Cannabis

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Der Hanf (Cannabis) ist seit Jahrtausenden als Nutzpflanze bekannt. Heute denken die meisten Menschen dabei an die Cannabinoide, Inhaltsstoffe des Hanf, die als Medikamente oder als Rauschmittel genutzt werden, doch findet der Hanf noch viele weitere Anwendungen.

Geschichte[Bearbeiten]

Die Nutzpflanze Hanf (lateinisch Cannabis) wurde bereits vor über 10.000 Jahren kultiviert: Ein alter medizinischer Text aus China empfahl beispielsweise Hanf als Heilpflanze zur Behandlung von Malaria und Rheuma. Der römische Gelehrte Plinius riet, Hanf als Schmerzmittel einzusetzen, und der griechische Arzt Pedanios Diosdurides beschrieb Hanf als Mittel gegen Ohrenschmerzen. Die vielseitig einsetzbare Pflanze wurde unter anderem zur Herstellung von Kleidung, Seilen und Verbandsstoffen genutzt. Darüber hinaus wurde aus Hanf Papier hergestellt – auch die berühmte Gutenberg-Bibel wurde auf Papier aus Hanf gedruckt. Außerdem wurde Hanf als Getreide und zur Herstellung von Speiseöl angebaut.

Die Hanfpflanze wird bis heute als ergiebiger Rohstofflieferant geschätzt: Aus Hanf werden biologisch abbaubare Alternativen zu Plastik sowie Dämmstoffe, Textilien, Tierstreu, Wandbeton oder Nahrungs- und Futtermittel hergestellt.[1] Darüber hinaus wird Hanf bis heute bei verschiedenen medizinischen Indikationen eingesetzt.

Gesundheitliche Bedeutung[Bearbeiten]

Wirkstoffe[Bearbeiten]

Die 113 identifizierten Wirkstoffe von Cannabis werden als Cannabinoide bezeichnet. Die beiden bekanntesten sind THC Delta-9-Tetrahydrogencannabinol und CBD Cannabidiol. THC wirkt psychoaktiv, CBD hingegen nicht. Die beiden Wirkstoffe ergänzen sich: Während THC antiemetisch (brechreizmindernd), appetitanregend und muskelentspannend wirkt, gilt CBD als antikonvulsiv (gegen epileptische Anfälle), neuroprotektiv (Nervenzellen schützend) und angstlösend. Sowohl THC als auch CBD werden in der Medizin einzeln oder kombiniert verordnet, um beispielsweise chronische Schmerzen zu lindern oder die Begleiterscheinungen einer Chemotherapie zu reduzieren.[2]

Wirkung auf das Gehirn und Nervensystem[Bearbeiten]

Das Endocannabinoide-System ist Teil des menschlichen Nervensystems und produziert körpereigene Cannabinoide. Diese Botenstoffe binden sich an die CB1-Rezeptoren, die vorwiegend im Gehirn lokalisiert sind, sowie an die im Nervensystem verteilten CB2-Rezeptoren. Die so aktivierten Rezeptoren stimulieren das Gehirn. Sie sind für kognitive Funktionen verantwortlich und beeinflussen zum Beispiel im Hypothalamus den Appetit und im Hippocampus das Kurzzeitgedächtnis, während CB2-Rezeptoren im Nervensystem vor allem die Immunabwehr steuern. Die Cannabinoide aus der Hanf-Pflanze können ebenfalls an die CB-Rezeptoren andocken und diese aktivieren. Aus diesem Grund berichten Cannabis-Konsumenten über die Linderung chronischer Schmerzen sowie über die Verbesserung von Symptomen wie Übelkeit, Muskelspastiken und Ängsten.[3]

Studienlage[Bearbeiten]

Welche Auswirkungen kann übermäßiger Konsum von Cannabis haben – zum Beispiel auf das menschliche Gehirn? Allein zu dieser Frage gibt es eine Vielzahl von widersprüchlichen Forschungsergebnissen. Auch die Qualität der vorliegenden Studien lässt zu wünschen übrig: Forscher und Forscherinnen des Center for Medical Cannabis Research der University of California bewerteten 1.014 Studien zu neurokognitiven Effekten von Cannabis auf Langzeitkonsumierende: Davon erfüllten lediglich 15 Studien (mit 704 Langzeit-Konsumierenden und 408 Nicht-Konsumierenden) die notwendigen methodischen Kriterien, um zuverlässige Ergebnisse zu produzieren.[4] Hier besteht eindeutig dringender Nachholbedarf an qualitativ hochwertigen Studien, um sowohl Patient*innen als auch Konsument*innen von Freizeitcannabis mit verlässlichen Fakten zu versorgen.

