Die "Dresdner Forderungen" zur Digitalisierung

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Die Digitalisierung der Verwaltung, insbesondere der Dienstleistungen für die Bürger*innen, geht viel zu langsam voran - darin sind sich nahezu alle Studien und Rankings einig. Die Ziele des Onlinezugangsgesetzes, bis Ende 2022 575 Verwaltungsleistungen (die Mehrzahl davon kommunal) elektronisch über einen gemeinsamen Portalverbund von Bund, Ländern und Kommunen verfügbar zu machen, werden weit verfehlt.[1] Als Ursachen werden neben unzureichenden Ressourcen, u.a. fehlendem Fachpersonal in vielen Kommunen, auch der dezentrale, dreistufige Verwaltungsaufbau in Deutschland genannt. Viele Kommunen entwickeln ähnliche Lösungen nebeneinander her, die dann oft nicht überall übertragbar sind. Auch die Förderpolitik trägt dazu bei, die nach Ansicht des Deutschen Städtetags viel zu oft noch auf "Leuchttürme" statt auf ein "Lichtermeer" zielt.[2]

Abschied von der Dezentralität[Bearbeiten]

Auf diese Situation reagieren die Dresdner Forderungen, die von Vertreter*innen mehrerer Städte und des Deutschen Städtetages[3] auf dem Fachkongress des IT-Planungsrats am 17./18.03.2021 vorgestellt wurden.[4] Kerngedanke ist: Es gibt viele kommunale Leistungen, die als Pflichtaufgaben bis ins Detail vorgegeben sind; Beispiele dafür sind die Ausstellung von Personalausweisen oder die Kfz-An- und -Ummeldung. Es ist weder effektiv noch effizient, wenn einzelne Kommunen hierfür eigene Lösungen entwickeln, gar Ausschreibungen starten oder auch versuchen, Modellprojekte anderer Kommunen jeweils individuell auf ihre IT-Landschaft zu übertragen. Die Digitalisierung von Dienstleistungen, die Pflichtaufgaben darstellen, soll von der Ebene geleistet werden, die diese Aufgabe definiert hat, also von Bund oder Land - das ist die wichtigste Aussage der Dresdner Forderungen.

Die Forderungen im Detail[Bearbeiten]

Zusammengefasst lauten die Dresdner Forderungen:

  • Verringerung der Komplexität in den Verantwortlichkeiten: Neue Wege der Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen finden. Die Digitalisierung von Pflichtaufgaben soll dort geschehen, wo die Aufgabe gesetzlich definiert wurde.
  • Die Kommunen sollen sich auf ihre Kernkompetenzen besinnen und dort aktiv werden, wo sie Gestaltungspotenzial haben: Soziales, Kultur, Sport, Beteiligung, Beratungsleistungen und Stärkung der lokalen Demokratie.
  • Zentrale Verfahren und Prozesse für zentrale Aufgaben: IT-Prozesse zentral bereitstellen, Datenschutz, Datensicherheit und Schnittstellen zentral klären, Fachverfahren vereinfachen und zentral ausschreiben.
  • Auf durchgängige Digitalisierung der Verwaltung setzen: Nicht nur die Schnittstelle zur Bürger*in, auch die dahinterliegenden Verfahren müssen digital werden.
  • Nutzer*innen in den Mittelpunkt: Ziel ist die einfache, barrierefreie Nutzung.

Mit diesen Aussagen können die Dresdner Forderungen durchaus als Paradigmenwechsel gesehen werden. Es ist nicht selbstverständlich, dass ausgerechnet von der kommunalen Ebene die Forderung nach stärkerer Zentralisierung artikuliert wird. Denn wenn die digitalen Lösungen für kommunale Leistungen einheitlich vom Bund oder (seltener) von den Ländern kommen, werden darsus implizit auch Vorgaben für die Organisation in den Kommunen folgen. Die Kommunen würden so auch einen (wohl eher geringen) Teil ihrer Organisationshoheit opfern.

Kein Konsens[Bearbeiten]

Die Dresdner Forderungen sind unter den kommunalen Spitzenverbänden keineswegs Konsens. Auch der Deutsche Städtetag macht sie sich nicht komplett zu eigen, sondern bezeichnet sie als "eine geeignete Grundlage für die weitere Beschäftigung mit dem Thema" und treibt die Diskussion darum in Zusammenarbeit mit der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) voran.[5] Der Deutsche Landkreistag spricht sich ausdrücklich gegen eine "Aufgabenrückübertragung" an den Bund in Sachen Digitalisierung aus,[6] beim Deutschen Städte- und Gemeindebund ist keine Positionierung zu den Dresdner Forderungen erkennbar. Auch wenn sich die kommunale Seite einig wäre, ist fraglich, ob Bund und Länder die Aufforderung annehmen, die Digitalisierung bestimmter kommunaler Dienstleistungen komplett in die eigenen Hände zu nehmen. Die Dresdner Forderungen sind daher eher als ein neuer Diskussionsbeitrag zu sehen; ein echter Schub für die Digitalisierung kommunaler Dienstleistungen geht von ihnen vorerst nicht aus.

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Im Oktober 2022 waren laut dem Dashboard Digitale Verwaltung 106 Leistungen in mindestens einer Kommune digital verfügbar und hatten mindestens den Reifegrad 2. Weitere 187 Leistungen befanden sich in der Umsetzung, 58 in der Planung und bei mehr als 200 war damit noch nicht begonnen worden. Der jeweils monatsaktuelle Stand kann beim Dashboard eingesehen werden. Zum Begriff "Reifegrad" siehe Bundesinnenministerium: Reifegradmodell.
  2. Deutscher Städtetag: „Lichtermeer statt Leuchttürme“, Positionspapier, 23. Juni 2022 (pdf-Format, 7 Seiten)
  3. Peter Adelskamp, Stadt Essen, Dr. Uda Bastians, Deutscher Städtetag, Tanja Krins und Sabine Möwes, Stadt Köln, Dr. Christian Aegerter, Stadt Leipzig, Wolfgang Glock, Landeshauptstadt München und Bernd Mutter, Stadt Freiburg
  4. Die Forderungen sind als eigenständiges Dokument nicht verfügbar; siehe die Präsentation der genannten Autor*innen für den Fachkongress: Kommunalverwaltung weiterdenken. Perspektiven über das OZG hinaus (pdf-Format, 26 Seiten, ab Folie 18)
  5. Deutscher Städtetag: Forderungen für die digitale Verwaltung von morgen, Beschluss des Präsidiums des Deutschen Städtetages, 30.06.2021; Hanna Sommer (Deutscher Städtetag) und Anika Krellmann (KGSt): Dresdner Forderungen: Das System neu justieren, in: Kommune21, 05.07.2021)
  6. Deutscher Landkreistag: Verbesserte gemeindliche und kreisliche Steuerausstattung statt Förderprogramme - Bewertung des Koalitionsvertrages von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Freien Demokraten, Januar 2022 (pdf-Format, 32 Seiten, hier: S. 16 letzter Absatz)

Siehe auch[Bearbeiten]