-förmliche Bürgerbeteiligung durchzuführen, die miteinander verzahnt werden. Eigene Abschnitte gehen detailliert auf die Integration nicht-förmlicher Beteiligung in die Raumordnung und in Genehmigungs-, insbesondere Planfeststellungsverfahren ein. Die Amtsermittlungspflicht, also der Auftrag an die Verwaltung, von sich aus alle Umstände zu ermitteln, die für die Entscheidung bedeutsam sind, erstreckt sich mit der Verwaltungsvorschrift auch auf die Erkenntnisse der frühen und der nicht-förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung, womit diese an Verbindlichkeit gewinnen. Für die Beteiligung soll ein eigenes Budget bereitgestellt werden. Für die Herstellung von Transparenz wird vor allem (aber nicht nur) das Internet genutzt.

Schon der Fahrplan für das Beteiligungsverfahren soll in einem öffentlichen, partizipativen Prozess entstehen; hierfür wird als neues Instrument das Beteiligungsscoping eingeführt, dem ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Ein weiteres Kapitel behandelt die Beteiligung während der Realisierungsphase. Die Empfehlungen zur Umsetzung der Beteiligung und zur Evaluierung runden den Leitfaden ab.

Beim Leitfaden fällt die sorgfältige und durchdachte Gestaltung auf. Immer wieder werden besondere Fragestellungen oder Erklärungen von Fachbegriffen in Textkästen ausgelagert; Grafiken und Tabellen machen komplexe Abläufe und Zusammenhänge verständlich. All das kommt der Lesbarkeit zugute. Checklisten, Literatur und ein Materialanhang - der auch die Verwaltungsvorschrift im Wortlaut enthält - betonen ebenfalls die Ausrichtung des Leitfadens auf Praxistauglichkeit. Die gefällige, lesefreundliche Aufmachung wie auch die Tatsache, dass viele Begriffe und Sachverhalte erklärt werden, die Verwaltungsprofis bekannt sein dürften, deutet darauf hin, dass sich der Leitfaden eher an eine interessierte Öffentlichkeit als an Verwaltungsmitarbeiter/innen richtet. Neben seinem erklärten Zweck - die Beteiligungspolitik des Landes konkret und verständlich zu machen - versucht der Leitfaden auch, den versprochenen neuen Politikstil abzubilden und für ihn zu werben. Bleibt zu hoffen, dass dieser nicht nur auf bedrucktem Papier, sondern auch in kommenden Planungs- und Genehmigungsprozessen gelebt wird, dass also die Landesverwaltung die neue Verwaltungsvorschrift nicht nur dem Wort, sondern auch dem Geist nach umsetzt. Dies wird deutlich schwieriger werden und länger dauern als die Erstellung eines bemerkenswerten Leitfadens.

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Siehe auch[Bearbeiten]