Fremdwährungskredite

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Neben dem herkömmlichen Kommunalkredit bei einheimischen Banken nutzen Kommunen zunehmend auch andere Instrumente, um ihre Finanzierung zu sichern. Hierzu gehören gelegentlich auch Fremdwährungskredite, also Kredite in anderen Währungen als dem Euro.

Grund für die Aufnahme eines Fremdwährungskredits ist im allgemeinen, dass geringere Zinsen als im Euroraum zu zahlen sind. Damit die Rechnung aufgeht, muss jedoch die Fremdwährung gegenüber dem Euro stabil bleiben oder abwerten. Damit kann ein Fremdwährungskredit auch Risiken enthalten.

Da derzeit die Zinsen im Euroraum historisch niedrig liegen, gibt es kaum Gründe, die für Fremdwährungskredite sprechen. In der Vergangenheit war dies jedoch anders. Die Summe der kommunalen Fremdwährungskredite ist deutschlandweit nicht bekannt, allein für NRW wird sie jedoch mit ca. 1,9 Mrd. € beziffert (Stand Januar 2015)[1].

Aktuell: Kredite in Schweizer Franken[Bearbeiten]

Um die Jahrtausendwende waren Kredite in Schweizer Franken zeitweilig zinsgünstiger als solche in Euro, und so griffen einige Städte zu und verschuldeten sich in der Schweiz. Nachdem die Schweizer Notenbank am 15.01.2015 entschied, die feste Bindung des Schweizer Franken an den Euro aufzugeben, schoss der Wert des Franken in die Höhe. Damit erhöhte sich automatisch der (in Euro ausgedrückte) Wert der kommunalen Franken-Kredite und somit auch die bilanzierten Tilgungsverpflichtungen. Kassenwirksam wird das allerdings nur dann, wenn bis zum tatsächlichen Zeitpunkt der Tilgung der Kurs des Franken so hoch bleibt.

Der Bund der Steuerzahler NRW bezeichnet daher die Aufnahme von Fremdwährungskrediten als "Zockerei".[2] Betroffene Gemeinden verwahren sich dagegen. So argumentiert die Stadt Gladbeck, die Aufnahme von Krediten in der Schweiz seit 2003 sei aus damaliger Sicht "wirtschaftlich vernünftig und verantwortungsvoll im Sinne der Stadt" gewesen.[3] Sie hätten der Stadt insgesamt Zinsvorteile von mindestens 4 Mio. € gebracht. Die negative Kursentwicklung habe niemand voraussehen können. "Wir planen nicht, die Kredite abzulösen und setzen natürlich darauf, dass sich der Kurs zu unseren Gunsten wieder stabilisiert".

Wie hoch deutsche Kommunen in der Schweiz verschuldet sind, ist derzeit (Februar 2015) nicht bekannt. Die Bundesbank beziffert jedoch die Gesamtverschuldung öffentlicher Haushalte in Schweizer Franken zum Zeitpunkt November 2014 mit 1,779 Milliarden Euro[4] - darin sind auch Kredite von Bund und Ländern enthalten. Dieser Betrag ist insgesamt nicht sehr hoch; doch konzentrieren sich in Franken verschuldete Kommunen regaional, z. B. in NRW und in der südlichen Grenzregion Baden-Württembergs zur Schweiz.

Auch Bundesländer verschulden sich teilweise im Ausland, sichern diese Kredite jedoch zumeist z. B. durch Euro-SWAPs gegen Währungsschwankungen ab. Bei Kommunen sind solche Sicherungsgeschäfte selten. Als Fazit bleibt, dass Fremdwährungsgeschäfte ein Risiko enthalten können, das gegen den möglichen Vorteil abgewogen werden muss. Dies ist allerdings nicht so unwägbar wie bei anderen Kreditgeschäften, die Kommunen in der Vergangenheit tätigten, beispielsweise Derivate ("Swap-Geschäfte") oder Cross Border Leasing.

Kommunale Beispiele[Bearbeiten]

Baden-Württemberg[Bearbeiten]

  • In Baden-Württemberg haben mehrere Städte insgesamt 66 Millionen Franken Schulden, das entspricht rund 54 Mio. €. Darunter sind Bad Säckingen (Landkreis Waldshut/10,8 Millionen Euro), Lörrach (8,9 Millionen Euro) und Friedrichshafen (Bodenseekreis/6,1 Millionen Euro). Die Mehrbelastung aufgrund der Franken-Aufwertung wird auf ca. 12 Mio. € geschätzt.[5] Konstanz ist nach Angaben seines Kämmerers Hartmut Rohloff mit 1 Mio. SFr. in der Schweiz verschuldet, die Gesamtverbindlichkeiten der Stadt belaufen sich auf ca. 24 Mio. €.[6] Zusätzlich entfielen bei den städtischen Entsorgungsbetrieben 2,2 Millionen von 80 Millionen Euro an Bankverbindlichkeiten auf Darlehen in der Schweizer Währung.[7] Laut Gemeindetag Baden-Württemberg sei die kommunale Kreditaufnahme in Franken eine regionale Besonderheit, die es bereits seit Jahrzehnten aufgrund der wirtschaftlichen Verflechtungen von Südbaden mit der Schweiz gebe.[8]

Bayern[Bearbeiten]

  • Die Stadt Lichtenfeld in Bayern verliert laut "Wirtschafts-Nachrichten" ca. 220.000 Euro. Gemessen an der Einwohnerzahl von etwa 20.000 sei dies eine immens hohe Pro-Kopf-Verschuldung[9].
  • Die Stadt Burglengenfeld hat einen Kredit von mehr als 30 Millionen Franken, die Aufwertung führt zu 3,7 Millionen Euro mehr Schulden bei einer Gesamtverschuldung von c. 60 Mio. €.[10]
  • Ingolstadt hat zwei Kredite über insgesamt rund 33 Mio SFr. aufgenommen.[11]

Hessen[Bearbeiten]

  • Der Rheingau-Taunus-Kreis ist nach Presseberichten ebenfalls von der Franken-Aufwertung betroffen. Er habe Kassenkredite in Schweizer Währung in Höhe von 150 Mio. €, der Buchverlust aufgrund der Aufwertung liege bei 30 Mio. €.[12], anderen Angaben zufolge bei 24,.5 Mio. €[13] Der Landkreis habe die Kredite bei unterschiedlichen Banken mit verschiedenen Laufzeiten. Bislang gebe es keine Signale, dass sie gekündigt oder nicht verlängert würden. Der Bund der Steuerzahler Hessen forderte daraufhin, Kommunen Spekulationen mit Fremdwährungskrediten zu verbieten.[14] Nach Pressemeldungen bereitet die Landesregierung eine Änderung des Kommunalrechts vor, wonach "spekulative Finanzgeschäfte" von Kommunen unzulässig sein sollen. Weiterhin soll die Gemeindeordnung um den Passus geränzt werden: "Die Kreditaufnahme erfolgt grundsätzlich in Euro. In anderen Währungen ist die Kreditaufnahme nur in Verbindung mit einem Währungssicherungsgeschäft zulässig"[15].

Niedersachsen[Bearbeiten]

  • In Niedersachsen haben laut NDR u. a. die Stadt Hannover (mindestens 20 Mio. Franken), die Stadt Osnabrück (48,4 Mio € nach altem Kurs) sowie der Landkreis Osnabrück (19,6 Mio. €) Verbindlichkeiten in der Schweiz.[16]
  • Die Stadt Osnabrück hatte nach einem einstimmigen Ratsbeschluss im Jahr 2000 mehrere Kredite in Schweizer Franken aufgenommen. Anfang 2015 gab der Kämmerer Thomas Fillep die Höhe der Schweizer Kredite mit 49,4 Millionen Franken an, der Buchverlust seit dem 31. Dezember betrage 7,3 Millionen Euro.[17] Nach der Aufwertung des Franken Anfang 2015 fasste die Stadt einen Ratsbeschluss, der vorsah, die Kredite über zehn bis 50 Jahre zu tilgen. Anfang 2022 zeichnete sich ab, dass die Stadt auf absehbare Zeit keine hohen Liquiditätskredite mehr benötigte; der vorgesehene Tilgungszeitraum wurde auf 2,5 Jahre verkürzt. Letztlich zahlte Osnabrück die letzten Frankenkredite im Juli 2022 zurück. Insgesamt hatte sie 14,2 Mio. € verloren.[18]
  • Weitere Kommunen in Niedersachsen sind nach einer Prüfung des niedersächsischen Innenministeriums nicht betroffen.[19] Bis Ende 2014 hätten jedoch auch Oldenburg und Göttingen Franken-Kredite gehabt.[20] Der Runderlass des Innenministeriums zur Kreditwirtschaft der kommunalen Körperschaften vom 21.7.2014 sagt: "Von Krediten in fremder Währung ist möglichst Abstand zu nehmen. Sie sind mit besonderen Risiken behaftet (höhere effektive Belastung insbesondere durch nicht kalkulierbare Wechselkursschwankungen). Findet im Ausnahmefall eine Kreditaufnahme in fremder Währung statt, muss von den Kommunen bei der Aufnahme, abhängig von der Höhe des Wechselkursrisikos, gleichzeitig eine Risikovorsorge getroffen werden."

Nordrhein-Westfalen[Bearbeiten]

  • Insgesamt werden die Fremdwährungskredite, die nicht nur in Schweizer Franken lauten, für alle NRW-Kommunen auf ca. 1,9 Mrd. € beziffert, die sich auf ca. 25 Kommunen verteilen (Stand Ende 2013).[21]; davon sollen ca. 900 Mio. € aus Schweizer Franken bestehen[22]. Jedoch wiesen nur Essen, Bochum und Gelsenkirchen dreistellige Millionensummen aus.
  • Essen hat nach Angaben der FAZ Fremdwährungskredite in Höhe von 450 Millionen Schweizer Franken[23] bei Gesamtverbindlichkeiten von ca. 3.4 Mrd. €.[24] Kurzfristig umzuschuldende Kredite in Höhe von 60 Mio. SFr. sollen zunächst in der Schweiz verlängert werden mit der Hoffnung, dass der Franken-Wechselkurs wieder sinkt. Sollte das nicht geschehen, steht die Stadt im Herbst 2015 vor ernsthaften Problemen, da bis dahin ca. 330 Mio SFr. fällig werden.[25]
  • Laut Presseberichten sind in NRW auch Bochum (Kreditvolumen ca. 180 Mio. €)[26], Gelsenkirchen, Münster (ca. 118 Mio. €), Dorsten (85 Mio. €)[27], Bottrop und Recklinghausen betroffen.[28]
  • Die Stadt Gladbeck hält nach eigenen Angaben[29] derzeit (Januar 2015) Franken-Kredite von ca. 64 Mio. €, das sind etwa ein Drittel ihrer gesamten Liquiditätskredite.
  • Ebenfalls nach Angaben Gladbecks haben "fast sämtliche Städte des Kreises Recklinghausen" Kredite in Schweizer Franken aufgenommen.

Rheinland-Pfalz[Bearbeiten]

Schleswig-Holstein[Bearbeiten]

  • In Schleswig-Holstein gibt es nach Auskunft des Städteverbands Schleswig-Holstein sowie einer Nachfrage der SHZ in den Städten Kiel, Lübeck, Flensburg und Neumünster keine Kommunen mit Krediten in Schweizer Franken. Flensburg habe bis vor mehr als zehn Jahren noch Kredite in der Schweiz gehabt.[31] Der Krediterlass des Innenministeriums vom 29.08.2013 sagt: "Von Kreditaufnahmen in fremder Währung oder in einem Staat außerhalb der Europäischen Gemeinschaft ist möglichst Abstand zu nehmen." (S. 15)

Auch Derivatgeschäfte von Kommunen betroffen[Bearbeiten]

Nach einem Bericht der wallstreet online[32] sind deutsche Kommunen - schwerpunktmäßig ebenfalls in Nordrhein-Westfalen und im grenznahen Bodensee-Raum Baden-Württembergs - von der Franken-Aufwertung betroffen, die Geld in Derivaten von Schweizer Banken (sog. Currency related swaps) angelegt haben. Die Online-Zeitung beruft sich auf Angaben eines Fachanwalts, der mehrere Kommunen gegen Banken vertritt. Danach seien Kommunen in "trickreiche Derivat-Geschäfte gelockt" worden, mit denen sich die Banken gegen Währungsrisiken absichern wollten. Den Kommunen seien diese Derivate als risikoarme Anlagen verkauft worden. Allein in Nordrhein-Westfalen betrage das Risiko für die Kommunen aus solchen Anlagen mindestens eine halbe Milliarde Euro.

Größere Probleme bei französischen Kommunen[Bearbeiten]

Bei einigen Kommunen in Frankreich hat die Freigabe des Wechselkurses des Schweizer Franken offenbar zu weit größeren Problemen geführt. Presseberichte[33] nennen beispielhaft die Kommune Châteauneuf-les-Martigues, die vor dem Konkurs stehen soll. Mehrere Kommunen haben bereits gegen die vermittelnden Banken geklagt. Politisch brisant ist dies deshalb, weil die hauptsächlich beteiligte Bank, die Dexia Bank, die etwa die Hälfte des Kredit-Markts für Kommunen kontrolliert, seit der Finanzkrise 2012 vom Staat kontrolliert wird. Die Schadenersatzforderungen, die in die Milliarden Euro gehen könnten, gingen damit letztlich auch zu Lasten des Zentralstaats.