Atemwege[Bearbeiten]

Aufgrund fehlender methodischer Studien sind heutige Kenntnisse über die Auswirkungen von Cannabis auf die Atemwege eher Annahmen. Es wird vermutet, dass das Inhalieren großer Mengen Cannabis zu einem erhöhten Risiko für verschiedene Atemwegserkrankungen führt. Zu den Krankheiten, die mit übermäßigem Konsum und der psychischen Abhängigkeit von Cannabis in Verbindung gebracht werden, zählen Asthma, COPD sowie Lungenentzündungen. Ärzte vermuten, dass das Rauchen eines Joints die gleiche Wirkung besitzen könnte wie das Rauchen von zwei bis fünf Zigaretten – allerdings ist die Studienlage hierzu sehr dünn und eine Abgrenzung zu Cannabiskonsumenten, die außerdem regelmäßig Tabak konsumieren, ist häufig nicht möglich, aber eigentlich zwingend notwendig, da das Rauchen von Tabak nach wie vor ein erheblicher Risikofaktor für die Gesundheit der menschlichen Lunge ist.[5]

Schwangerschaft[Bearbeiten]

Auch die Auswirkungen von Cannabiskonsum in der Schwangerschaft sind kaum wissenschaftlich belegt. In einer Langzeit-Studie mit 322 Müttern, von denen lediglich 71 regelmäßig Cannabis konsumierten, wurden in Haarproben einiger Kinder Hinweise auf das Stresshormon Cortisol sowie Auffälligkeiten in der Herzratenvariabilität festgestellt, die auf eine erhöhte Stressanfälligkeit hinweisen. Die Kinder schienen hyperaktiv zu sein sowie ängstlicher und aggressiver als die Kinder der Mütter, die kein Cannabis konsumierten. Die Forscher vermuten, dass auch Autismus eine mögliche Folge sein könnte.[6] Dies gilt allerdings als These, deren Verifizierung noch viel Forschungsarbeit bedarf. Sobald validierte Fakten vorliegen, können gezielt und pro-aktiv junge Familien, Frauen und Schwangere aufgeklärt werden.

Herz/Kreislauf[Bearbeiten]

Eine Übersichtsarbeit wies auf mögliche gesundheitliche Risiken für das Herz-Kreislauf-System bei Cannabiskonsumenten hin – allerdings bezeichneten die Experten die Evidenzlage zu den kardiovaskulären Folgen als relativ dürftig und wiesen darauf hin, dass fast alle klinischen Zusammenhänge aus Kasuistiken (Veröffentlichungen einzelner Krankengeschichten) oder aus Beobachtungsstudien stammen.[7] Gemäß der Übersichtsarbeit können durch den übermäßigen Konsum von Cannabis durch Bestandteile des Zigarettenrauchs kardiale Schädigungen wie die Entstehung von Herzinfarkten begünstigt werden. Außerdem wurden in der Arbeit supraventrikuläre und ventrikuläre Arrythmien (Herzrhythmusstörungen) sowie die Verschlechterung von nicht-koronaren Kardiomyopathien (Herzmuskelerkrankungen) beobachtet. Auch hier trifft zu: Weitere ausführliche Forschungsarbeiten zu den Folgen eines leichten, starken sowie eines pathologischen Cannabiskonsums sind dringend notwendig, um junge Leute und Risikogruppen entsprechend aufzuklären, Risiken zu definieren und darauf basierend fundiert beraten zu können.

Einsatz in der Medizin[Bearbeiten]

Cannabis ist weder ein Wunder- noch ein Allheilmittel. Cannabis eignet sich vermutlich auch nicht für den Masseneinsatz – dafür liegen heute noch nicht genügend Erkenntnisse vor. Ein wissenschaftlicher Report zu Cannabis als medizinische Alternativbehandlung im Auftrag der Techniker Krankenkasse fasst die bisherige Studienlage mit folgenden Ergebnissen zusammen: Denkbar sei der Einsatz von Cannabis bei chronischen Schmerzen, bei Multiple Sklerose, bei Paraplegie, Epilepsie, zur Linderung der Begleiterscheinungen einer Chemotherapie und zur Appetitsteigerung bei HIV/AIDS. Auch bei Angststörungen, Schlafstörungen, Tourette und bei ADHS sei ein Einsatz denkbar. Der Report sah keine Wirksamkeit bei Depressionen, Psychosen, Demenz, Glaukomen und Darmerkrankungen.[8] Fazit auch hier: Es besteht dringender Bedarf an entsprechenden Studien mit größeren, repräsentativen Teilnehmerzahlen sowie an Studien mit einem direkten Vergleich verschiedener Cannabinoide, um Wirksamkeit und Sicherheit differenziert zu belegen und um darüber hinaus Patienten und Angehörige aufzuklären, zu beraten und mit möglicherweise vielversprechenden neuen Therapieansätzen vertraut machen zu können.

