Wettbürosteuer

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Eine Wettbürosteuer ist eine besondere Form der Vergnügungsteuer, durch die Einrichtungen zur Annahme von Pferde- und anderen Sportwetten besteuert werden. Als erste Kommune in Deutschland hatte mit Wirkung vom 01.08.2014 die Stadt Hagen eine Wettbürosteuer eingeführt. Hauptzweck war, die Zahl der Wettbüros in der Innenstadt einzudämmen.

Regelungen im Detail[Bearbeiten]

Besteuert wird in Hagen das " Vermitteln oder Veranstalten von Pferdewetten und Sportwetten in Einrichtungen, die neben der Annahme von Wettscheinen auch das Mitverfolgen der Wettergebnisse ermöglichen (Wettbüros)". Bemessungsgrundlage war dabei die Fläche der Wettbüros. Je 20 m² Fläche werden 200 € monatlich fällig. Diese Bemessungsgrundlage wurde jedoch später vom Bundesverwaltungsgericht verworfen (s.u.).

Das Land hat die neue Steuer genehmigt, nachdem die Stadt Hagen die Steuerpflichtigen klarer definiert und den ursprünglichen Satzungsentwurf entsprechend geändert hatte. Danach führten weitere Kommunen, beispielsweise Dortmund und Hamm, ebenfalls eine Wettbürosteuer nach Hagener Vorbild ein.

Pro und Contra[Bearbeiten]

Begründet wird die kommunale Wettbürosteuer zumeist nicht mit den möglichen Einnahmen der Kommunen, sondern mit dem Ziel, die Ausbreitung von Wettbüros einzudämmen. Eine Ballung von Wettbüros kann die Entwicklung eines Stadtviertels negativ beeinflussen. Wettbüros stehen zudem in dem Ruf, durch das Mitverfolgen der Rennen über Monitore der Spielsucht Vorschub zu leisten. Aus naheliegenden Gründen wird die Steuer von der Glücksspielbranche bekämpft. Dabei wird auch das Argument ins Feld geführt, durch Wettbüros vor Ort seien die Spieler ansprechbar, die Kommune könne also der Spielsucht entgegenwirken. Ohne die Wettbüros würden die Wetten noch stärker ins Internet verlagert (wo allerdings schon heute der Großteil des Glücksspiels stattfindet), die Spielsucht wäre damit weniger kontrollierbar.[1]

Rechtliche Auseinandersetzung[Bearbeiten]

Der Deutsche Sportwettenverband (DSWV) hat sich energisch gegen eine örtliche Wettbürosteuer gewandt und argumentiert mit einem Gutachten[2], wonach die neue Steuer verfassungswidrig sei. Hauptargument: Seit 2012 würden Sportwetten auch auf Bundesebene (§ 17 Abs. 2 Rennwett- und Lotteriegesetz) besteuert. Auch wenn hier die Bemessungsgrundlage der Umsatz ist, handele es sich um eine verbotene Doppelbesteuerung.[3]

Nachdem die Stadt Dortmund dem Beispiel Hagens noch 2014 folgte, klagten drei Wettbüros. Im Juni 2017 urteilte hierüber (nach zwei Vorinstanzen) das Bundesverwaltungsgericht. Grundsätzlich ist danach eine Wettbürosteuer zulässig; sie steht auch nicht im Widerspruch zur 2012 eingeführten Sportwettensteuer des Bundes. Jedoch dürfen Wettbüros nicht - wie in Dortmund vorgesehen - nach der Fläche besteuert werden. Das Gericht schlägt vor, den tatsächlichen Wetteinsatz zur Besteuerungsgrundlage zu machen.[4] Das Urteil könnte - neben Hagen - auch für die Stadt Hamm Folgen haben, die ebenfalls eine Wettbürosteuer nach dem Flächenschlüssel erhebt.[5]