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. kommunal.com, Schweizer Notenbank bringt Kommunen in Nöte, 19.01.2015 (nur mit Login aufrufbar); Deutsche Wirtschafts-Nachrichten, Franken-Kredite: Schwere Verluste für deutsche Privatkunden und Kommunen, 20.01.2015, unter Bezugnahme auf eine Kleine Anfrage des stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion André Kuper
  2. Bund der Steuerzahler NRW, Es ist nicht gut gegangen!, Pressemitteilung vom 22.01.2015
  3. Stadt Gladbeck, Fremdwährungskredite: Stadt hat nicht „gezockt“!
  4. Deutsche Wirtschafts-Nachrichten, Franken-Kredite: Schwere Verluste für deutsche Privatkunden und Kommunen, 20.01.2015
  5. Landtag von Baden-Württemberg, Auswirkungen von Fremdwährungskrediten auf baden-württembergische Kommunen, Antrag und Stellungnahme der Landesregierung, Druchsache 15/7304 v. 13.08.2015; siehe auch: focus regional, FDP: Kommunale Kredite in Fremdwährung nur noch mit Risikoabsicherung, 9.9.2015; Frankfurter Allgemeine, Deutsche Schuldenberge mit Alpenblick, 21.01.2015
  6. Die Welt, Kommunen verzocken sich mit Franken-Krediten, 20.01.2015
  7. T-Online, Kommunen mit Schweizer Krediten hoffen auf besseren Kurs, 20.01.2015
  8. T-Online, s. o.
  9. Deutsche Wirtschafts-Nachrichten, Franken-Kredite: Schwere Verluste für deutsche Privatkunden und Kommunen, 20.01.2015, unter Berufung auf den Wirtschaftsjournalisten Roland Tichy
  10. tz München: Kommunen verzocken sich mit Franken, 30.01.2015
  11. tz München, s. o.
  12. Die Welt, Rheingau-Taunus-Kreis von Franken-Turbulenzen betroffen, 22.01.2015
  13. Focus online: Steuerzahlerbund: Kommunen Spekulationen mit Fremdwährungen verbieten, 29.01.2015
  14. Fous online, s. o.
  15. Die Welt, Hessen will Kommunen spekulative Finanzdeals verbieten, 07.04.2015, sowie Focus online money, "Lehrgeld gezahlt": Hessen will Kommunen spekulative Finanzgeschäfte verbieten, 08.04.2015
  16. NDR, Franken-Kredit: Hannover redet Verlustrisiko klein, 21.01.2015
  17. Die Welt, Kommunen verzocken sich mit Franken-Krediten, 20.01.2015
  18. Der Neue Kämmerer, Osnabrück tilgt Kredite in Schweizer Franken, 28.06.2022
  19. NDR, Keine weiteren Kommunen mit Schweizer Krediten, 28.01.2015
  20. Die Welt, s. o.
  21. Tagesspiegel 25.01.2015, s. o.; Kölnische Rundschau, Starker Schweizer Franken bringt NRW-Kommunen Verluste, 16.01.2015; Kölnische Rundschau, Verluste durch Franken für NRW-Kommunen „fiktiv“, 23.01.2015
  22. Deutsche Wirtschafts-Nachrichten, Franken-Kredite: Schwere Verluste für deutsche Privatkunden und Kommunen, 20.01.2015, unter Bezugnahme auf eine Kleine Anfrage des stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion André Kuper
  23. Frankfurter Allgemeine, Deutsche Schuldenberge mit Alpenblick, 21.01.2015
  24. Tagesspiegel, In der Franken-Falle, 25.01.2015
  25. Tagesspiegel 25.01.2015, s. o.
  26. siehe zu Bochum auch: Der Westen, Bochums Kämmerer Busch räumt Fehler bei Franken-Krediten ein, 22.01.2015
  27. Zahl nach: Wallstreet online, Deutsche Kommunen haben sich mit Schweizer Franken verzockt, 20.01.2015
  28. FR online, Deutsche Städte verzocken sich, 22.01.2015; RP online: Freigabe des Franken belastet deutsche Kommunen, 16.01.2015
  29. Stadt Gladbeck, Fremdwährungskredite: Stadt hat nicht „gezockt“!
  30. focus regional: Aufwertung des Franken trifft auch Kommunen in Rheinland-Pfalz, 20.01.2015
  31. SHZ, Warum das Franken-Desaster die Kommunen in SH kalt lässt, 20.01.2015
  32. wallstreet online: Milliardenrisiken für deutsche Kommunen bei Franken-Geschäften, 02.02.2015
  33. Vgl. auch zum Folgenden: Deutsche Wirtschafts-Nachrichten, Franken-Kredite: Zahlreiche französische Kommunen vor dem Konkurs, 22.07.2015

Siehe auch[Bearbeiten]