Feministische Planung
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Der Artikel ist inhaltlich auf dem Stand von 2002
Was will feministische Planung?[Bearbeiten]
Feministische Planung will die spezifische Lebenssituation von Frauen in der Planung berücksichtigen[1]. Das bedeutet:
- die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Reproduktionsarbeit durch entsprechende Planung zu erleichtern,
- den unterschiedlichen Lebensentwürfen von Frauen planerisch gerecht zu werden und
- die bestehenden Geschlechterkategorien und damit verbundenen Zuschreibungen/Zuweisungen zu hinterfragen.
Was sind die Grundsätze feministischer Planung?[2][Bearbeiten]
- Ausgangspunkt von Planung soll der Lebensalltag der von Planung Betroffenen sein. Aufgrund der geschlechterspezifischen Rollenzuweisungen und Arbeitsteilungen unterscheidet sich der Lebensalltag von Frauen von denen der Männer und damit in deren Anforderungen an den Raum.
- Das patriarchale Geschlechterverhältnis manifestiert sich auch in der Begrenzung von Frauen in ihrer Raumaneignung. Feministische Planung will diese Beschränkung aufzeigen und aufheben, zumindest abbauen.
- Um die Hierarchie der Geschlechter abzubauen, muß die Eigenständigkeit von Frauen gestärkt und der gleichberechtigte Zugang zu allen gesellschaftlichen Ressourcen ermöglicht werden.
- Ausgrenzung, Benachteiligung und Unterdrückung basiert nicht nur auf der Hierarchie der Geschlechter, Vorwand dafür sind auch Klasse/Schicht, Ethnie, Religion, kulturelle und sexuelle Identität und körperlicher/gesundheitlicher Zustand. Feministische Planung ist dementsprechend auch auf den Abbau der Hierarchien zwischen Frauen gerichtet, ohne die Unterschiede zwischen Frauen einebnen zu wollen.
- Feministische Planung ist nicht "weibliche Planung". Ihre Utopie ist vielmehr ein verändertes Geschlechterverhältnis, das auf Rollenzuschreibungen verzichtet.
Was sind Handlungsfelder feministischer Planung?[Bearbeiten]
Die Stadt als Angstraum[Bearbeiten]
... schlägt sich auf vielfältige Weise nieder: "Funktionstrennung autogerechte Städte, menschenleere Innenstädte in den Abendstunden, der Verlust von sozialer Kontrolle durch Abbau vielfältiger Nutzungs- und Aufenthaltsmöglichkeiten u.v.a.m. haben dazu beigetragen, dass die Stadt mehr und mehr zu einem Angstraum für Frauen wurde."[3] Dementsprechend breit gefächert sind die Gegenstrategien, im Verkehrsbereich zählen dazu etwa Frauennachttaxen oder die sichere Gestaltung von Haltestellen. Ansatzpunkte gibt es natürlich auch in der Bauleitplanung (s.u.).
Materialempfehlung zum Thema[Bearbeiten]
- Krause, Juliane: Bahnhöfe als öffentliche Räume – Anforderungen aus Frauensicht, in: Planerin 4/97. Der fünfseitige Beitrag ist Einführung und Checkliste zugleich.
Regionalplanung[Bearbeiten]
Der FrauenRatschlag Region Stuttgart e. V. hat z. B. folgende Leitlinien einer frauengerechten Regionalplanung aufgestellt:
- "Wohnungsnahe / mit ÖPNV erreichbare Arbeits- und Ausbildungsplätze in allen Teilregionen.
- Leistungsfähigkeit der Zentralen Orte durch Ausbau der frauengerechten und familienentlastenden Infrastruktur in zentralen Lagen mit guter Erreichbarkeit.
- Ausreichendes Angebot unterschiedlicher Wohnungsgrößen und -mieten.
- Verkehrsinfrastruktur, die insbesondere Belange der nicht-motorisierten Bevölkerungsgruppen berücksichtigt.
- Freiräume für die Naherholung und Erhalt der Leistungsfähigkeit der Naturhaushalte im Sinne einer nachhaltigen und eigenständigen Regionalentwicklung.
- Aufbau einer geschlechtsdifferenzierten Datenbasis.
- Initiierung von Leitbilddiskussionen."
Materialempfehlung zum Thema[Bearbeiten]
- Striefler, Katja: Handreichungen für frauenbezogene Stellungnahmen zum Regionalen Raumordnungsprogramm Großraum Hannover 1996 in den Kommunen, unter Mitarbeit von Uta Bornscheuer, Eva Ehrenberg und Kerstin Murken, Typoskript, Hannover 1996. Dieser Fragenkatalog (online leider nicht mehr erhältlich) wurde im Rahmen der Aufstellung eines Regionalen Raumordnungsprogrammes erarbeitet, eignet sich aber auch als Leitfaden für die Bewertung städtebaulicher Rahmenplanungen, konkreter Bauleitplanung, Objektplanungen und anderer Planungen.
