Grundwasseratlas

Aus KommunalWiki

Der Klimawandel hat in den meisten Regionen Deutschlands zu sinkenden Regenmengen und damit auch zu sinkenden Grundwasserpegeln geführt. Daraus können sich Probleme für die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser, aber auch für die Landwirtschaft ergeben. Aufschluss über die Situation vor Ort gibt jetzt der Grundwasseratlas der Recherche-Plattform Correctiv.[1] Wo Grundwasserstände sinken, sollten die Behörden vorsorgen.

Ergebnisse[Bearbeiten]

Die Recherche-Plattform "Correctiv" hat die Daten von rund 6.700 Messstellen in Deutschland analysiert und in Form einer interaktiven Karte aufbereitet. Damit kann für jede Messstelle abgelesen werden, ob der Grundwasserpegel dort langfristig gesehen steigt, gleich bleibt oder fällt. Als "stark steigend" oder "stark fallend" werden dabei Änderungen im langfristigen Trend von mehr als 1% jährlich eingeordnet. Die Daten zeigen die Entwicklung von 1990 bis 2021. Dabei werden für jede einzelne Messstelle beim Überfahren mit der Maus die Messdaten dieser gut drei Jahrzehnte als Kurve dargestellt. Die Karte kann auch nach Orten und teilweise sogar nach den Adressen der Messstellen durchsucht werden.

Die Recherche-Gruppe nennt die Ergebnisse erschreckend. Insgesamt ist in Deutschland im betrachteten Zeitraum der Grundwasserstand häufiger gesunken als gestiegen. In den vergangenen Jahren hat sich dies enorm verstärkt: Fast die Hälfte der Messstellen zeigt in den Dürrejahren 2018-2021 die tiefsten Messwerte. Am stärksten konzentrieren sich Messstellen mit fallenden Grundwasserständen Norddeutschland sowie in Nordrhein-Westfalen (NRW), Thüringen und Bayern. Für auffällig schnell sinkende Pegel ist oft die örtliche Industrie verantwortlich, nicht selten Tagebaue, aber natürliche spielen auch die Trinkwasserentnahme und die Grundwasserneubildung eine wichtige Rolle.

Schwierige Datenerhebung[Bearbeiten]

Für die Recherche stellte sich die Datenerhebung als aufwändig heraus. Eine einheitliche Datenerfassung zum Grundwasser gibt es weder beim Bund noch in den Ländern. Correctiv brauchte Monate, um Daten zu sammeln, die verstreut in örtlichen Behörden lagen, in komplizierten Online-Tools oder nicht öffentlichen Datenbanken abgespeichert waren. Einige Anfragen wurden erst nach Monaten beantwortet. Die Daten aus dem Saarland, aus Bremen und Hamburg waren für die Analyse nicht ausreichend, doch auch aus einigen Kreisen anderer Bundesländer liegen keine ausreichenden Daten vor.

Nach Aussage der Europäischen Umweltagentur sollten alle EU-Mitgliedstaaten nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie die verfügbare Menge an Grundwasser erfassen. Dazu gibt es in Deutschland jedoch bislang keine gesetzliche Grundlage. Daher fehlt auch der Nationalen Wasserstrategie eine entsprechende Datengrundlage. Im Unterschied zu Privathaushalten werden Industriebetriebe bislang auch nicht zum Wassersparen angehalten: „Auf Bundesebene werden aktuell keine Gespräche zu Einsparzielen mit der Industrie bzw. dem verarbeitenden Gewerbe geführt“, erfuhr Correctiv vom Bundesumweltministerium.

