Legalisierung von Cannabis

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Die Legalisierung von Cannabis wird immer konkreter: Das Eckpunkte-Papier von Gesundheitsminister Karl Lauterbach wurde vom Kabinett beschlossen. Die Eckpunkte wurden mit einer Interpretationserklärung an die EU-Kommission weitergeleitet. Hier soll im nächsten Schritt geprüft werden, ob die so von Lauterbach geplante Legalisierung von Cannabis mit internationalem und europäischem Recht vereinbar ist. Wenn keine rechtlichen Einwände vorliegen, ist geplant, dem Bundestag einen konkreten Gesetzesentwurf vorzulegen, der nach Beschluss des Parlaments zusätzlich den Bundesrat passieren muss. Die Legalisierung von Cannabis wird für 2024 erwartet, sofern die EU keine Bedenken anmeldet - was keineswegs sicher ist.[1]

Aktuelle Drogenpolitik muss überdacht werden[Bearbeiten]

Die Pläne der Bundesregierung werden zwar kritisiert, diese Kritik spiegelt aber nicht die vorherrschende Einstellung der Bevölkerung wider: Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2021[2] sind lediglich 44 Prozent der Befragten „eher gegen“ eine Legalisierung von Cannabis. Im gleichen Jahr haben in Deutschland fast 4,5 Millionen Menschen Cannabis konsumiert[3] – das sind 8,8 Prozent der Gesamtbevölkerung im Vergleich zu 6,1 Prozent im Jahr 2015. Nach Schätzungen des Deutschen Hanfverband werden in Deutschland jährlich zwischen 200-400 Tonnen Cannabis mit einem Schwarzmarkt-Wert von 1,2-2,5 Mrd. € konsumiert.

Ein Neustart der Drogenpolitik ist dringend notwendig: Durch eine Legalisierung werden Konsumenten nicht länger kriminalisiert. Der Schwarzmarkt kann wirkungsvoll reguliert, kontrolliert und zurückgedrängt werden. Darüber hinaus können Verbraucher und vor allem Jugendliche effektiver geschützt werden[4] und eine bessere Präventionsarbeit sowie gesundheitliche Aufklärung vorgenommen werden.

Pro & Contra Legalisierung[Bearbeiten]

Hauptargument für eine Legalisierung ist das gesundheitliche Risiko, das mit dem Konsum von auf dem Schwarzmarkt erworbenen Cannabis verbunden ist: Konsumenten haben aktuell keinerlei Kontrollmöglichkeiten über Qualität und Inhaltsstoffe, da sich manipuliertes Cannabis weder im Geruch noch im Geschmack von reinem Cannabis unterscheidet. Wird Cannabis zum Beispiel mit synthetischen Cannabinoiden angereichert, verstärkt sich die psychoaktive Wirkung immens. Immer häufiger wird außerdem zum Beispiel durch das ungleichmäßige Aufsprühen von Wirkstoffen ein höherer THC-Gehalt nachgewiesen, der die Wirkung von Cannabis ebenfalls verstärkt. Auch giftige und krebserregende Inhaltsstoffe werden immer wieder als Beimischungen entdeckt.

Eine Legalisierung von Cannabis und ein klar definiertes Regelwerk für die gesamte Wertschöpfungskette hingegen ermöglichen flächendeckende Qualitätskontrollen. Einfuhr und Verkauf können streng reglementiert werden, um den Konsum von manipuliertem und stark gesundheitsschädigendem Cannabis zu verhindern. Eine Legalisierung würde darüber hinaus zur Entkriminalisierung der Konsumenten führen und dadurch die Akzeptanz von konkreten Hilfsangeboten fördern.

Die Langzeitfolgen eines starken Cannabis-Konsums sind aufgrund fehlender Daten bisher unzureichend erforscht. Das Herzinfarktrisiko scheint erhöht und bei regelmäßigem Konsum kann es zu Veränderungen der Lungenfunktion mit Lungenüberblähung kommen. Es werden Luftnot und chronischer Husten beobachtet. Psychosen, Depressionen, Angststörungen sowie bipolare Störungen können durch den Konsum von Cannabis verstärkt werden. Die körperliche Abhängigkeit von Cannabis wird im Gegensatz zur psychischen deutlich schneller überwunden.

Die Legalisierung von Cannabis darf deshalb nicht ohne eine entsprechende Aufklärung im Sinne der Prävention erfolgen: Besonders die junge Generation muss zu mündigen Bürgern erzogen werden, die mit allen gesundheitlichen Risiken in Verbindung mit Cannabis vertraut sind und die wissen, wo sie bei Komplikationen Hilfe und Unterstützung finden können. Alle Maßnahmen zur Suchtprävention müssen darüber hinaus Eltern pro-aktiv zugänglich gemacht werden.

Von Kanada lernen[Bearbeiten]

Kanada erlaubt seit 2001 die Verwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken, und seit 2018 ist Cannabis auch als Genussmittel für den Freizeitkonsum freigegeben. Die Auflagen sind in den einzelnen Provinzen und Territorien unterschiedlich geregelt.

Vor der Legalisierung bezogen 25 Prozent der Bevölkerung Cannabis auf dem Schwarzmarkt – mit den damit verbundenen gesundheitlichen Risiken. Seit der Legalisierung schrumpft der Schwarzmarkt kontinuierlich, allerdings hätte diese positive Entwicklung durch eine konkurrenzfähige Preispolitik deutlich beschleunigt werden können.

Um die legale Bereitstellung von hochwertigem Cannabis in ausreichenden Mengen zu gewährleisten, sind klare und vor allem einheitliche Vorgaben für Hersteller von Anbau über Weiterverarbeitung, Logistik und Vertrieb zwingend notwendig. Auch die Kriterien für eine Vergabe der Verkaufslizenzen müssen frühzeitig definiert werden, um Probleme zu vermeiden – eine Art Franchise-System wäre denkbar, am besten in Verbindung mit der Verpflichtung zur zertifizierten Ausbildung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie einer finanziellen Einstiegshürde.

Das Werbe- und Marketingverbot in Kanada scheint kontraproduktiv, da eine öffentliche und zielgruppengerechte Aufklärung sowie ausführliche Produktinformationen erwiesenermaßen zur erfolgreichen Suchtprävention beitragen.

Unser Fazit: Seit ungefähr drei Jahren ist der Konsum von Cannabis in Kanada legal und bisher ist die Zahl der Verwender weder dramatisch angestiegen noch wirklich zurückgegangen. 2020 konsumierten rund 35 Prozent der 18-24-jährigen Kanadier Cannabis – eine Zahl, die seit 2019 nahezu unverändert ist. Fast 8 Prozent der Bevölkerung konsumiert täglich oder beinahe täglich im Vergleich zu 5 Prozent vor der Legalisierung. Erfreulicherweise werden mittlerweile 70 Prozent der Produktkäufe legal in offiziellen Shops getätigt.[5]

Vier-Säulen-Konzept[Bearbeiten]

Eine erfolgreiche Legalisierung von Cannabis ohne nachteilige Folgen für die Gesellschaft und ohne unnötige Risken für die junge Generation benötigt klare Regeln, streng reglementierte Vertriebsprozesse, lizensierte Abgabestellen, einheitliche Qualitätsstandards, qualifiziertes Verkaufspersonal sowie umfangreiche Aufklärungs- und Bildungsmaßnahmen. Auch Track und Trace Maßnahmen dürfen nicht fehlen.

Bildung und Gesundheit[Bearbeiten]

Die bereitgestellten Informationen müssen unkompliziert sowie niederschwellig verfügbar sein und müssen darüber hinaus leicht verständlich und zielgruppengerecht aufbereitet werden – vor allem junge Leute müssen zu mündigen Bürgern heranreifen, die Risiken und Nutzen abwägen sowie eigenverantwortliche Entscheidungen treffen können. Mögliche Gefahren müssen kommuniziert werden und Suchtpräventionsmaßnahmen aufgezeigt werden.

Darüber hinaus müssen Eltern aufgeklärt und sensibilisiert werden, Gefahren zu erkennen, die Eskalation von Streitthemen zu vermeiden und im kontinuierlichen Gespräch mit ihren Kindern zu bleiben.

Jugendschutz und lizensierter Verkauf[Bearbeiten]

Cannabis sollte ausschließlich durch lizensierte Fachgeschäfte und ausgewählte Apotheken verkauft werden, die über speziell ausgebildete Mitarbeiter verfügten. Der Kineo-Bildungscampus zum Beispiel bietet in naher Zukunft zertifizierte Lehrgänge zum Facharbeiter Medizinal-Cannabis, Cannabis-Fachberater, Cannabis-Fachverkäufer und zum Cannabis-Qualitätsmanager an.

Auch die Konzepte für die Gestaltung der Shops und Verkaufsstellen müssen strengen Auflagen genügen, um die Qualität der Produkte sicherzustellen, Missbrauch zu vermeiden und um alle Prozesse rund um Verkauf, Lagerung, Transport und Entsorgung sicher zu gestalten. Eine Art Franchise-System mit entsprechenden Anfangs-Investitionskosten ist empfehlenswert, um den Verkauf durch qualitativ hochwertige Shops und Verkaufsstellen zu gewährleisten.

Sicherheit und Qualitätsmanagement[Bearbeiten]

Erfolgreicher Jugendschutz beginnt bereits bei der Auswahl der Standorte – der Verkauf darf nicht in der Nähe von Schulen, Kitas, Jugendtreffs oder ähnlichen Einrichtungen stattfinden. Konsumenten dürfen den Shop nur betreten, wenn eine entsprechende Altersverifizierung stattgefunden hat. Die Abgabemenge muss kontrolliert werden und darf den Bedarf zum Eigenverbrauch nicht überschreiten.

Regelmäßige Kontrollen sind notwendig, um die Umsetzung aller Sicherheitsvorgaben zu gewährleisten. Auch die enge Zusammenarbeit mit Bundes- und Kreisbehörden und die Übernahme der Standards aus dem Handel mit Medizinal-Cannabis tragen erfolgreich zur Suchtprävention bei.

Track und Trace App[Bearbeiten]

Eine Track&Trace App – ähnlich wie die Corona-App – erleichtert die Legitimation von Konsumenten. Durch den Einsatz von KI kann verantwortungsvolles Konsumverhalten gefördert und Verkäufe erfasst werden (selbstverständlich unter Einhaltung der DSGVO-Vorschriften). Engmaschig erfasste Selbstauskünfte decken Mischkonsum auf, der bei Arztkonsultationen oder Krankenhausaufenthalten zu Irritationen führen kann. Außerdem kann durch eine Track&Trace App gerade unter jungen Leuten die Akzeptanz von Suchtpräventionsmaßnahmen (Clinical Follow-Ups) steigen.

Darüber hinaus müssen die datenschutzanonymisierten Daten in einer Gesamtevaluierung ausgewertet werden, um Trends und Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und Strukturen und Maßnahmen bei Bedarf anzupassen.

Fußnoten[Bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten]