Übernachtungsteuer
Die Übernachtungsteuer, oft auch als Hotelsteuer, Bettensteuer, Tourismusabgabe, Kulturförderabgabe, Beherbergungsteuer, Citytax o.ä. bezeichnet, ist eine örtliche Verbrauchs- und Aufwandsteuer und als solche verfassungsrechtlich zulässig.[1] Sie wird zumeist als Aufschlag auf den Netto-Übernachtungspreis zusammen mit diesem bezahlt; der Aufschlag liegt oft bei 5%, ist in einzelnen Gemeinden jedoch auch höher (z.B. 7,5% in Dortmund).
Erstmalig wurde in der Bundesrepublik eine solche kommunale Steuer im Jahr 2005 von der Stadt Weimar eingeführt; einzelne Gemeinden folgten in den darauffolgenden Jahren diesem Beispiel. Als ab 2010 die Umsatzsteuer auf Hotelübernachtungen auf Betreiben der FDP von 19% auf 7% abgesenkt wurde, sahen viele Gemeinden hier einen Spielraum für eine eigene Steuereinnahme; die Übernachtungsteuer wurde daraufhin in vielen Gemeinden beschlossen. Heute wird sie bundesweit in über 50 Gemeinden und Stadtstaaten erhoben.[2] Nach einer Schätzung des Städte- und Gemeindebundes brachte sie den Kommunen vor der Pandemie ca. 80-100 Mio. € jährlich ein, damit gehört sie zu den sog. Bagatellsteuern.[3]
Im Jahr 2012 urteilte das Bundesverwaltungsgericht, dass eine Übernachtungsteuer nur dann verfassungsgemäß sei, wenn die Übernachtung nicht "mit der Berufs- oder Gewerbeausübung oder auch einer freiberuflichen Tätigkeit zwangsläufig verbunden ist".[4] Daraufhin differenzierten die Gemeinden, die eine Bettensteuer erhoben, zwischen den Arten der Übernachtungen; Gäste, die einen Nachweis über die berufliche Veranlassung der Übernachtung vorlegen konnten, wurden von der Steuer befreit. Diese Differenzierung ist nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom März 2022 nicht mehr notwendig.
Beschluss des BVerfG im März 2022[Bearbeiten]
Das Bundesverfassungsgericht hatte mehrere Beschwerden von Hotelbetreiber*innen aus Hamburg, Bremen und Freiburg im Breisgau zu einem Verfahren zusammengefasst.[5] Die Hoteliers hatten zuvor Verfahren vor den zuständigen Gerichten ihres Bundeslandes verloren. 2015 hatte auch der Bundesfinanzhof entsprechende Klagen abgewiesen.[6] Vor dem Bundesverfassungsgericht argumentierten die Beschwerdeführerinnen damit, dass sie mehrere ihrer Grundrechte verletzt sahen: Berufsfreiheit, Eigentumsfreiheit, vermögensrechtliche Handlungsfreiheit, die informationelle Selbstbestimmung. Zudem verstoße die Steuer gegen das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a des Grundgesetzes; damit fehle den Ländern die entsprechende Gesetzgebungskompetenz.
Der entsprechende Satz in Art. 105 Abs. 2a GG lautet: "Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind.". Diese Bestimmung sei verletzt, so die Beschwerdeführer*innen, denn die Übernachtungsteuer schöpfe "aus der gleichen Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit; Steuergegenstand, Bemessungsgrundlage, Steuersatz und Erhebungstechnik seien gleichartig".
Das Bundesverfassungsgericht hat diese Sicht zurückgewiesen. Zunächst qualifiziert es die Übernachtungsteuer als Aufwandsteuer.[7] Finanzielle Mittel werden für ein persönliches Lebensbedürfnis verwendet, was anzeigt, dass eine entsprechende finanzielle Leistungsfähigkeit vorhanden ist. Wer (z.B. bei Dienstreisen) den Aufwand letztlich trägt, ist dabei unerheblich. Es spricht also rechtlich nichts dagegen, auch beruflich veranlasste Übernachtungen der Steuer zu unterwerfen; den Ländern oder Gemeinden steht es jedoch ebenso frei, hier zu differenzieren.[8] Die Eingriffe dieser Steuer in Grundrechte seien gerechtfertigt.
Die Steuer, so das Bundesverfassungsgericht, verstößt auch nicht gegen das Gleichartigkeitsverbot. Da dieses vom höchsten deutschen Gericht bislang nicht näher definiert worden ist, setzt sich der Beschluss ausführlich damit auseinander.[9] Dass die Übernachtungsteuer aus derselben Quelle schöpft wie die Umsatzsteuer, reicht danach nicht aus, sie als "gleichartig" zu qualifizieren. Denn das gilt für alle Aufwandsteuern; bei einer solchen Betrachtung gäbe es für diese kaum Spielraum, was nicht im Sinne des Gesetzgebers war. Bei den Übernachtungsteuern, so das Gericht, "handelt es sich weder um flächenartige Umsatzsteuern auf Landes- oder Kommunalebene noch ist der Aufwand einer entgeltlichen Übernachtung in einem Beherbergungsbetrieb bisher durch eine spezielle Steuer des Bundes belegt".[10] Ihr Steuergegenstand ist beschränkt, sie hat "Bagatellcharakter", sie kennt keinen Vorsteuerabzug und keine Kleinunternehmerregelung. Auch europarechtlich ist sie nicht als "gleichartig" anzusehen.[11] Es liegt auch kein Verstoß gegen die "Bundestreue" vor, weil die Übernachtungsteuer die vom Bund gewollte Senkung der Umsatzsteuer für Hotels konterkariert; die Länder haben von einem ihnen zustehenden Recht Gebrauch gemacht.
Damit haben die Kläger*innen im Ergebnis ihren Interessen mehr geschadet als genützt. Denn das Bundesverfassungsgericht hat nicht nur die Rechtmäßigkeit einer Übernachtungsteuer bejaht, es hat quasi nebenbei das Urteil des BVerwG von 2012 abgeräumt und eine Steuer auch auf beruflich veranlasste Übernachtungen für zulässig erklärt.
Reaktionen[Bearbeiten]
Der Deutsche Städtetag bezeichnet das Urteil als "gute Nachricht für die Kommunen". Die Übernachtungsteuer sei wichtig zur Finanzierung der Tourismusinfrastruktur. Der Spitzenverband rechnet damit, dass weitere Städte eine Bettensteuer einführen.[12] Für den Deutschen Städte- und Gemeindebund zeigt die Entscheidung "die Finanznot der Städte und Gemeinden auf".[13] Aus Sicht des Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) und des Hotelverbands Deutschland (IHA) ist der Beschluss nach den Umsatzeinbrüchen durch die Corona-Pandemie "ein weiterer herber Schlag für die Branche". Die Verbände appellieren an die Kommunen, „die Entscheidung nicht als Ermunterung zu verstehen, jetzt Bettensteuern einzuführen und die Hoteliers und Gäste mit neuen Belastungen zu konfrontieren“. In Zeiten hoher Inflation und explodierender Energiepreise sei das „absolut kontraproduktiv“.[14] Auch der Deutsche Tourismusverband sieht die Bettensteuer kritisch: „Ob die Bettensteuer das richtige Instrument ist, für eine nachhaltige, verlässliche und faire Finanzierung touristischer Aufgaben zu sorgen, muss bezweifelt werden.“[15]
Vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg ist ebenfalls ein Verfahren gegen die Übernachtungsteuer in Berlin anhängig, das mit Blick auf die erwartete Karlsruher Entscheidung geruht hatte. Sollten die Klägerinnen noch eine Entscheidung wollen, ist diese für den Herbst 2022 zu erwarten.[16]
Konstanz macht den Anfang[Bearbeiten]
Aufgrund des BVerfG-Urteils überlegt die Stadt Konstanz (Baden-Württemberg) die Einführung einer Bettensteuer. Wegen der rechtlichen Unsicherheit war dies bislang verworfen worden. Mit der Bettensteuer sollen u.a. Klimaschutzmaßnahmen finanziert werden. Die bisher im Rahmen des Klimaschutzkonzepts vorgesehene "Klima-Taxe" als Aufschlag auf die Kurtaxe wird zugunsten der Bettensteuer aufgegeben.[17] Auch Lübeck führt auf Initiative der Grünen die Bettensteuer wieder ein, der Ratsbeschluss soll Ende September 2022 gefasst werden.[18]
Konflikt um Münchens Steuerpläne[Bearbeiten]