Hydrologie: Deutschland verliert Wasser[Bearbeiten]

Die Ergebnisse des Rechercheprojekts passen zu einem Befund von Hydrolog*innen des des Geoforschungszentrums Potsdam (GFZ), der Anfang 2023 in der Fachzeitschrift Hydrologie & Wasserbewirtschaftung veröffentlicht wurde.[2] Danach hat Deutschland im Zeitraum von Ende 2002 bis Ende 2021 im jährlichen Durchschnitt 760 Mio. t Wasser verloren; das sind im betrachteten Gesamtzeitraum ca. 15,2 Kubikkilometer (Gigatonnen), eine Zahl die knapp einem Jahresverbrauch durch menschliche Aktivitäten (Industrie, Landwirtschaft, Privathaushalte) heranreicht (ca. 20 Kubikkilometer) oder etwa dem Fünffachen des Starnberger Sees entspricht. Der Verlust setzt sich zusammen aus Dürren, abnehmender Bodenfeuchte, schwindendem Grundwasser, abgeschmolzenen Gletschern und gesunkener Wasserspiegel von Flüssen und Seen. Um den Verlust anschaulicher zu machen: Pro Quadratkilometer gingen jährlich gut 2.000 t, pro Quadratmeter 2 Liter verloren. Die Forschenden weisen darauf hin, dass der betrachtete Zeitraum zu kurz ist, um daraus einen langfristigen Trend abzuleiten. Das Ergebnis hängt stark von der Wahl des Anfangs- und Endzeitpunktes ab. So war das Jahr 2002 sehr regenreich, der Bestand an Wasser also zu Beginn des betrachteten Zeitraums besonders hoch; zudem waren die Jahre 2018 und 2019 extrem regenarm. Dennoch lässt sich auch aus diesen Ergebnissen folgern, dass Vorsorge gegen Wassermangel in vielen teilen Deutschlands angebracht ist. Die Forschenden sahen in den vergangenen fünf Jahren einen stärkeren Rückgang als in der Zeit davor. Um das Sinken des Grundwasserspiegels aufzuhalten, sei ein regenreiches Jahr wie 2021 nicht ausreichend; notwendig sei, die Entnahme durch die menschliche Wassergewinnung zu reduzieren und die Versickerung zu stärken.

Daten aus Bayern weisen in dieselbe Richtung[Bearbeiten]

Aktuelle Angaben im Niedrigwasser-Informationsdienst des Bayerischen Landesamtes für Umwelt gehen in die gleiche Richtung. In Südbayern weist nach geringen Niederschlägen im Winter über die Hälfte der Messstellen niedrige oder sehr niedrige Grundwasserstände auf (Stand: März 2023). Der Landtagsabgeordnete und Kreisrat im Landkreis München, Markus Büchler (Grüne) bezeichnet die Lage als "dramatisch". Die Landtagsabgeordnete und Kreisrätin Claudia Köhler (Grüne) fordert die Landesregierung auf, einen Aktionsplan zu erstellen, um die Trinkwasserversorgung sicherzustellen. Der für 2024 angekündigte Wassercent solle sofort kommen, weitere Versiegelungen z.B. durch Straßenbau sollten vermieden werden.[3] Sinkende Grundwasserpegel können vielfältige Folgen haben, beispielsweise den dauerhaften Ausfall von Grundwasser nutzenden Wärmepumpen, wie Hausverwaltungen in München-Waldperlach feststellen mussten.[4]

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Annika Joeres, Gesa Steeger, Katarina Huth, Max Donheiser, Simon Wörpel (Correctiv): Wo in Deutschland das Grundwasser sinkt mit interaktiver Karte und ausführlichem Recherche-Bericht
  2. Andreas Güntner, Helena Gerdener, Eva Boergens, Jürgen Kusche, Stefan Kollet, Henryk Dobslaw, Carl Hartick, Ehsan Sharifi & Frank Flechtner: Veränderungen der Wasserspeicherung in Deutschland seit 2002 aus Beobachtungen der Satellitengravimetrie, in: Hydrologie & Wasserbewirtschaftung 2/2023 (pdf-Format, 1 MB, 16 Seiten); siehe auch Zeit, Deutschland verliert im Schnitt 760 Millionen Tonnen Wasser pro Jahr, 04.04.2023; FR, Regen reicht nicht: Deutschland hat 15,2 Milliarden Tonnen Wasser verloren, 08.04.2023
  3. BR: Grundwasser: Tiefstände in Südbayern, 10.03.2023; Merkur, Grundwasserpegel so niedrig wie nie, 17.04.2023
  4. Merkur: „Brauchen schnell eine Alternative“: Sinkender Grundwasserspiegel stellt Münchner Bauträger vor Probleme, 01.06.2023