Reutlingen

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Reutlingen ist eine Großstadt im Zentrum Baden-Württembergs mit ca. 115.000 Einwohnern (Stand 2017). Sie ist die größte Stadt und zugleich Kreisstadt des Landkreises Reutlingen, in dessen äußerstem Nordwesten gelegen. Reutlingen ist die einzige Großstadt in Baden-Württemberg, die nicht Stadtkreis ist.

Auskreisung gescheitert[Bearbeiten]

Am 21. März 2013 beschloss der Rat, die Voraussetzungen und Konsequenzen einer Auskreisung zu ermitteln, dadurch würde Reutlingen der zehnte Stadtkreis in Baden-Württemberg.[1] Dies wäre die erste Auskreisung in Baden-Württemberg seit 1939; damals wurden Pforzheim und Baden-Baden Stadtkreise. Am 23.07.2015 beschloss der Stadtrat auf Antrag der Bürgermeisterin mehrheitlich, die Auskreisung anzustreben, der Antrag ging am Folgetag beim Land ein.[2] Hauptargument war die Hoffnung auf einen Zugewinn an „Demokratie, Selbstverwaltung und Bürgernähe.“ Die Stadt rechnete nach der Auskreisung auch mit 4,6 Mio. € höheren Zuweisungen vom Land.[3]

Der Landkreis befürchtete bei Auskreisung Reutlingens demgegenüber einen Verlust an finanzieller Ausstattung sowie Doppelstrukturen in der Verwaltung. Im Januar 2016 sprach er sich gegen die Auskreisung aus und beauftragte den Verfassungsrechtler Prof. Dr. Christofer Lenz mit einer Stellungnahme.[4] Die Oberbürgermeister von Baden-Baden, Freiburg im Breisgau, Heidelberg, Heilbronn, Karlsruhe, Mannheim, Pforzheim, Stuttgart und Ulm unterstützten hingegen das Vorhaben Reutlingens: "Wir wissen aus Erfahrung, dass Großstädte eine andere Verwaltungsstruktur haben müssen als kleinere Städte und Gemeinden, um ihre vielfältigen Aufgaben angemessen erfüllen zu können" hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.[5]

Die Landesregierung ließ sich bei der Prüfung Zeit: Nachdem im Oktober 2016 in der Stadt Bad Herrenalb ein erfolgreicher Bürgerentscheid zur Frage eines Wechsels der Gemeinde vom Landkreis Calw zum Landkreis Karlsruhe stattfand, erwartete sie, dass eine Entscheidung bezüglich Reutlingens auf andere Gemeinden ausstrahlen kann.[6]

Am 20. Dezember 2018 stimmte der Landtag Baden-Württemberg mehrheitlich einem Entschließungsantrag zu, der von Grünen und CDU eingebracht worden war. Darin wird ausgeführt, "dass nach umfassender Abwägung aller für und gegen eine Gebietsänderung sprechenden entscheidungserheblichen Aspekte keine überwiegenden Gründe des öffentlichen Wohls für eine Erklärung der Stadt Reutlingen zum Stadtkreis sprechen". Am bestehenden Gebietszuschnitt solle festgehalten werden. Die Stadt Reutlingen und der Landkreis werden zugleich aufgefordert, ihre Zusammenarbeit zu intensivieren und dabei Aufgaben und entsprechende Finanzzuständigkeiten an die Stadt zu übertragen.[7]

Die Stadt sah sich durch diesen Beschluss in ihren verfassungsmäßigen Rechten verletzt und klagte am 29.01.2029 vor dem Verfassungsgerichtshof Stuttgart, jedoch ohne Erfolg. Am 17.02.2020 wies der VGH die Klage als unzulässig zurück. Gemeinden könnten nicht mit einer Verfassungsbeschwerde die Verletzung von Rechten nach Art. 70ff. der Landesverfassung geltend machen, Reutlingen sei also in dieser Sache nicht beschwerdefähig. Zwar steht in § 55 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg (Verfassungsgerichtshofsgesetz - VerfGHG), "Jeder kann ... die Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof erheben ...", doch nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes solle diese Vorschrift "lediglich die Rechtsschutzmöglichkeiten der Träger der in der Landesverfassung enthaltenen Grundrechte und sonstigen subjektiven Rechtspositionen verbessern". Die Landesverfassungsbeschwerde sei "das landesrechtliche Pendant zur Verfassungsbeschwerde nach Art.93 Abs.1 Nr.4a GG". Für Beschwerden von Gemeinden stehe das Verfahren nach Art. 76 der Landesverfassung zur Verfügung, mit dem jedoch nicht die Verletzung von Rechten, sondern lediglich der Verstoß eines Gesetzes gegen die Vorschriften der Artikel 71 bis 75 geltend gemacht werden kann. Doch auch nach dieser Vorschrift zieht die Klage Reutlingens nicht, denn sie greift kein Gesetz (auch nicht das Fehlen eines Gesetzes) an, sondern macht einen "Anspruch auf eine erneute Entscheidung des Landtags" geltend. Ein Antrag nach Art.76 LV könne jedoch nur gegen eine verfassungswidrige Gesetzeslage gerichtet werden.[8]

Weblinks[Bearbeiten]

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. "Reutlingen lässt Auskreisung prüfen", AKP 3/2013, S. 8
  2. Stuttgarter Zeitung, Einmalig: Reutlingen möchte Stadtkreis werden, 24.07.2015
  3. focus regional, Reutlingen will sich vom Landkreis lossagen, 18.07.2015
  4. Landkreis Reutlingen: Aktuelles zur Auskreisung mit der Stellungnahme von Prof. Lenz)
  5. Eßlinger Zeitung, Neun Kommunen unterstützen Reutlingens Wunsch vom eigenen Stadtkreis, 17.10.2018
  6. Siehe Landtag Baden-Württemberg: Antrag der SPD-Fraktion und Stellungnahme des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration zur Gründung eines Stadtkreises Reutlingen (Drucksache 16/2136 vom 26. 05. 2017; pdf-Format, 5 Seiten); siehe auch focus: Landesregierung hat über Reutlingen noch nicht entschieden, 02.07.2017, sowie focus, Streit um Reutlinger Stadtkreis-Antrag: Anhörung im Landtag, 28.06.2018, wonach die Landesregierung der Auskreisung "sehr zurückhaltend" gegenübersteht.
  7. Landtag Baden-Württemberg, Antrag der Fraktion GRÜNE und der Fraktion der CDU "Mögliche Konsequenzen der Gründung eines Stadtkreises Reutlingen für die Stadt und den Landkreis, Drucksache 16/5410 vom 14.12.2018 (pdf-Format, 2 Seiten)
  8. Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Urteil vom 17.02.2020, Az. 1 VB 11/19; siehe auch Süddeutsche Zeitung, Verfassungsgerichtshof vereitelt Reutlinger Stadtkreis-Pläne, 18.02.2020