Gesetz gegen Hasskriminalität

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Am 03.04.2021 trat das neue "Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität" in Kraft. Es handelt sich um ein sog. Artikelgesetz, das verschiedene andere Gesetze ändert und ergänzt, u.a. das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung und das Telemediengesetz. Hetze und Bedrohungen gegen kommunalpolitisch Aktive sind jetzt explizit in die Strafbarkeit einbezogen, die Strafen wurden teilweise verschärft, soziale Netzwerke können leichter zur Herausgabe von Daten gezwungen werden, und Personen können durch Auskunftssperren im Melderegister besser geschützt werden.

Die Änderungen im Einzelnen[Bearbeiten]

Änderungen im Strafgesetzbuch (StGB)[1][Bearbeiten]

  • Antisemitische Tatmotive werden nun in § 46 Abs. 2 StGB ausdrücklich als strafverschärfende Beweggründe genannt.
  • § 115 StGB (Schutz von Notdiensten) wird jetzt neben Rettungskräften im Einsatz auf Personal in ärztlichen Notdiensten und in Notaufnahmen ausgedehnt.
  • § 126 StGB, der die Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten unter Strafe stellt, erfasst jetzt auch die Androhung einer gefährlichen Körperverletzung und von schweren Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung.
  • In § 140 StGB wird jetzt auch die Billigung schwerer Taten unter Strafe gestellt, die noch nicht begangen wurden, wenn diese geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
  • Der Strafrahmen für öffentliche Beleidigungen in § 185 StGB wird von einem auf zwei Jahre ausgeweitet.
  • In § 188 StGB, der Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens besonders unter Strafe stellt, wird jetzt klargestellt, dass das politische Leben auch die Kommunalpolitik umfasst; auch Beleidigungen fallen jetzt unter diesen Straftatbestand.
  • § 241 StGB stellt jetzt nicht nur die Bedrohung mit einem Verbrechen, sondern auch Drohungen mit Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen Sachen von bedeutendem Wert unter Strafe, auch dann, wenn sich diese gegen nahestehende Personen richten.

Änderungen in anderen Gesetzen[Bearbeiten]

Das Gesetz schafft eine Pflicht sozialer Netzwerke zur Meldung von Hasspostings an das Bundeskriminalamt bei folgenden Tatbeständen:

  • Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§§ 86, 86a StGB)
  • Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§§ 89a, 91 StGB) sowie Bildung und Unterstützung krimineller und terroristischer Vereinigungen (§§ 129 bis 129b StGB)
  • Volksverhetzungen und Gewaltdarstellungen (§§ 130, 131 StGB) sowie Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 StGB)
  • Belohnung und Billigung von Straftaten (§ 140 StGB)
  • Bedrohungen mit Verbrechen gegen das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit (§ 241 StGB)
  • Verbreitung kinderpornografischer Aufnahmen (§ 184b StGB)

Beleidigungen, üble Nachrede und Verleumdung fallen nicht unter diese Meldepflicht, da die Abgrenzung gegenüber erlaubten Meinungsäußerungen im Einzelfall schwierig sein kann. Die Netzwerke müssen aber ihre Nutzer*innen über die Möglichkeit en einer Strafanzeige oder eines Strafantrages informieren.

Auskunftssperren[Bearbeiten]

Betroffene können bei Bedrohungen, Beleidigungen und unbefugten Nachstellungen leichter als bisher eine Auskunftssperre im Melderegister erwirken, so dass ihre Adressen nur noch eingeschränkt weitergegeben werden.[2]

Politischer Hintergrund[Bearbeiten]

Die große Koalition reagiert mit dem Gesetz auf zunehmende Hetze, Beleidigungen und Bedrohungen gegen Amts- und Mandatsträger*innen, aber auch andere Engagierte, die sich in sozialen Netzwerken, aber auch bei Veranstaltungen, in Amtsstuben und sogar im Privatbereich der Betroffenen abspielen.[3] Angriffe, die die Menschen und das öffentliche Leben stark beeinträchtigen, waren bislang nicht immer strafbar und konnten in vielen Fällen nicht aufgeklärt werden. Ausschlaggebend für die Gesetzesinitiative waren dann auch spektakuläre Ereignisse wie der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke am 1. Juni 2019 und der rechtsextremistischen Anschlag von Halle am 9. Oktober 2019.

Das Gesetz war im Bundestag in einer früheren Fassung bereits im Juni 2020 beschlossen worden, konnte aber zunächst nicht in Kraft treten, da der Bundespräsident es wegen verfassungsrechtlicher Bedenken nicht ausfertigen wollte. Das Gesetz hatte Urteile des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes zur Bestandsdatenauskunft missachtet und unterschied zu wenig zwischen Bestands- und Nutzungsdaten. Die Bedenken wurden durch Stellungnahmen der wissenschaftlichen Dienste des Bundestages und ein von der Fraktion Bündnis 90 / Die GRÜNEN in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten gestützt.[4] Mit verschiedenen Anträgen, insbesondere im Bundesrat, versuchten Bündnis 90 / Die GRÜNEN, das Gesetz verfassungskonform auszugestalten. Schließlich änderte die Koalition das Gesetz durch ein "Reparaturgesetz". Nicht alle Bedenken der Grünen wurden berücksichtigt; so hatten diese ein zweistufiges Verfahren zur Datenauskunft vorgeschlagen: Das BKA solle zunächst einen Anfangsverdacht vorprüfen, bevor die Daten endgültig übermittelt werden.[5]

Ermittlungen und Strafverfolgung können nur ein Element bei der Bekämpfung der Hasskriminalität sein. Ebenso wichtig sind Aufklärung und Sensibilisierung, die Stärkung der demokratischen Kultur und die persönliche Unterstützung der Betroffenen, z.B. durch die Einrichtung von Anlaufstellen. Zur Stärkung der Strafverfolgung fordern die kommunalen Spitzenverbände weiterhin die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die es in einigen Bundesländern bereits gibt.[6]

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Unter den folgenden Links findet sich die aktualisiert Fassung der §§, die Änderungen sind also schon enthalten.
  2. Ausführlicher zu den Inhalten des Gesetzes siehe die Pressemitteilung des Justizministeriums unter Weblinks.
  3. Siehe dazu den Artikel: Hass-Angriffe auf Kommunalpolitiker/innen
  4. Das Gutachten: Prof. Dr. Matthias Bäcker, Folgerungen aus dem zweiten Bestandsdatenbeschluss des BVerfG für die durch das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität geschaffenen Datenverarbeitungsregelungen, September 2020 (pdf-Format, 22 Seiten); die Ausarbeitungen: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Verfassungsrechtliche Aspekte der Übermittlung von gelöschten Inhalten und IP-Adressen an das Bundeskriminalamt nach dem Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität (BT-Drs. 19/17741 und 19/20163) (15.09.2020, pdf-Format, 43 Seiten) sowie Mögliche Auswirkungen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Mai 2020, 1 BvR 1873/13 – Bestandsdatenauskunft II – auf das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität (BT-Drs. 19/17741 und 19/20163) und das Netzwerkdurchsetzungsgesetzänderungsgesetz (16.09.2020, pdf-Format, 37 Seiten). Siehe auch Annina Barbara Männig, Gesetzespaket zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität (Blogeintrag vom 18.12.2020)
  5. Siehe dazu Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen: Gesetz gegen Hasskriminalität, 15.04.2021 mit weiteren Links
  6. Siehe dazu z.B. Deutscher Städte- und Gemeindebund, Positionspapier Hass, Bedrohungen & Gewalt gegen Kommunalpolitiker*innen, 17.05.2021 (pdf-Format, 7 Seiten); weitere Verweise im Artikel Hass-Angriffe auf Kommunalpolitiker/innen.

Weblinks[Bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten]