EY Kommunenstudie 2020/2021

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Die EY-Kommunenstudie 2020/2021 erschien im Januar 2021 und beschäftigt sich im Kern mit den Auswirkungen der Corona-Krise auf die kommunalen Finanzen. Sie beruht auf einer repräsentativen Befragung von leitenden Mitarbeiter*innen der Finanzverwaltung (häufig Kämmer*innen) aus 300 deutschen Kommunen, wobei jedoch Gemeinden unter 20.000 Einw. ausgeklammert sind. Neben der Analyse der Situation zum Zeitpunkt der Telefoninterviews (November 2020) fragt sie vor allem nach den Erwartungen für die Zukunft. Im letzten Teil der Studie werden Ist-Zahlen für die Vergangenheit visualisiert, darauf wird im vorliegenden Artikel nicht eingegangen.

Vom Überschuss zum Defizit[Bearbeiten]

Insgesamt erwarten die Befragten für 2020 einen Rückgang der Einnahmen um 4,3% bei kaum steigenden Ausgaben (+0,2%), für 2021 einen weiteren Rückgang der Einnahmen um 1,2% bei einem Ausgabenwachstum um 2,1%. Im Ergebnis bedeutet das: Im Durchschnitt der befragten Kommunen wird sich das jährliche Haushaltsergebnis im Vergleich 2019-2021 um ca. 8% des Haushaltsvolumens verschlechtern. Wo es zuletzt Haushaltsüberschüsse gab, werden diese stark schrumpfen oder ins Minus drehen, Defizite werden steigen. Eine große Rolle bei den sinkenden Einnahmen spielt die Gewerbesteuer; sie ging bei den Befragten 2020 im Schnitt um 15% zurück. Für 2021 erwartet fast die Hälfte keine Erholung, sondern weiterhin Gewerbesteuereinnahmen unter dem Niveau von 2019.

Dazu passt, dass für 2020 fast die Hälfte der Städte (47%) mit einem Haushaltsdefizit rechnet (2019 waren es nur 13% der Befragten) und nur noch 6% mit einem Haushaltsüberschuss (2019: 54%). Dies zieht sich durch alle Bundesländer, jedoch auf höchst unterschiedlichem Niveau. Beispielsweise schlossen in Baden-Württemberg und Bayern über 70% der befragten Städte das Jahr 2019 mit einem Überschuss ab, 2020 rechneten nur noch 13 bzw. 14% damit; umgekehrt lag in diesen Ländern der Anteil der Kommunen mit Defizit vor dem Pandemie-Jahr bei 3 bzw. 11%, im Jahr 2020 bei 17 bzw. 27%. Am anderen Ende der Skala stehen die Kommunen in Rheinland-Pfalz, von denen 2019 22% ein Defizit hatten, 2020 jedoch 78%.

Konsequenterweise rechnet ebenfalls die Hälfte der befragten Kommunen in den kommenden drei Jahren (2021-2023) mit einem Anstieg ihrer Verschuldung. Nach Bundesländern stellt sich auch das sehr differenziert dar: Während in Bayern 38% der Befragten mit steigenden Schulden rechnen, sind es in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein 78%. Rund 20% der Kommunen rechnet nicht damit, ihre Schulden aus eigener Kraft tilgen zu können.

Haushalte und Investitionen 2020 stabilisiert[Bearbeiten]

Im Jahr 2020 wurden die Kommunalhaushalte durch die Hilfsprogramme von Bund und Ländern stark gestützt, der Einnahmerückgang wäre ohne sie deutlich höher ausgefallen. Im Durchschnitt beziffern die Kommunen deren Anteil an den Einnahmen 2020 auf ca. 10%. Doch auch dies unterscheidet sich sehr: Bei der Mehrzahl der Kommunen (65%) lag dieser Anteil bei oder unter dieser Marke, beim restlichen Drittel jedoch teils deutlich darüber; 5% der Kommunen gaben an, dass die Hilfsprogramme 30% ihrer Einnahmen oder mehr ausmachten. Das dürfte im Wesentlichen die unterschiedliche Bedeutung der Gewerbesteuer an den kommunalen Einnahmen widerspiegeln.

Die Bundes- und Landeshilfen haben offensichtlich bewirkt, dass die Gesamtinvestitionen der Kommunen 2020 nicht eingebrochen sind, sie blieben im Durchschnitt auf dem Stand von 2019. Ein knappes Viertel der Befragten hat jedoch Investitionen reduziert. Gestiegen sind Investitionen vor allem in den Bereichen Schulen und digitale Infrastruktur, gefolgt vom Verkehrsbereich (Straßen und ÖPNV).

Handlungsoptionen[Bearbeiten]

Wie reagieren Kommunen nun auf diese Situation? Es scheint, dass viele noch abwarten, denn zum Zeitpunkt der Befragung war nicht klar, ob und in welchem Maße Hilfsprogramme im Jahr 2021 fortgesetzt werden. Zumindest für das Jahr 2020 gaben kaum mehr Kommunen als in früheren Jahren an, Leistungen einschränken zu wollen (23%); auch der Anteil derer, die Steuer- oder Gebührenerhöhungen planten, blieb auf dem Niveau der Vorjahre (64%). Am häufigsten wurde 2020/2021 in hessischen Kommunen über Leistungsreduzierungen nachgedacht, gefolgt von Brandenburg und NRW; Gebühren- und Steuererhöhungen waren in sächsischen Kommunen am häufigsten ein Thema, aber auch sehr oft in Hessen und NRW. Bei den Leistungseinschränkungen führen die Hallen- und Freibäder die Streichlisten an (in 17% der Kommunen geplant oder umgesetzt), auch an der Straßenbeleuchtung soll gespart werden (14%), etwas seltener bei Angeboten für Jugendliche und Senioren sowie bei Bibliotheken und kulturellen Einrichtungen (jeweils 8%). Gebührenerhöhungen betreffen am häufigsten Müllabfuhr und Straßenreinigung (jeweils 33% der Kommunen), außerdem Wasserversorgung und Parkgebühren (32 bzw. 29%). An die Erhöhung der Grundsteuer denken immerhin noch 21% der Kommunen.

Fazit[Bearbeiten]

Die Kommunenstudie verzichtet weitgehend auf eine Interpretation oder politische Forderungen, doch die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Ohne die Bundes- und Landeshilfen wären die kommunalen Einnahmen 2020 bundesweit um rund 14% zurückgegangen, die Hilfsprogramme fingen den überwiegenden Teil auf, so dass ein Minus von 4% bei den Kommunen verbleibt. Die Erwartungen für das neue Jahr sind natürlich sehr ungewiss, konnte doch im November 2020 noch niemand den weiteren Verlauf der Pandemie kennen; doch gingen die Befragten von einer weiteren Verschlechterung des Haushaltsergebnisses um 3,3% aus. Dabei ist die Stabilisierung des kommunalen Finanzausgleichs durch die Länder auf dem Stand von 2019 schon eingerechnet (und wahrscheinlich waren die Annahmen über den Winter-Lockdown zu optimistisch).

Im Rückblick erscheinen die Jahre 2015-2019 wie ein goldenes Zeitalter der Gemeindefinanzen, auch wenn dies an einem Teil der Kommunen (jenen mit hohen Soziallasten und hohen Altschulden) vorbeiging. Immerhin konnten in dieser Zeit die kommunalen Gesamtschulden von 144 Mrd. € auf 132 Mrd. € reduziert werden, der Anteil der Gemeinden mit einem laufenden Haushaltsdefizit sank von 44% auf 13%. Die Pandemie hat dies abrupt beendet und läutet eine neue kommunale Finanzkrise ein. Natürlich sorgen die großen Unterschiede unter den Kommunen dafür, dass dies wiederum nur einen Teil der Kommunen stark betrifft, doch immerhin rechnet die Hälfte der Befragten mit steigenden Schulden - und 20% glaubt, diese nicht aus eigener Kraft tilgen zu können. Bundes- und Landeshilfen wie 2020 wird es in Zukunft kaum noch geben, denn beide Ebenen - nicht zu vergessen: auch die EU - haben sich enorm und auf lange Zeit verschuldet und können dies nicht in gleichem Maße fortsetzen. So ist damit zu rechnen, dass die Kommunen ihren Anteil an den Pandemiekosten tragen müssen, wenn auch zeitverzögert. In kommenden Umfragen dürften deutlich mehr Kommunen über Steuer- und Gebührenerhöhungen sowie über Leistungseinschränkungen berichten, was nicht ohne politische und soziale Konflikte vor Ort vonstatten gehen wird.

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Siehe auch[Bearbeiten]