- Frauengerechte Regionalplanung, Gutachten zurBerücksichtigung von Frauenbelangen in der Regionalplanung am Beispiel der Region Stuttgart, 1997 (pdf-Format, 9 Seiten)
Bauleitplanung[Bearbeiten]
Folgende Maßstäbe sollten z. B. an Bebauungspläne angelegt werden:
- "Funktionsmischungen durch kleinteilige Zuordnungen unterschiedlicher Baugebietstypen oder Ausweisung von Mischgebieten;
- Kleinteilige Mischungen durch horizontale und vertikale Gliederungen;
- Festsetzungen eines Maßes der baulichen Nutzung, das die Existenz von Versorgungs- und Dienstleistungsunternehmen sichert,
- Vorhaltung vielfältig nutzbarer wohnungsnaher Freiflächen und Flächensicherung für Gemeindebedarfsflächen;
- Eindeutige Raumgliederungen durch Festsetzungen von Baulinien und gezielte Zuordnung privater, halböffentlicher und öffentlicher Räume;
- kurze sichere Wege zum ÖPNV und die Anlage notwendiger Geh- und Radwege in belebten und sicheren Bereichen;
- großzügige Dimensionierung von Gehwegen zur Stärkung ihrer Aufenthaltsfunktionen und Schaffung von Plätzen zur Kommunikation; (...)"[4]
Materialempfehlung zum Thema[Bearbeiten]
- Frauenbelange in der verbindlichen Bauleitplanung, in der Bereichsentwicklungsplanung, in städtebaulichen Verträgen: Praxisleitfaden, Hrsg. vom Frauenbeirat Stadtplanung im Bezirk Mitte von Berlin, 2002, pdf-Format, 21 S. Namhafte Fachfrauen haben in dieser Broschüre zusammengeschrieben, wie die drei Planungsziele Kleinteiligkeit/Erreichbarkeit, Nutzungsqualität/-vielfalt und Sicherheit sich in der Bauleitplanung niederschlagen. Sehr übersichtlich führen sie Ziel, Begründung und Umsetzung aus, plus tabellarischer Zusammenfassung und Literaturhinweise.
Verkehrspolitik[Bearbeiten]
Verkehrspolitik aus Frauensicht hat folgende Punkte zu berücksichtigen:
"Frauen müssen im Rahmen ihrer Haus-, Erziehungs- und Erwerbsarbeit vielfältigste Wege zurücklegen, die optimal miteinander kombiniert werden müssen. Aufgaben wie Einkaufen, Kinderbetreuung, Behördengänge, Erwerbsarbeit, Pflege von Angehörigen u.a. werden in sogenannten Wegeketten erledigt. Frauen sind häufig auf Verkehrsmittel des Umweltverbundes angewiesen. Sie sind häufiger zu verkehrsschwachen Zeiten und in verkehrsschwachen Räumen unterwegs, benötigen mehr Querverbindungen und sind nicht so stark auf das Zentrum orientiert. Außerdem wird die Prioritätenliste angstbesetzter Räume angeführt von denen der Verkehrsinfrastruktur."[5]
Literaturempfehlung zum Thema[Bearbeiten]
- Krause, Juliane: Frauenbelange in der Verkehrsplanung, in: Demmel, Friederike / Klingberg, Tina / Siemer, Dorothee (Hg.): Geschlechterverhältnis und räumliche Planung, Kirchlinteln 1998
Siehe zum Thema auch:[Bearbeiten]
- Warum eigentlich Verkehrspolitik aus Frauensicht? Dieser Kommentar beleuchtet am Beispiel der Verkehrspolitik den gesellschaftlichen Hintergrund von Frauenpolitik.
Beteiligung von Frauen an Planungs- und Bauprozessen, Vernetzung[Bearbeiten]
Bekanntester Zusammenschluß von Frauen ist nach wie vor FOPA, die Feministische Organisation von Planerinnen und Architektinnen. Neben lokalen Bündnissen von in unterschiedlichen Politikfeldern aktiven Frauen gibt es inzwischen auch regionale Zusammenschlüsse von Frauen, wie etwa FIRST, "FrauenInteressen in der Regional- und Strukturentwicklung" im Großraum Hannover, oder den FrauenRatschlag Region Stuttgart e. V.
Fußnoten[Bearbeiten]
- ↑ Zur Definition vgl. Feministische Organisation von Planerinnen und Architektinnen Dortmund (FOPA), Unsere Ziele
- ↑ In Anlehnung an Becker, Ruth: Frauenforschung in der Raumplanung - Versuch einer Standortbestimmung. In: Becker, Ruth / Bauhardt, Christine (Hg.) 1997: Durch Die Wand! Feministische Konzepte zur Raumentwicklung, Pfaffenweiler 1997 (vergriffen)
- ↑ aus: Zauke Gabriele, Feministische Planung, S. 180, in: Klemisch H. u. a.: Handbuch für alternative Kommunalpolitik, Bielefeld 1994, S. 179-186
- ↑ aus: Zauke, Gabriele: Feministische Planung, S. 183
- ↑ aus: Zauke, Gabriele: Feministische Planung, S. 182
Literaturempfehlungen[Bearbeiten]
- Zauke Gabriele:Feministische Planung, in Klemisch H. u.a.: Handbuch für alternative Kommunalpolitik, Bielefeld 1994, S. 179-186
- Demmel, Friederike/Klingberg, Tina/Siemer, Dorothee (Hg.): Geschlechterverhältnis und räumliche Planung, Kirchlinteln 1998