Rechtspopulismus

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Was genau unter Rechtspopulismus verstanden wird, ist umstritten. Es gibt zum einen die Meinung, es würde sich um eine Parteienfamilie handeln, die Mitte der 80er Jahre entstanden ist. Andererseits gibt es auch die Position, Rechtspopulismus sei ein Politikstil. Für beide Ansichten gibt es gute Argumente. Während Rechtspopulismus lange Zeit nur in Form von Parteien und deren Politikstil sichtbar war, gibt es heute auch Äußerungen, die jenseits von Parteien als rechtspopulistisch bezeichnet werden. Die Äußerungen Thilo Sarrazins oder auch Aktivitäten vermeintlicher Bürgerbewegungen wie Pro Köln oder Pro Berlin sind beispielsweise nicht in eine Parteienfamilie einzuordnen. Nichtsdestotrotz haben diese Parteien, Einzelpersonen und "Bewegungen" einen bestimmten inhaltlichen Hintergrund, der es erlaubt, sie dem Rechtspopulismus zuzuordnen. Rechtspopulismus unterscheidet sich von Rechtsextremismus vor allem im schwächer ausgeprägten oder ganz fehlenden positiven Bezug zum Nationalsozialismus. Dieses Merkmal führt dazu, dass sie weitaus gesellschaftsfähiger sind, weil sie weniger tabuisiert werden als offen rechtsextreme Organisierungsformen.

Rechtspopulismus als Partei[Bearbeiten]

Unter „Rechtspopulismus“ wird eine neuartige Parteienfamilie subsumiert, die sich seit Mitte der 80er Jahre in verschiedenen europäischen Ländern etabliert hat.[1] Als allen populistischen Bestrebungen gemeinsam, ob links oder rechts orientiert, gilt der Bezug auf das einfache „Volk“ und die Kritik am „Establishment“.[2] Unter letzterem werden Konzerne, Parteien, Regierungsapparate und andere Machtblöcke verstanden.

Als wesentliche Entstehungshintergründe dieser Parteien werden Folgeerscheinungen gesellschaftlicher Modernisierungskrisen, wie beispielsweise die Globalisierung genannt.[3] Inhaltlich geben sich rechtspopulistische Parteien antielitär, systemfeindlich, klassenübergreifend,[4] im Vergleich zu Rechtsextremisten weniger antidemokratischisch,[5] nationalistisch, z.T. auch antiintellektuell[6] und ganz deutlich kulturell für eine monoethnische Gemeinschaft.[7]

Klassisch rechtspopulistische Parteien sind die Freiheitliche Partei Österreichs, der französische Front National oder der belgische Vlaams Belang.

Siehe auch[Bearbeiten]

Rechtspopulismus als Politikstil[Bearbeiten]

Betrachten man Rechtspopulismus als Politikstil, so sind es bestimmte Inhalte, die im Vordergrund stehen. Hierbei knüpfen Rechtspopulisten an Vorurteile an, die in allen gesellschaftlichen Schichten verbreitet sind. Allen gemeinsam sind folgende Punkte:

Betonung identitäts- und demokratiepolitischer Themen[Bearbeiten]

  • Horizontale Abgrenzung: Gemeint ist das generieren des "Fremden", das Ausgrenzen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen nach rassistischen Kriterien. Aktuell ist vor allem antimuslimischer Rassismus ein Anknüpfungspunkt. Aber auch die Argumentation der "kriminellen Ausländer" fällt in diesen Bereich. Gegen diese Gruppen wird die Identität einer Wir-Gruppe gestellt, die gegenteilige Eigenschaften besitzt.
  • Vertikale Abgrenzung: Argumentationen von "denen da oben" die über "uns hier unten" entscheiden. Hierzu gehören Forderungen nach mehr direkter Demokratie, in Form von Volksentscheiden. Ziel dessen ist die Einschränkung von Minderheitenrechten (z.B. Minarettverbot in der Schweiz oder Verbot der Homo-Ehe). Es gibt Studien aus den USA, die den Zusammenhang zwischen direktdemokratischen Elementen und Einschränkung von Minderheitenrechten untersucht haben. Diese haben ergeben, dass Volksentscheide keinen auffällig negativen Einfluss auf Minderheitenrechte haben.[8] Entscheidungen in Demokratien beruhen auf Mehrheiten, unabhängig davon, ob sie repräsentativ- oder direktdemokratisch getroffen werden. Minderheitenrechte können demnach in beiden Formen gleichermaßen eingeschränkt werden.

Beschwörung eines drohenden kollektiven Identitätsverlustes[Bearbeiten]

  • Kritik an ethnisch kulturell, pluralistischer Gesellschaft: Kollektive und individuelle Identitäten können laut Ansicht der Rechtspopulisten nicht nebeneinander existieren. Konflikte werden auf kulturelle Barrieren heruntergebrochen, z.B. in den Themenfeldern Bildung und Arbeit. Migrant/innen sollen sich anpassen, da ihnen sonst die kulturelle Vereinnahmung der Mehrheitsgesellschaft unterstellt wird.
  • Sündenböcke: Probleme der weltweiten Modernisierungsprozesse werden Migrant/innen und Politiker/innen angelastet (Globalisierung, Arbeitslosigkeit, sozialer Abstieg). Die Lösung der Probleme lautet dann "Zuwanderungsstopp" oder Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft.
  • Die Brücke zur gesellschaftlichen Mitte wird durch die These vom „Kampf der Kulturen“[9] geschlagen. Die These Samuel Huntingtons lautet, Konflikte seien in Zukunft nicht mehr politisch, ideologisch oder wirtschaftlich bestimmt, sondern würden zwischen Kulturkreisen entstehen, hauptsächlich zwischen westlichem und islamischem. Dass seine These auf offene Ohren stößt, zeigt eine Studie des Allensbach Instituts aus dem Jahr 2006. Dort wurde in einer Umfrage festgestellt, dass 56% der Deutschen zwischen Christentum und Islam einen ernsten Konflikt sehen. Das Problem hierbei ist, das Konflikte ethnisiert werden, obwohl sie unterschiedliche Ursachen haben, wie beispielsweise soziale.

Anstreben einer ethnisch kulturell homogenen Gemeinschaft[Bearbeiten]

  • Diese homogene Gemeinschaft ist unterschiedlich definiert, entweder national (Dansk Folkeparti) oder regional (Lega Nord).
  • Rechtspopulistische Parteien wollen ebenso die Mehrheit vertreten, wie es andere Parteien wollen. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass sie ihre Mehrheit selbst definieren z.B. als "Volksgemeinschaft" in die nur bestimmte Gruppen von Menschen gehören und andere nicht.
  • Europa der Völker vs. Europa der Nationen: Das Europa der Völker ist eine völkisch/regionalistische Vorstellung, die nicht zwingend nationalistisch sein muss. Volk, Nation und Staat sollen hier ethnisch, kulturell und territorial deckungsgleich sein. Ein Beispiel ist die Forderung des Vlaams Belang nach der Souveränität Flandern oder die Forderung der Lega Nord nach der Unabhängigkeit des wirtschaftlich starken Norden Italiens. Dagegen steht das Konzept des Europa der Nationen. Dieses beinhaltet einen völker- und ethnienübergreifenden Nationalstaat, in dem separatistische und regionalistische Bestrebungen abgelehnt werden. Der französische Front National fordert beispielsweise ein Europa der Nationen. Diese beiden möglichen europapolitischen Entwürfe behindern u.a. die Fraktionsbildung der Rechtspopulisten im Europaparlament.

Andere Themen[Bearbeiten]

Es gibt Themen, die von manchen Gruppen und Parteien aufgegriffen werden, von anderen wiederum gar nicht. Dazu gehören

  • Ablehnung der EU weil „fremdbestimmt“
  • Verteidigung christliches Europa gegenüber Islam
  • Ablehnung des Türkei-Beitritts zur EU
  • traditionelle Ehe- und Familienvorstellungen (gegen Abtreibung und Homosexualität)
  • Politik der Null-Toleranz (harte Strafen, Abschiebung „krimineller“ MigrantInnen, Todesstrafe)
  • Wirtschaftspolitik: Förderung klein- und mittelständischer Unternehmen, insb. Landwirtschaft und Handwerk
  • Sozial und Arbeitsmarktpolitik, die sich an Interessen des eigenen Volkes orientiert

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Decker, Frank: Die populistische Herausforderung. Theoretische und ländervergleichende Perspektiven. in: Decker, Frank (Hrsg.): Populismus. Gefahr für die Demokratie oder nützliches Korrektiv?, Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2006, (S. 9)
  2. Ebd. S. 12
  3. Ebd. S. 13
  4. Jaschke, Hans­Gerd: Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Westdeutscher Verlag, Opladen, 1994 (S. 23-87)
  5. Mudde, Cas: The ideology of the extreme right, Manchester University Press, New York, 2000 (S. 1­30)
  6. Puhle, Hans­Jürgen: Zwischen Protest und Politikstil: Populismus, Neo­Populismus und Demokratie, in: Werz, Nikolaus (Hrsg.): Populismus. Populisten in Übersee und Europa, Leske + Budrich, Opladen 2003
  7. Pelinka, Anton: Die FPÖ in der vergleichenden Parteienforschung. Zur typologischen Einordnung der freiheitlichen Partei Österreichs, Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, Nr.31/3, 2002, S. 281-290
  8. Butler, David/ Ranney, Austin (Hrsg.): Referendums around the World. The Growing Use of Direct Democracy. Washington D.C. : AEI Press, 1994
  9. Huntington, Samuel: The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order. Simon & Schuster, New York 1996, in deutsch erschienen als: Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert. Goldmann, München 1998

Siehe auch[Bearbeiten]