Im März 2019 legte der DSWV ein weiteres, von ihm beauftragtes Gutachten vor, das ebenfalls die Verfassungskonformität der Wettbürosteuer bezweifelt. Professor Gregor Kirchhof, Direktor des Instituts für Wirtschafts- und Steuerrecht an der Universität Augsburg, argumentiert in dem Gutachten wiederum mit dem Gleichartigkeitsverbot: „Die Sportwettsteuer und die Wettbürosteuer schöpfen damit aus derselben Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, sind in der Bemessungsgrundlage, im Belastungsgrund, in der Erhebungstechnik und der grundrechtlichen Zahlungsbetroffenheit gleichartig. Die Wettbürosteuer verletzt in der gegenwärtigen Bemessung nach dem Brutto-Wetteinsatz das Gleichartigkeitsverbot und damit das Grundgesetz.” Zudem verliere die Wettbürosteuer, wenn sie in einem Bundesland nahezu flächendeckend erhoben werde, ihren örtlichen Charakter und falle damit nicht mehr in die Kompetenz der Kommunen. Kirchhof empfiehlt, nach dem Vorbild Bayerns die Wettbürosteuer durch Landesrecht abzuschaffen und den Kommunen einen Ausgleich dafür zu gewähren. Die beabsichtigte Lenkungswirkung der Steuer fiele damit allerdings weg.[6]

VG Koblenz: Wettbürosteuer ist zulässig[Bearbeiten]

Das Verwaltungsgericht Koblenz hat mit Urteil von 26. Januar 2021[7] eine kommunale Wettbürosteuer als zulässig angesehen. Die Betreiberin von zwei Wettbüros hatte geklagt und argumentiert, die Wettbürosteuersatzung der Stadt[8] sei verfassungswidrig. Nach dem Grundgesetz dürfe eine kommunale Aufwandsteuer – um eine solche handele es sich hier – nicht erhoben werden, wenn sie mit einer bundesgesetzlich geregelten Steuer gleichartig sei. Dies sei hier der Fall: Sie habe bereits eine Sportwettensteuer in Höhe von 5 Prozent des Wetteinsatzes zu zahlen; diese sei der Wettbürosteuer gleichartig. Diese Gleichartigkeit verneint das VG Koblenz.

Das Verwaltungsgericht weist in seinem Urteil ausdrücklich darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht die Frage, wann Steuern als gleichartig anzusehen sind, bisher offen gelasse habe.[9] Hingegen hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu Kriterien benannt, auf die sich das VG Koblenz stützt.[10] Zwar weisen beide Steuern gewissen Ähnlichkeiten auf, doch würden unterschiedliche Steuerschuldner belastet (bei der Sportwettensteuer der Veranstalter, bei der Wettbürosteuer der Betreiber des Wettbüros, der die Wetten lediglich vermittelt) sowie weitere Personen. Besonders bedeutsam sei, so das Gericht, die unterschiedliche Zielsetzung der Steuer: Die Sportwettensteuer sei eine angepasste Form der Umsatzsteuer, die Wettbürosteuer hingegen eine kommunale Vergnügungsteuer. Sie erfasse nur Wetten, die in einem Wettbüro abgegeben werden, wo die Sportereignisse auf Monitoren mitverfolgt werden können. Sie verfolge damit auch Lenkungszwecke, denn von Wettbüros ginge eine erhöhte Suchtgefahr aus. Eine Ausbreitung von weiteren Wettbüros solle durch die Einführung der Steuer zumindest eingedämmt werden. Online-Wetten beispielsweise würden von der Wettbürosteuer nicht erfasst, diese haben aber den größten Anteil an den allgemein abgegebenen Sportwetten.[11]

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; die Berufung beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz ist möglich.

In Bayern nicht erlaubt[Bearbeiten]

In Bayern sind kommunale Vergnügungsteuern und damit auch eine Wettbürosteuer aufgrund Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG) ebenso wie einige andere Kommunalsteuern nicht zulässig; dies gilt seit 1979.[12]

Auch hessische Städte führen Steuer auf Wetteinsätze ein[Bearbeiten]

Die Stadt Offenbach (Hessen) hat ebenfalls eine Wettaufwandsteuer (Steuer auf Wetteinsätze) eingeführt, die von Wettbüros abzuführen ist. Seit dem 01.07.2018 werden die Wetteinsätze mit 3% besteuert. Die Kommune erwartete bei der Einführung jährliche Einnahmen von 260.000 €. Zum Juni 2018 plante auch Hanau eine solche Steuer, ebenfalls im Sommer 2018 Frankfurt am Main.[13]

Die Wettbürosteuer in weiteren Städten[Bearbeiten]

Neben Städten wie Hagen und Offenbach gibt es auch noch andere Gemeinden, welche die Wettbürosteuer eingeführt haben. Dazu zählen Bremerhaven, die Stadt Rheine, Plochingen und als letzte seit dem 13. November 2018 die Stadt Freiburg i. Br. in Baden-Württemberg.[14]

NRW: Wettbürosteuer etabliert[Bearbeiten]

Nach der Haushaltsumfrage 2022 des Städte- und Gemeindebundes NRW erheben von 361 befragten Mitgliedskommunen 75 eine Wettbürosteuer.[15]

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. siehe KOMMUNAL, Glücksspiel: Wichtiges Urteil für Kommunen zur Vergnügungssteuer, 19.02.2021 (am Ende des Artikels)
  2. zur Argumentation vgl. Dieter Birk, Wettbürosteuer: Gemeinden wollen vom Wettvergnügen profitieren, Blog-Eintrag vom 18.11.2014
  3. Siehe hierzu auch: Prof. Dr. Dieter Birk, „Ich kann den Kommunen nur abraten, eine Wettbürosteuer zu erheben“, Interview (mit Film) auf der Seite des Deutschen Sportwettenverbands.
  4. Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 29.06.2017, Az. 9 C 7.16, 9 C 8/16, 9 C 9/16; siehe auch Pressemitteilung des Gerichts vom 29.06.2017 sowie beck-online, Klagen gegen Wettbürosteuer in Nordrhein-Westfalen erfolglos, 28.08.2020
  5. WA: Wettbürosteuer: Der Stadt Hamm drohen Einnahmeverluste, 29.07.2017
  6. Das Gutachten: Prof. Dr. Gregor Kirchhof, LL. M., Die verfassungsgeforderte Neubemessung der Wettbürosteuern, Gutachten im Auftrag des Deutschen Sportwettenverbandes e. V., März 2019 (pdf-Format, 76 Seiten); siehe auch die Pressemitteilung des DSW: Wettbürosteuer verfassungswidrig, 27.03.2019
  7. VG Koblenz, Urteil vom 26.01.2021, Aktenzeichen 5 K 374/20.KO (pdf-Format, 26 Seiten); siehe dazu auch die Pressemitteilung Nr. 8/2021 des Gerichts vom 17.02.2021: Stadt Koblenz darf Wettbürosteuer erheben; SWR aktuell, Stadt Koblenz darf Wettbürosteuer erheben, 17.02.2021; KOMMUNAL, Glücksspiel: Wichtiges Urteil für Kommunen zur Vergnügungssteuer, 19.02.2021
  8. Siehe Satzung der Stadt Koblenz über die Erhebung einer Wettbürosteuer - Wettbürosteuersatzung (WbStS) - vom 29.03.2019 (pdf-Format, 3 Seiten)
  9. Siehe Urteil. S. 12
  10. Siehe die Nachweise im Urteil. S. 13
  11. Als Beleg verweist das Gericht auf den Gesetzentwurf, Bundestags-Drucksache 17/8494 vom 25.01.2021, S. 10
  12. Siehe dazu: Bayerischer Landtag, Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Thomas Mütze (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Antwort der Landesregierung, Drucksache 17/21738 vom 03.09.2018
  13. focus, Offenbach besteuert Wetteinsätze, 08.02.2018
  14. Winner Report: Die Wettbürosteuer: Definition und Beispiele, 20.01.2023, siehe Abschnitt "Diese Städte haben die Wettbürosteuer noch eingeführt"
  15. Städte- und Gemeindebund NRW: Entwicklung der kommunalen Aufwandsteuern, Teil 2 der Haushaltsumfrage 2022, April 2022; darin auch Ausführungen über jüngere Urteile und noch nicht geklärte Rechtsfragen.

Weblinks[Bearbeiten]