Rechtliches[Bearbeiten]

Laut Betäubungsmittelgesetz (BtMG) werden der Erwerb und der Besitz von Betäubungsmitteln ohne Erlaubnis für den Erwerb mit Freiheitsstrafen von bis zu 5 Jahren oder Geldstrafen geahndet. Der Konsum selbst ist aufgrund einer fehlenden Normierung nicht strafbar. Das Gericht kann von einer Strafe absehen, wenn der Täter Betäubungsmittel in geringer Menge, also für den einmaligen bis dreimaligen Gebrauch, anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich verschafft oder besitzt.

Unerlaubter Handel wird mit Freiheitsstrafen nicht unter einem Jahr bestraft, wenn die Person älter als 21 Jahre ist und die „nicht geringe Menge“ Cannabis von mindestens 7,5 Gramm THC vorliegt. Beim Anbau beträgt der strafbare Grenzwert 45 Milligramm Cannabis. Ein Jahr Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe droht Personen, die Betäubungsmittel konsumieren und dann ein Fahrzeug nicht mehr sicher führen können. Kommt die konkrete Gefährdung von Leben oder wertvollen Sachen hinzu, kann eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe drohen.[9]

Legalisierung[Bearbeiten]

Cannabis ist die am meisten genutzte illegale Substanz in Deutschland. Alle bisherigen Verbote, Auflagen und Restriktionen waren bisher nicht erfolgreich: Bis heute existiert ein florierender Schwarzmarkt, und es wird immer noch illegal konsumiert. Dabei können Jugendliche nicht ausreichend vor gestrecktem oder verunreinigtem Cannabis geschützt werden und Hilfsangebote sind aufgrund der Illegalität nicht niederschwellig verfügbar. Auch Aufklärung und Beratung werden zu wenig angeboten. Ein weiteres Problem ist, dass aufgrund der Illegalität dort, wo Cannabis erhältlich ist, oft auch "harte Drogen" gehandelt werden. Darüber hinaus sind angebotenen Daten und Fakten sind nicht ausreichend verifiziert und häufig nicht zielgruppengerecht aufbereitet. Diese Gründe sprechen dringend für einen neuen Ansatz der Drogenpolitik mit Fokus auf einem zuverlässigen Jugend- und Gesundheitsschutz sowie mit Maßnahmen und Restriktionen, die den Schwarzmarkt langfristig austrocknet.[10]

Suchtprävention[Bearbeiten]

Um Kinder und Jugendliche zuverlässig zu schützen, sind gut durchdachte Präventionsmaßnahmen erforderlich. Dazu gehören strukturelle Maßnahmen wie eine kontrollierte Abgabe von Cannabis sowie eine eingeschränkte Verfügbarkeit von Cannabis. Gezielte Präventionsmaßnahmen, die das individuelle Gesundheitsverhalten und die individuelle Gesundheitskompetenz erfolgreich fördern, sind ebenfalls zwingend notwendig.[11]

Klare Regeln für die Angabe[Bearbeiten]

Eine zeitgemäße Drogenpolitik benötigt strenge Regeln: Die Vertriebsprozesse müssen klar beschrieben und reglementiert sein, um Missbrauch zu vermeiden. Die Abgabe von Cannabis sollte ausschließlich über lizensierte Fachgeschäfte mit qualifiziertem Verkaufspersonal erfolgen. Informationen zu Cannabis, dem Konsum von Cannabis sowie möglichen Risiken müssen einfach zugänglich sein und zielgruppengerecht aufbereitet werden.

Bildung und Gesundheit[Bearbeiten]

Aus dem Legalisierungsverfahren aus Kanada bestehen Hinweise darauf, dass der Problemkonsum von Jugendlichen nach einer Legalisierung tendenziell eher ab- als zunimmt; zumindest scheint er nicht anzusteigen.[12] Diese Tendenz könnte damit zusammenhängen, dass Länder mit einer zeitgemäßen, erfolgreichen Drogenpolitik unter anderem auch auf die flächendeckende Bereitstellung von Gesundheitsinformationen setzen, die sich an den Bedürfnissen von Eltern und Kindern orientieren. Wenn Jugendliche mit den möglichen Gefahren eines Cannabiskonsums vertraut sind, können sie sich zu mündigen Bürgern entwickeln, die Nutzen und Risiken für sich abwägen und eigenverantwortliche Entscheidungen treffen können. Das Bereitstellen von Informationen speziell für Eltern ist ebenfalls ein entscheidender Punkt für eine erfolgreichen Suchtprävention.

Jugendschutz und lizensierter Verkauf[Bearbeiten]

Cannabis sollte ausschließlich über lizensierte Fachgeschäfte und Apotheken mit gut geschultem Verkaufspersonal vertrieben werden. Der Kineo-Medical-Bildungscampus zum Beispiel bietet aktuell zertifizierte Lehrgänge zum Facharbeiter Medizinal-Cannabis und wird perspektivisch auch Ausbildungen für Cannabis-Fachberater, Cannabis-Fachverkäufer und zum Cannabis-Qualitätsmanager bereitstellen.[13] In Kombination mit hohen Einstiegshürden und Auflagen für lizensierte Franchise- oder Fachgeschäfte würde so Missbrauch erschwert.

Sicherheit und Qualitätsmanagement[Bearbeiten]

Die Austrocknung des Schwarzmarktes funktioniert nicht, wenn es nur wenige offizielle, legale Verkaufsstellen gibt – und die Austrocknung des Schwarzmarktes ist ein wichtiger Faktor, um den Jugendschutz erfolgreich umzusetzen! Verkaufsstandorte sollten darüber hinaus nicht in der Nähe von Schulen, Kitas, Jugendtreffs oder ähnlichen Einrichtungen gestattet werden. Minderjährige sollten Verkaufsstellen nicht betreten dürfen: Um das sicherzustellen, ist eine Altersverifizierung zwingend notwendig. Für eine erfolgreiche Suchtprävention ist die regelmäßige Kontrolle aller Vorgaben in enger Zusammenarbeit mit Bundes- und Kreisbehörden erforderlich.

Track und Trace App[Bearbeiten]

Um die Legitimation von Konsumenten zu vereinfachen, sollte auf zeitgemäße Technologien gesetzt werden: Eine Track & Trace App – ähnlich wie die Corona-App – könnte verantwortungsvolles Konsumverhalten fördern, Verkäufe erfassen und die Akzeptanz von Suchtpräventionsmaßnahmen fördern. Bei einer solchen App müsste unbedingt auf die Einhaltung der DSGVO-Vorschriften geachtet werden. Alle anonymisierten Daten müssten darüber hinaus ausgewertet werden, um kritische Trends frühzeitig erkennen und zielgenau entgegensteuern zu können.

Cannabis-Studien[Bearbeiten]

Es bestehen immer noch ausgeprägte Datenlücken, was die Folgen eines gelegentlichen, eines regelmäßigen und eines übermäßigen Cannabiskonsums betrifft. Es ist deshalb unbedingt erforderlich, die verschiedenen Wirkungsweisen von Cannabis weiterhin gründlich zu erforschen. Zu diesem Zweck müssen mehr und qualitativ hochwertige Studien durchgeführt werden mit größeren, repräsentativen Teilnehmerzahlen sowie mit dem direkten Vergleich von verschiedenen Cannabinoiden, um Wirksamkeit und Sicherheit differenzierter als bisher zu belegen.[14] Die gewonnen Daten müssen darüber hinaus methodisch belastbar sein, um eine umfassende und zuverlässige Aufklärung von Konsument*innen zu gewährleisten, die Freizeit-Cannabis verwenden. Auch Patient*innen, die mit möglicherweise vielversprechenden neuen Therapieansätzen vertraut gemacht werden können, werden von neuen, qualitativ hochwertigen Studien profitieren.

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. PharmaWiki: Cannabis.
  2. Leafly: Cannabinoid-Rezeptoren
  3. drugcom.de: Endocannabinoid-System im Drogenlexikon]
  4. drugcom.de: Wie schädlich ist Cannabis für das Gehirn?
  5. drugcom.de: Atemwegserkrankungen nach Cannabiskonsum auch ohne Tabak
  6. Frauenärzte im Netz: Cannabis-Konsum in der Schwangerschaft schadet der Kindesentwicklung
  7. Kardiologie.org: Diese 5 Gefahren birgt Cannabis fürs Herz
  8. Techniker Krankenkasse: Bei welchen Krank­heiten kommt Cannabis als Medizin in Frage?
  9. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages: Strafrechtliche Aspekte des Umgangs mit Cannabis im internationalen Vergleich (23.09.2019, pdf-Format, 12 Seiten)
  10. akzept e.V. Bundesverband: 9. Alternativer Drogen- und Suchtbericht 2022 (pdf-Format, 113 Seiten)
  11. Siehe dazu den Alternativen Drogenbericht 2022, s. vorhergehende Fußnote
  12. Alternativer Drogenbericht 2022, S. 33
  13. Siehe das Leistungsprogramm des Kineo-Medical-Bildungscampus.
  14. Ärzteblatt: Cannabis: Mehr hochwertige Studien gefordert, 2017

Siehe auch[Bearbeiten]