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts war auch für die bayerische Landeshauptstadt München Anstoß, eine "Touristensteuer" einzuführen, nachdem ein solches Vorhaben zuvor im Jahre 2012 durch eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) gestoppt worden war. München versprach sich von der Steuer, die zum September 2023 kommen sollte, eine jährliche Einnahme zwischen 40 und 60 Mio. €.[19] Die bayerische Staatsregierung beschloss jedoch, diese Steuer zu untersagen. Sie machte rechtliche Bedenken geltend - kündigte aber zugleich an, das Kommunalabgabengesetz zu ändern, um eine Bettensteuer eindeutig auszuschließen. München will die Einführung der Steuer bei der Bezirksregierung Oberbayern beantragen und gegen die erwartete Ablehnung vor dem Verwaltungsgericht klagen. Sollte jedoch die Gesetzesänderung kommen, wäre eine solche Klage kaum erfolgreich, es bliebe dann nur noch ein Normenkontrollverfahren vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof mit ebenfalls geringen Erfolgsaussichten. Gegen das Verbot einer Bettensteuer hat sich auch der Bayerische Städtetag ausgesprochen; die Kommunen sollten eigenständig über eine solche Steuer entscheiden können. Dagegen bezeichnete der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga die vorgesehene Bettensteuer der Stadt München als "kontraproduktiv und schädlich" sowie als "Unfug".[20]
Auch in Mecklenburg-Vorpommern umstritten[Bearbeiten]
Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern erwägt ebenfalls ein Verbot der Bettensteuer. Derzeit (Dezember 2022) wird sie in Wismar und Schwerin erhoben, in Greifswald und Stralsund gibt es Planungen für eine solche Steuer. Der Wirtschaftsminister des Landes Reinhard Meyer argumentiert, die Steuer werde nicht für den Tourismus eingesetzt, sondern lande in den allgemeinen kommunalen Haushalten. Er plane stattdessen landesrechtliche Tourismusabgaben, die zweckgebunden verwendet werden sollten. Der Städte- und Gemeindetag verweist auf die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Steuer und hält die Pläne der Landesregierung für nicht rechtmäßig.[21]
Fußnoten[Bearbeiten]
- ↑ Siehe dazu die Ausführungen zum Bundesverfassungsgerichts-Beschluss vom 22.03.2022 weiter unten im Text.
- ↑ Eine Liste mit weiteren Details zu allen Städten findet sich hier: bettensteuer.de, Alle Bettensteuer-Städte im Überblick; teilweise lassen sich die betreffenden Steuersatzungen direkt abrufen.
- ↑ zitiert nach: Der Neue Kämmerer, Erheben nun mehr Kommunen die Bettensteuer?, 27.05.2022
- ↑ Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11.07.2012 - BVerwG 9 CN 1.11; siehe dazu auch die Pressemitteilung des BVerwG vom 11.07.2012
- ↑ Bundesverfassungsgericht: Beschluss vom 22. März 2022, Aktenzeichen: 1 BvR 2868/15, 1 BvR 2886/15, 1 BvR 2887/15, 1 BvR 354/16; siehe auch die Pressemitteilung des Gerichts vom 17.05.2022
- ↑ Bundesfinanzhof, Urteile vom 15. Juli 2015, II R 32/14 und II R 33/14
- ↑ Siehe Beschluss ab Rz. 79
- ↑ Siehe Beschluss, Rz. 83, 86, 87
- ↑ Siehe dazu ab Rz. 92
- ↑ Rz. 106
- ↑ siehe Rz. 111-113
- ↑ Deutscher Städtetag, "Übernachtungssteuern wichtig zur Finanzierung der Tourismusinfrastruktur", Pressemitteilung vom 17.05.2022
- ↑ Deutscher Städte- und Gemeindebund: Bettensteuer verfassungsgemäß, 17.05.2022
- ↑ FAZ, Böses Erwachen, 17.05.2022; SWR, DEHOGA RLP fordert Kommunen auf, auf Bettensteuer zu verzichten, 17.05.2022 (mit Audio, 39 s.)
- ↑ zitiert nach: Der Neue Kämmerer, Erheben nun mehr Kommunen die Bettensteuer?, 27.05.2022
- ↑ Süddeutsche Zeitung: Citytax-Urteil: Finanzgericht nimmt Verfahren wieder auf, 17.05.2022
- ↑ Stadt Konstanz: Einführung einer „Klima-Taxe“ - Bettensteuer als mögliche Alternative ab 2023, 15.06.2022; siehe auch #stadtvonmorgen: Bettensteuer für den Klimaschutz, 15.06.2022
- ↑ HL-live.de, Die Bettensteuer kommt zurück, 26.09.2022
- ↑ Merkur: München bittet Touristen mit neuer Steuer zur Kasse: „Angemessen, Gäste zu belasten“, 22.11.2022
- ↑ BR24: Münchens OB Reiter will Nein zur Bettensteuer nicht hinnehmen, 03.12.2022; Merkur: OB Reiter will gegen bayerische Staatsregierung klagen – wegen Verbot der Bettensteuer, 04.12.2022
- ↑ Welt, Kommunen und Landesregierung im Konflikt um Bettensteuer, 02.12.2022
Siehe auch[Bearbeiten]
- LTO: Die Bettensteuer ist verfassungskonform, 17.05.2022
- Haufe: Die kommunale Bettensteuer ist verfassungsgemäß, 18.05.2022
- Der Neue Kämmerer, Erheben nun mehr Kommunen die Bettensteuer?, 27.05.2022