Straßenbaubeiträge in Brandenburg

Aus KommunalWiki

Zur Definition von Straßenbaubeiträgen und den Grundlagen siehe: Straßenausbaubeitrag

In Brandenburg wurden die Straßenbaubeiträge, wie sie dort bezeichnet werden, im Juni 2019 mit Wirkung ab Jahresanfang abgeschafft. Zuvor galt für Straßenbaubeiträge eine Soll-Vorschrift, d.h. eine Kommune konnte nur in besonders begründeten Ausnahmefällen auf die Erhebung verzichten.

Soll-Vorschrift bis Ende 2018[Bearbeiten]

In der bis Ende 2018 geltenden Fassung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (KAG) lautete ( 8 (1) Satz 2: "Bei den dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen, Wegen und Plätzen sollen Beiträge (Straßenbaubeiträge) erhoben werden." Eine solche "Soll-Vorschrift" bedeutet nach dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofes München von 2016,[1], das vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt wurde[2], dass die Gemeinde zur Erhebung des Beitrags "grundsätzlich verpflichtet" ist. Nur "unter besonderen – atypischen – Umständen" durfte eine Gemeinde von der Erhebung von Straßenbaubeiträgen absehen.

Wie in anderen Bundesländern war die Erhebung von Straßenbaubeiträgen in Brandenburg immer wieder umstritten. In vielen Fällen bedeuteten sie für die Anlieger/innen von sanierten Straßen eine hohe Belastung. Daneben gab es die Vermutung, dass finanzschwache Kommunen den Unterhalt von Straßen vernachlässigen, um die dann eher fällige Sanierung mit den Beiträgen der Bürger/innen finanzieren zu können.[3] Tatsächlich ist das Gemeindestraßennetz in Brandenburg in einem problematischen Zustand. So ermittelte das Deutsche Institut für Urbanistik (difu) in einer im November 2018 veröffentlichten Studie im Auftrag des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg, dass 36% des kommunalen Straßennetzes den gesetzlichen Anforderungen nicht genügen. Der jährliche Instandhaltungsbedarf liege bei 310 Mio € (bei Zugrundelegung der Angaben aus den Gemeinden sogar 439 Mio. €; tatsächlich aufgewendet wurden ca. 52 Mio. € jährlich), der Investitionsbedarf betrage 2,77 Mrd. € (im Jahr 2017 wurden 150 Mio. € investiert). Nur ca. 40 Mio. € wurden durch Straßenbau- und Erschließungsbeiträge eingenommen.[4]

Im Oktober 2018 initiierten die Freien Wähler eine Volksinitiative zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Innerhalb von zwei Monaten erreichte diese ca. 50.000 Unterschriften, bis März 2019 über 100.000 (notwendig wären im ersten Schritt lediglich ca. 20.000 gewesen).[5] Auch die CDU sprach sich grundsätzlich für eine Abschaffung aus. Vertreter von Kommunen und der Städte- und Gemeindebund hielten dagegen: Die Beiträge seien ein wichtiges Finanzierungsinstrument, der Ruf nach Abschaffung sei Populismus.[6] Wegen der entstandenen Ungewissheit stellten einige Kommunen Anfang 2019 ihre Ausbaupläne zurück.[7]

Abschaffung der Beiträge[Bearbeiten]

Im März 2019 präsentierten die Regierungsparteien SPD und Linke einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Straßenbaubeiträge.[8] Die kommunalen Spitzenverbände wie auch der Innenminister der Landes, Schröter, bezeichneten dieses Vorhaben weiterhin als "Irrweg".[9] Dennoch wurde das Gesetz am 19.06.2019 vom Landtag verabschiedet. Umgesetzt wird die Abschaffung durch eine Neuformulierung des § 8 (1) Satz 2 des KAG. Die Neuregelung gilt rückwirkend ab Jahresanfang 2019. Der Stichtag bezieht sich auf die Beendigung der beitragspflichtigen Maßnahme, d.h. für Straßenausbaumaßnahmen, die bis zum 31.12.2018 abgeschlossen wurden, werden noch Beiträge erhoben. Zum Ausgleich für zukünftig entfallende Beiträge erhalten die Kommunen jährlich eine Pauschale von zunächst gut 1.400 € je km Gemeindestraße, insgesamt stehen 31 Mio. € hierfür bereit. Die Pauschale soll jährlich um 1,5% erhöht werden.[10] Wo diese Pauschale hinter den Beitragsausfällen zurückfällt, sollen die Kommunen auf Antrag einen Ausgleich erhalten. Hierfür beschloss der Landtag eine Aufstockung des Landespersonals.[11]

Die Kommunen und ihre Spitzenverbände kritisieren diese Beschlüsse und halten sie nicht für tragfähig:[12]

  • Die pauschale Erstattung vom Land reicht in vielen Fällen nicht aus. Wie und wo der Antrag auf Ausgleich der Mehrkosten zu stellen ist, bleibt jedoch vorerst im Dunklen, weil eine entsprechende Landesverordnung fehlt. Auch die jährliche Steigerung um 1,5% bleibt weit hinter der Entwicklung der Baukosten zurück.
  • Die versprochene Entlastung bei den Bürokratiekosten tritt nicht ein: Zwar müssen die Kommunen keine Bescheide mehr erstellen, sie müssen diesejedoch weiterhin fiktiv berechnen, um ggf. den Ausgleich für Kosten oberhalb der Pauschale beim Land nachweisen zu können.
  • Das Land erstattet die Kosten nur für den Ausbau von Gemeindestraßen. Wenn bei Kreis- oder Landstraßen jedoch z.B. Radwege oder eine Straßenbeleuchtung ergänzt werden, fallen diese Kosten ebenfalls bei der Gemeinde an, ohne Landeserstattung.
  • Laut Landesgesetz werden zwar keine Straßenausbaubeiträge mehr erhoben, doch bleiben die Erschließungsbeiträge bestehen. In manchen Fällen erwarten die Kommunen Rechtsstreitigkeiten darüber, ob eine Maßnahme als Erschließung oder als Ausbau anzusehen ist.

2019 und 2020: 65 Mio. € ausgezahlt[Bearbeiten]

Nach Auskunft der Landesregierung[13] hat das Land in den Jahren 2019 und 2020 jeweils rund 31,25 bzw. 33,75 Mio. €, insgesamt also 65 Mio. € pauschale Erstattung für nicht eingenommene Straßenbaubeiträge ausgezahlt. 19 Kommunen haben Fehlbeträge von insgesamt ca. 3,7 Mio. € geltend gemacht und einen entsprechenden Ausgleich ("Spitzabrechnung") beantragt. Bis Mitte Februar 2021 waren hierauf knapp 500.000 € gezahlt worden, 13 Anträge waren noch in Bearbeitung.[14]

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. VGH München, Urteil v. 09.11.2016 – 6 B 15.2732
  2. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde der Gemeinde gegen die Nichtzulassung der Revision zurück: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 16.11.2017 - BVerwG 10 B 2.17.
  3. Märkische Allgemeine: Straßenausbau – Das böse Spiel der Kommunen, 16.08.2016
  4. Vgl. difu, Difu-Studie: Ein Drittel der Gemeindestraßen im Land Brandenburg weist erhebliche Mängel auf, Medieninformation vom 19.11.2018; die Kurzstudie: difu, Bestand und Zustand des gemeindlichen Straßennetzes in Brandenburg: Mittel- und langfristige Investitionsbedarfe (pdf-Format, 31 Seiten); vgl. auch: Märkische Oderzeitung, Ein Drittel des kommunalen Straßennetzes mangelhaft, 19.11.2018
  5. KOMMUNAL: Volksinitiative gegen Beiträge zum Straßenausbau, 15.10.2018; Berliner Morgenpost: 50 000 Unterschriften für Abschaffung der Straßenbaubeiträge, 30.12.2018
  6. LR online: Kommunen gegen Abschaffung der Straßenausbaugebühren, 19.11.2018; Märkische Allgemeine: Kommunen: Abschaffung von Straßenbeiträgen ist „Populismus“, 17.01.2019
  7. Märkische Allgemeine: Erste Kommunen stoppen Straßenbau, 06.02.2019
  8. Landtag Brandenburg, Drucksache 6/10943 v. 26.03.2019. Siehe auch: MOZ.de, Straßenausbaubeiträge fallen rückwirkend ab 1. Januar, 26.03.2019; Der Neue Kämmerer, Brandenburg schafft Strabs rückwirkend ab, 27.03.2019
  9. Berliner Morgenpost, Schröter: Abschaffung der Straßenbaubeiträge ist ein Irrweg, 27.03.2019
  10. Die Mittel werden unter die Gemeinden nach einem Schlüssel verteilt, der sich nach der jeweiligen Gesamtlänge der öffentlich gewidmeten Gemeindestraßen richtet. Erinnert sei daran, dass der Instandhaltungsbedarf nach der difu-Studie etwa das Zehnfache dieser Pauschale beträgt.
  11. Landtag Brandenburg: Drucksache 6/11572 vom 12.06.2019
  12. KOMMUNAL, Rechtsstreit um Straßenausbaubeiträge, 11.10.2019; Märkische Oderzeitung, Kommunen kritisieren Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, 11.10.2019
  13. Siehe Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE: Mittelverwendung bei Straßenbaubeiträgen, Landtags-Drucksache 7/2966 (pdf-Format, 12 Seiten)
  14. Zeit, Fehlende Straßenbaubeiträge: Kommunen erhielten 65 Millionen, 14.02.2021

Weblinks[Bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten]