Straßenausbaubeiträge in Niedersachsen

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Zur Definition von Straßenausbaubeiträgen und den Grundlagen siehe: Straßenausbaubeitrag

Seit 2017: Wiederkehrende Straßenausbaubeiträge möglich[Bearbeiten]

Im niedersächsischen Kommunalabgabengesetz (KAG) sind Straßenausbaubeiträge in $ 6 in Form einer Kann-Bestimmung enthalten. Auch in Niedersachsen stehen - wie in anderen Bundesländern - Straßenausbaubeiträge schon länger in der Kritik.[1] Dem versuchte der Landtag zu begegnen, indem er im April 2017 das KAG durch einen neuen §6c ergänzte. Danach können Straßenausbaubeiträge in Niedersachsen auch als wiederkehrende Beiträge erhoben werden.[2] Weiterhin ermöglicht seitdem der §6b den Kommunen, Erleichterungen in ihren Satzungen zu gewähren, insbesondere Ratenzahlung über bis zu 20 Jahre. Eine weitere Novelle im Oktober 2019 erlaubte im selben Paragraphen zusätzliche Erleichterungen wie die Verringerung des beitragsfähigen Aufwandes, die Anrechnung von Zuschüssen Dritter oder Sonderregelungen für Eckgrundstücke.[3]

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Debatte geht weiter[Bearbeiten]

Diese Änderung, die auch vom Städte- und Gemeindebund befürwortet wurde, sorgte jedoch nicht für ein Ende der Debatte. Kaum eine Kommune machte von der neuen Möglichkeit Gebrauch.[4] Im Sommer 2018 verlangte die FDP-Fraktion im Landtag eine Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Auch ein Bündnis aus Verbänden, darunter der Bund der Steuerzahler, Haus & Grund, Deutscher Mieterbund, der Verband Wohneigentum und das Landvolk Niedersachsen, streitet für die Abschaffung.[5] Bis jetzt (Stand Ende 2020) hat sich die Rechtslage jedoch nicht geändert.

Im Herbst 2020 veröffentlichte der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund die Ergebnisse einer Umfrage unter den Kommunen. 269 Kommunen hatten geantwortet, die Mehrzahl davon erhebt Straßenausbaubeiträge. Über eine Abschaffung wird in den meisten diskutiert, die Mehrzahl der Verwaltungen hält eine Abschaffung jedoch für unwahrscheinlich. Knapp die Hälfte hat von den 2017 ins Gesetz aufgenommenen Neugestaltungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht oder beabsichtigt dies. Nur eine Kommune gab an, wiederkehrende Straßenbaubeiträge eingeführt zu haben, weitere 5 planen dies.[6]

Da die Erhebung der Beiträge in Niedersachsen eine Kann-Bestimmung ist, erheben viele Gemeinden keine Straßenausbaubeiträge. Nach einer Recherche des NDR vom Sommer 2022 tun dies noch 43% der Kommunen. Für Protest sorgt auch, dass die Bescheide teilweise erst Jahre nach Ende der Baumaßnahmen versandt werden.[7]

OVG Lüneburg: Wiederkehrende Beiträge verfassungsgemäß[Bearbeiten]

In seinem Urteil vom 16.12.2020[8] stellt das Oberverwaltungsgericht Lüneburg klar, dass wiederkehrende Straßenausbaubeiträge in Niedersachsen prinzipiell verfassungsgemäß sind. Das Gericht hatte über die Satzung der Stadt Springe über die Erhebung von wiederkehrenden Beiträgen für straßenbauliche Maßnahmen vom 21.06.2018[9] zu entscheiden. Zwar erklärte es die Satzung für unwirksam, jedoch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen. So seien die Abrechnungseinheiten nicht rechtsverbindlich festgelegt und im entsprechenden Plan nicht hinreichend bestimmt, außerdem habe die Stadt die Höhe des von ihr zu tragenden Investitionsanteils in einer Abrechnungseinheit nicht hinreichend begründet.[10] Die Erhebung wiederkehrender Straßenausbaubeiträge sei jedoch in Niedersachsen grundsätzlich verfassungsgemäß, auch ein Nebeneinander von einmaligen und wiederkehrenden Beiträgen in derselben Kommune sei nicht zu beanstanden.

Bund der Steuerzahler: 2021 neue Initiative zur Abschaffung[Bearbeiten]

Im April 2021 forderte der Bund der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen (BdSt) erneut die Abschaffung der Straßenbaubeiträge. Er legte eine Dokumentation vor, die wiederum auf einer Erhebung des Niedersächsischen Bündnis gegen Straßenausbaubeiträge beruht. Danach erhoben im Jahr 2020 407 der 942 Gemeinden in Niedersachsen keine Straßenausbaubeiträge, das sind rund 43%. Der BdSt befragte ergänzend die Gemeinden, die Beiträge erhoben, nach dem Erhebungsverfahren, um zu erfahren, wie viele Gemeinden von den Erleichterungen, die das neue Gesetz ermöglicht, Gebrauch machen. Knapp die Hälfte der befragten Kommunen (259 von 535, ca. 48%) beantworteten die Fragen. Danach hatten zum Befragungszeitpunkt nur gut 28% der antwortenden Gemeinden von Erleichterungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht, teilweise aber nur von solchen, die auch vor der Novelle bereits möglich waren. Weitere 21% planten die Einführung von Erleichterungen, 11% hatten dies eventuell vor.

Wiederkehrende Straßenausbaubeiträge sind nach Ansicht des BdSt zwar geeignet, "die punktuelle Belastung der einzelnen Grundstückseigentümer durch die Streckung der Beitragslast auf ein erträglicheres Maß zu reduzieren," doch seien sie auch nach drei Jahren immer noch Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen. Vor allem die Festlegung der Abrechnungseinheiten bleibe problematisch. "Als echte und praktische Alternative für die niedersächsischen Kommunen scheiden wiederkehrende Beiträge derzeit aus", so der BdSt. Von den gesetzlich möglichen Erleichterungen machten die Gemeinden überwiegend in einer Form Gebrauch, die die Einnahmen der Kommunen und damit die Belastung der Grundstückseigentümer*innen nur geringfügig verminderten. "Eine zufriedenstellende Lösung kann nach Ansicht des Bundes der Steuerzahler nur durch eine vollständige Abschaffung der Straßenausbaubeiträge auf Landesebene erfolgen."[11] Die FDP im Landtag griff dies umgehend auf und verlangte ebenfalls die Abschaffung der Beiträge; als Ersatz solle das Land den Kommunen zusätzliche Finanzmittel in Höhe von 50 Mio. € zur Verfügung stellen.[12]

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Neue Osnabrücker Zeitung, Straßenausbau: Anwohnerbeiträge sorgen für reichlich Krach, 26.07.2015
  2. kreiszeitung.de: Kommunen sollen Straßenausbau-Pauschale von Bürgern erheben dürfen, 28.02.2017; NWZ online: Straßenausbau – Kommunen können Pauschale verlangen, 02.03.2020
  3. Details siehe: Bund der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen: Straßenausbaubeiträge in Niedersachsen - Eine Bestandsaufnahme im Frühjahr 2021, April 2021 (pdf-Format, 15 Seiten), S. 7-9
  4. Beispiel Braunschweig: regionalBraunschweig.de, Braunschweig verzichtet nicht auf Straßenausbaubeiträge, 04.06.2020
  5. Niedersächsisches Bündnis gegen Straßenausbaubeiträge, gegründet im Sommer 2018, siehe auch: Neue Presse: Kommunen kassieren von Anliegern Millionen für Straßenausbau, 22.08.2018; topagraronline: Streit um Straßenausbaugebühren für Privatpersonen, 08.06.2019; Süddeutsche Zeitung: Trotz Reform: Kritik an Straßenausbaubeiträgen, 29.02.2020
  6. Siehe Die Umfrageergebnisse im Detail
  7. NDR, Straßenausbau: Viele Städte bitten weiter zur Kasse, 01.09.2022, mit Karte, die zeigt, wo Beiträge erhoben werden
  8. OVG Lüneburg, Urteil vom 16.12.2020, Aktenzeichen: 9 KN 160/18. Vgl. auch die Pressemitteilung des Gerichts vom 17.12.2020.
  9. Im Volltext: Stadt Springe, Satzung der Stadt Springe über die Erhebung von wiederkehrenden Beiträgen für straßenbauliche Maßnahmen vom 21.06.2018 (pdf-Format, 12 Seiten)
  10. Auch für Hessen entschied der dortige VGH, dass nicht hinreichend genau bestimmte Grenzen der Abrechnungsgebiete zur Unwirksamkeit einer entsprechenden Satzung führen; siehe dazu den Abschnitt VGH: Abrechnungsgebiete müssen genau bestimmt sein im Artikel Straßenausbaubeiträge in Hessen.
  11. Bund der Steuerzahler Niedersachsen und Bremen: Straßenausbaubeiträge in Niedersachsen - Eine Bestandsaufnahme im Frühjahr 2021, April 2021 (pdf-Format, 15 Seiten; das Papier enthält auch eine Übersicht über die Situation in anderen Bundesländern und eine Chronologie der Entwicklung in Niedersachsen. Siehe auch Celle heute, Bund der Steuerzahler fordert Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, 25.04.2021
  12. Zeit, FDP mobilisiert erneut gegen Straßenausbaubeiträge, 29.04.2021. Die vorgeschlagene Lösung ähnelt damit der Regelung in Brandenburg.

Siehe auch[Bearbeiten]