Brennstoffzellen-Züge
Der versuchsweise Einsatz zweier emissionsfreier Züge auf einer Regionalstrecke in Niedersachsen ist nach ersten Auswertungen erfolgreich verlaufen. Zwei Brennstoffzellen-Züge verkehrten seit September 2018 auf der Strecke Cuxhaven-Buxtehude. Sie ersetzten dort Dieselfahrzeuge, da die Strecke nicht elektrifiziert ist. Nach Angaben des Herstellers Alstom und des Betreibers, der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG), beeindrucken die Züge neben der Schadstoff-Freiheit vor allem durch ihren leisen Lauf. Es handelt sich um den weltweit ersten Einsatz von Wasserstoff als Treibstoff für Schienenfahrzeuge im Linienverkehr. Der Betrieb soll jedoch ab 2029 wieder auslaufen. Unterdessen beginnt in Bayern Ende 2024 ein Testbetrieb mit einem wasserstoffbetriebenen Zug, während Baden-Württemberg wegen der leichter zu schaffenden Infrastruktur auf Batterie-Hybrid-Züge setzt.
Details zum niedersächsischen Projekt[Bearbeiten]
Die Züge in Niedersachsen werden mit Wasserstoff betankt. Die erste und bislang einzige Wasserstoff-Tankstelle für Züge steht in Bremervörde. Eine Tankfüllung reicht für eine Strecke von rund 1.000 km; daher muss jeder Zug nur einmal täglich betankt werden. Eine Brennstoffzelle wandelt den Wasserstoff zusammen mit Luftsauerstoff in Strom um; als "Abgas" entsteht dabei lediglich Wasserdampf. Die in Lithium-Ionen-Akkus zwischengespeicherte elektrische Energie treibt Elektromotoren an.
Nach den Erfahrungen von drei Monaten Betrieb funktionieren die Züge ebenso gut wie dieselgetriebene Fahrzeuge, fahren jedoch wesentlich leiser. Sie erreichen eine Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h. Das Land Niedersachsen hat die Anschaffung mit gut 80 Mio. € gefördert. 12 weitere Züge kamen im August 2022 hinzu. Auch weitere Bundesländer untersuchen diese Technik. Anfragen erreichen den Hersteller nach eigenen Angaben inzwischen aus aller Welt.
Unterbrechung 2024 wegen Treibstoffmangels[Bearbeiten]
Anfang September 2024 führte jedoch ein Lieferengpass beim Wasserstoff zur teilweisen Unterbrechung des Betriebes. Es fuhren nur noch verkürzte Züge, teilweise wurden sie durch dieselgetriebene Fahrzeuge ersetzt, einige Fahrten fielen ganz aus. Der Aufbau einer eigenen Produktion von grünem Wasserstoff war bis dahin nicht gelungen, die Züge nutzten Wasserstoff, der im Stader Chemiewerk des Dow-Konzerns als Abfallprodukt anfiel.[1]
Keine Fortsetzung des Betriebs[Bearbeiten]
Die bis 2022 angeschafften Brennstoffzellen-Fahrzeuge sollen ab 2029 schrittweise durch batteriebetriebene Fahrzeuge ersetzt werden. Eine intensive Prüfung ergab, dass dies auf Dauer wirtschaftlicher ist - obwohl die Batteriefahrzeuge spätestens alle 120 km aufgeladen werden müssen.[2] In elektrifizierten Teilabschnitten und in Bahnhöfen können sie über die Oberleitung betrieben und parallel wieder aufgeladen werden.[3] Daher sind die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur bei dieser Variante erheblich geringer, da meist vorhandenen Oberleitungen genutzt oder ggf. verlängert werden können - ein großer Vorteil gegenüber dem Neuaufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur. Auch Baden-Württemberg setzt daher bei der Umstellung auf einen klimaneutralen Schienenbetrieb auch auf nicht elektrifizierten Strecken auf diese als "Batterie-Hybrid-Züge" bezeichnete Technik.[4]
Weblinks aus den Anfängen des niedersächsischen Projekts[Bearbeiten]
- Wirtschaftsministerium Niedersachsen, Alstom, LNVG, Linde Group: Brennstoffzellen-Züge ersetzen Dieselzüge, Pressemitteilung, 09.11.2017
- heise: Brennstoffzellen-Zug beendet erste Testfahrt in Niedersachsen, 24.03.2018
- heise: Wasserstoff statt Diesel: Neuartige Züge bewähren sich im Betrieb, 31.12.2018
- heise: Technik-Mythos: Wasserstoff revolutioniert die Energieversorgung, 01.03.2018
RMV/Alstom: "offenkundig grundlegend unzuverlässig"[Bearbeiten]
Zu einer größeren Krise wuchs sich im Frühjahr und Sommer 2024 der Einsatz von zuletzt 27 Brennstoffzellen-Zügen auf mehreren Strecken des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) aus. Bei den teilweise seit Jahren eingesetzten, von Alstom hergestellten Brennstoffzellen-Zügen des Typs Coradia iLint zeigten technische Ausfälle und standen überwiegend im Depot, was einen Notfahrplan erforderlich machte. Der Landrat des Hochtaunuskreises, Ulrich Krebs (CDU), zugleich Aufsichtsratsvorsitzender des RMV, erklärte die Belastungen der Reisenden und des Personals als "nicht mehr länger hinnehmbar" und brachte eine Aufkündigung der Verträge mit Alstom und damit zugleich eine Aufgabe des Wasserstoff-Antriebs ins Gespräch. Die Antriebstechnik sei „offenkundig grundlegend unzuverlässig“. Der Hersteller, der mit der Wartung der Fahrzeuge im Rückstand ist, erklärt dies mit Materialengpässen bei den Ersatzteilen sowie „eingeschränkter Funktionalität einzelner Brennstoffzellen“.[5]
Testbetrieb in Bayern geplant[Bearbeiten]
Dagegen soll in Bayern Ende 2024 der Testbetrieb mit einem „Mireo Plus H“ der Firma Siemens beginnen. Er war ursprünglich für 2023 geplant, doch da hatte der neu entwickelte Zug noch nicht die erforderliche EU-Zulassung. Erst im Spätsommer 2024 waren die Strecken für den Testbetrieb festgelegt (Augsburg - Füssen und Augsburg - Peißenberg), im September wurde mir der Ausbildung des Personals begonnen.[6]
Fußnoten[Bearbeiten]
- ↑ Spiegel, Wasserstoffzügen fehlt Wasserstoff, 10.09.2024; focus: Warum Deutschlands erste Wasserstoff-Bahn zum Teil wieder auf Diesel umsteigt, 11.09.2024
- ↑ Heise, Warum keine zusätzlichen Wasserstoffzüge fahren, 17.08.2023; efahrer.com: Wasserstoff-Züge rollen durch Norddeutschland: Warum sie keine Zukunft haben, 21.02.2024
- ↑ Cleanthinking: Coradia Continental BEMU verkehr künftig zwischen Leipzig und Chemnitz, 10.02.2020
- ↑ Verkehrsministerium Baden-Württemberg: Klimaneutral auch ohne Oberleitung, 17.10.2022
- ↑ RMV, RMV-Wasserstoffzugflotte ist komplett, 06.12.2023; fnp: Neue technische Probleme bremsen Wasserstoffzüge aus, 18.09.2024; hessenschau: Wachsender Frust über störanfällige Wasserstoffzüge im Taunus, 19.09.2024 (mit Links auf ältere Meldungen); Frankfurter Rundschau: Ungebremst gegen die Wand, 24.09.2024
- ↑ Merkur: Wasserstoffzug soll ab Dezember in Bayern unterwegs sein - noch fehlt Zulassung, 28.08.2024; BR24: Bayerns erster Wasserstoffzug ist in Augsburg angekommen, 11.09.2024