Allen Kommunen sozial gerechten Klimaschutz ermöglichen

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Ein gemeinsames Forderungspapier von mehreren Umweltverbänden, Gewerkschaften und kirchlichen Einrichtungen unter dem Titel "Allen Kommunen sozial gerechten Klimaschutz ermöglichen" verlangt, für die Umsetzung notwendiger Maßnahmen im Klimaschutz eine neue Gemeinschaftsaufgabe[1] in Deutschland zu schaffen. Damit könnten Bund und Länder - abweichend von der allgemeinen Aufgabentrennung zwischen ihnen - die entsprechenden Aufgaben gemeinsam finanzieren. Erforderlich wäre dafür eine Grundgesetzänderung, die nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat möglich ist.

Grundlage: Rechtsgutachten[Bearbeiten]

Das Forderungspapier beruht auf einem Rechtsgutachten, dass die Anwältinnen Dr. Roda Verheyen und Katharina Hölzen von der Kanzlei Rechtsanwälte Günther im Oktober 2022 erstellt haben. Sie kommen darin zu dem Ergebnis, dass im derzeitigen Rechts- und Finanzrahmen die Umsetzung des kommunalen Klimaschutzes nicht gewährleistet werden kann.

Zwar sind Kommunen heute schon rechtlich verpflichtet, Klimaschutz zu betreiben. Dies folgt u.a. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das allen staatlichen Ebenen aufträgt, die Ziele des Pariser Klimaabkommens umzusetzen und dabei die Freiheitsrechte künftiger Generationen zu achten, indem Klimaschutzmaßnahmen nicht übermäßig in die Zukunft verschoben werden.[2] Das Bundes-Klimaschutzgesetz, das nach dem Beschluss des BVerfG geändert wurde, verpflichtet in § 13 die "Träger öffentlicher Aufgaben", zu denen selbstverständlich auch die Kommunen gehören, "bei ihren Planungen und Entscheidungen den Zweck dieses Gesetzes und die zu seiner Erfüllung festgelegten Ziele zu berücksichtigen". Diese Vorgaben sagen jedoch nicht konkret, welche Maßnahmen die Kommunen zu treffen haben. Für einzelne Bereiche haben die Länder verbindliche Vorgaben gemacht, beispielsweise Baden-Württemberg für die Wärmeplanung größerer Kommunen[3] oder Niedersachsen für die Erstellung von Energieberichten[4]. Es gibt zwar kein Gesetz, das Gemeinden die Aufgabe "Klimaschutz" explizit als Pflichtaufgabe überträgt. Doch leiten die Autorinnen aus den allgemeinen Rechtsvorschriften ab, dass für Kommunen eine bindende Aufgabenwahrnehmungspflicht für den Klimaschutz besteht. Beispielhaft erläutern sie dies an der Bauleitplanung, in deren Rahmen aufgrund entsprechender Vorschriften vielfältige Klimaschutzbelange zu berücksichtigen sind. Weitere Beispiele sind die (in den Ländern unterschiedlich geregelte) kommunale Wärmeplanung sowie das Klimaschutzmanagement, das noch keine pflichtige Aufgabe der Kommunen ist, aber durch Landesgesetzgebung jederzeit dazu gemacht werden könnte. Jedenfalls dürfen Kommunen in Sachen Klimaschutz nicht untätig bleiben: "Gemeinden können sich nicht rechtmäßig dazu entscheiden, gar keine Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen bzw. Klimaschutzaspekte bei ihrer Tätigkeit außer Acht zu lassen." (Gutachten, S. 48, siehe unter Weblinks).

Woran es jedoch häufig hapert, ist die Finanzierung. Faktisch hängt es stark von der Finanzsituation der Kommunen ab, ob und wieweit sie Klimaschutz betreiben. Nur wenn die Länder eine Aufgabe wie z.B. das Klimaschutzmanagement als Pflichtaufgabe an die Kommunen übertragen, löst dies aufgrund des Konnexitätsprinzips eine Finanzierungspflicht durch das Land aus. Wenn Fachgesetze wie das Baugesetzbuch bereits bestehende Aufgaben (z.B. die Bauleitplanung) mit Klimaschutzkriterien anreichern, wird dies bisher nicht finanziell unterlegt.

Nach Diskussion verschiedener anderer Optionen (ab S. 50) kommt das Gutachten zu dem Schluss, dass eine Grundgesetzänderung - Einführung eines Art. 104 e GG oder Ergänzung des 91 a GG - der Aufgabe am ehesten gerecht würde. Der Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Damit liegt eine gemeinsame Finanzierung durch Bund und Länder nahe. Dies könnte dadurch gewährleistet werden, dass entweder der Bund analog zum "Schulkompromiss" (Art. 104c GG) Finanzhilfen für Klimaschutzmaßnahmen an die Länder gibt oder eine neue, dritte Gemeinschaftsaufgabe geschaffen wird. Für beide Varianten enthält das Gutachten konkrete Formulierungsvorschläge (S. 53).

Cover des Forderungspapiers

Das Forderungspapier[Bearbeiten]

Das gemeinsame Forderungspapier von Umweltverbänden, Gewerkschaften und kirchlichen Organisationen greift diese Argumentation auf, wobei sich die Unterzeichnenden für den Vorschlag einer neuen Gemeinschaftsaufgabe entschieden haben. Im Einzelnen wird gefordert:

  1. Eine neue Gemeinschaftsaufgabe im Art. 91a Abs. 1 GG für Klimaschutz- sowie für Klimaanpassungsmaßnahmen einzurichten;
  2. Die Finanzierung von kommunalen Klimaschutz- und -anpassungsmaßnahmen langfristig zu sichern;
  3. Die Voraussetzung für zusätzliches Personal in den Verwaltungen und dessen Qualifizierung zu schaffen;
  4. Die kommunale Daseinsvorsorge in ihrer Gesamtheit sozial gerecht auszugestalten und ausreichend zu finanzieren;
  5. Die Altschuldenfrage der Kommunen zu lösen;
  6. Allen Kommunen bzw. regionalen Zusammenschlüssen von kleineren Kommunen ein umfassendes Klimaschutzmanagement als Pflichtaufgabe zu übertragen.

Zur Begründung verweist das Papier u.a. auf den hohen Investitionsstau in deutschen Kommunen. Im bestehenden System der Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden seien sichere und verlässliche Finanzierungswege für Klimaschutz und -anpassung bisher keinesfalls sichergestellt. Ein systemisch organisiertes Klimaschutzmanagement sei ein zentrales Instrument, um Klimaneutralität von Kommunen herzustellen, und sollte deshalb verpflichtend werden. Das Papier bezieht sich hierbei auch auf das Positionspapier der im Klima-Bündnis zusammengeschlossenen Kommunen "Klimaschutz und Klimaanpassung als kommunale Pflichtaufgabe(n) verankern" vom September 2022.[5] Auch hier ist das Hauptargument, dass nur so eine umfassende Finanzierungsverantwortung der Länder entstehen würden, die den Kommunen erst die vollständige Wahrnehmung dieser existenziellen Aufgabe ermöglichen würde. Mit der Schaffung einer neuen Gemeinschaftsaufgabe würde die Finanzierung von Bund und Ländern gemeinsam gestemmt werden.

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Gemeinschaftsaufgaben sind nach dem Grundgesetz Aufgaben der Länder, bei deren Finanzierung sich der Bund (mindestens) zu Hälfte beteiligt. Siehe Grundgesetz, Art. 91a-91d.
  2. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24. März 2021 - 1 BvR 2656/18, 1 BvR 288/20, 1 BvR 96/20, 1 BvR 78/20; siehe auch die ausführliche Pressemitteilung des BVerfG Nr. 31/2021 vom 29. April 2021. Zur juristischen Bewertung und zu weiteren Reaktionen siehe LTO, Es geht um die Zukunft, 29.04.2021, sowie die Beiträge im Verfassungsblog in der Kategorie "Der Klimabeschluss des BVerfG"
  3. Umweltministerium Baden-Württemberg: Kommunale Wärmeplanung
  4. Niedersächsisches Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes und zur Minderung der Folgen des Klimawandels (Niedersächsisches Klimagesetz - NKlimaG), § 17
  5. Klima-Bündnis, Positionspapier "Klimaschutz und Klimaanpassung als kommunale Pflichtaufgabe(n) verankern", September 2022, pdf-Format, Kurzfassung (3 Seiten) und Langfassung (9 Seiten)

Weblinks[Bearbeiten]

  • Das Forderungspapier von Klima Allianz Deutschland, Deutsche Umwelthilfe, WWF, Germanwatch, DGB, ver.di, IG BAU, Misereor, Institut für Kirche und Gesellschaft sowie Klima Bündnis Deutschland: Allen Kommunen sozial gerechten Klimaschutz ermöglichen. Bewältigung der Klimakrise muss Gemeinschaftsaufgabe werden (Januar 2023, pdf-Format, 6 Seiten, 342 kB)
  • Das Rechtsgutachten: R. Verheyen, K. Hölzen: Kommunaler Klimaschutz im Spannungsfeld zwischen Aufgabe und Finanzierung am Beispiel der kommunalen Wärmeplanung und des kommunalen Klimaschutzmanagements, Oktober 2022 (pdf-Format, 64 Seiten, 1 MB)

Siehe auch[Bearbeiten]