Post-Oil-City - Die Stadt von morgen

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Angaben zur Literatur:


Autor(en): Oekom-Verein

Post-Oil-City - Die Stadt von morgen

Verlag: oekom-verlag
Ort: München
Erscheinungsjahr: 2011
Seitenzahl: 145
Preis: 16,90 €
ISBN 978-3-86581-255-1


Rezension von Dieter Emig (Karlsruhe)[Bearbeiten]

Mitte 2050 werden 80 Prozent der Weltbevölkerung in urbanen Konglomeraten leben. Genug Anlass, Visionen einer nachhaltigen Stadt zu entwickeln. Und die werden in diesem Band der Zeitschrift "politische ökologie" geboten. Ralf Fücks gibt das Intro. In seiner bekannt atemlos-brillanten Diktion umrundet er Erdball und Geschichte und gibt den Takt vor, die finale Ablösung der Charta von Athen hin zur Vision d e r nachhaltigen Stadt der Zukunft, der Post-Oil-City. Die AutorInnen aus einem breit gestreuten fachlichen Reservoir liefern durchweg knappe, durchstrukturierte Texte. Ein gutes Beispiel für innovative Wissensvermittlung in verständlicher Form.

Im Leseverlauf schieben sich Zielkonflikte ein. Je drastischer der ökologische Umbau ausfällt, umso mehr stellt sich die Frage: Wer steuert das mit welcher Legitimation? Wie stellt man sich in Rio de Janeiro, in Kalkutta, in Lagos usw. das Entstehen einer avanciert der Ökologie verpflichteten städtischen Führungselite vor? Generell eine spannende Frage: Wer aus der städtischen Bürgerschaft ist dafür zu gewinnen, erst recht, wie und in welcher Form sollen sich demokratische Mehrheiten für einen Umbau finden lassen, dessen Verstehen und Akzeptieren einen relativ hohen Bildungsgrad voraussetzt?

In vielen Großstädten der westlichen Hemisphäre tritt noch etwas hinzu, derzeit in Berlin modellhaft aufgeführt. Die Aufwertung der Innenstädte in den Big-Cities führt zwangsweise zu sozialen Verdrängungsprozessen, der Gentrifizierung. Ein Autor spricht vom öko-sozialen Paradoxon, das durchweg Schichten trifft, die bereits im Netz prekärer Lebenswelten strampeln. Geradezu gemein drängelt sich eine spezifische Alltagserfahrung in den Vordergrund. Was ökologisch oder öko-sozial wird, wird meist auch teurer, oft viel teurer. Ein bunter Reigen von den Miets- und Grundstückspreissteigerungen in aufgewerteten Quartieren, Lebensmitteln in Bio-Läden und sonstwo, Textilien, Strom und vielen anderen Gütern des alltäglichen Bedarfs: Wo "öko" draufsteht, zahlt man auch drauf. Wer das nicht kann ist weg.

Politisch kleidet sich die öko-soziale Zukunftsstadt ins Gewand der Zivilgesellschaft. Nach allen Daten von Bürgerbeteiligungsprozessen der letzten Jahre sind das überwiegend die besser gebildeten, modernen Mittelschichten. Die Bürgergesellschaft ist die Gesellschaft der LOHAS. Ihr historisch würdevolles Fundament ist die Attische Demokratie der alten Griechen, gestaltet und beherrscht von einer Bürgerelite.

Bei aller Faszination für die visionäre Kraft der Beiträge dieses Bandes bleiben für die Ausgestaltung der Stadt von morgen doch noch grundlegende Fragen zu beackern. Über die Erste stolpert man schon im Titel. Post-Oil-City - wie war das doch noch mal mit dem Atomausstieg?

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