Kreisfusion in Südniedersachsen
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Der Artikel ist inhaltlich auf dem Stand von April 2013
Angesichts desolater Kreishaushalte und rückläufiger Bevölkerungszahlen wird in Südniedersachsen über eine Fusion der Landkreise Northeim, Osterode und Göttingen gestritten.
Von Jürgen Bartz[1]
Ein munteres Tauziehen[Bearbeiten]
Als 2008 die Grünen in allen beteiligten Kommunen eine Fusion vorschlugen, ernteten sie noch einen parteiübergreifenden Sturm der Empörung. Mittlerweile haben aber alle vier Kommunalparlamente ihre Verwaltungen offiziell mit der Aufnahme von Verhandlungen beauftragt. Es sind vier Parlamente, weil die Stadt Göttingen zwar zum Landkreis Göttingen gehört, durch das sog. Göttingen-Gesetz aber einen landesweit einmaligen Sonderstatus hat. Bis zum 31.3.13 können die drei Kreise beim Land Niedersachsen ihre Fusion zur „Triangel“ beantragen. Die Zeit drängt, denn spätestens 2014 müssen im Landkreis Northeim und in der Stadt Göttingen die Verwaltungsspitzen neu gewählt werden. Bis dahin soll alles in trockenen Tüchern sein.
Wer mit wem?[Bearbeiten]
Seit der Kommunalwahl 2011 gibt es in allen vier Gebietskörperschaften rot-grüne Mehrheiten. Doch das erleichtert beileibe nicht die Verhandlungen. Vor allem in Northeim und Osterode agiert die SPD widersprüchlich und schwer berechenbar. Zunächst liebäugelten die Northeimer Genossen mit dem Landkreis Holzminden. Noch länger dauerte das Tauziehen im Landkreis Osterode, die SPD-Kreistagsmitglieder aus den nördlichen Hochlagen wünschten sich lieber eine Fusion mit dem Kreis Goslar zu einem großen Harzkreis. Nach langen Verhandlungen stimmte der Kreistag am 17. September endlich für die Triangel. Nun brachte auch noch der Northeimer Kreistag die Option einer Fusion nur mit Osterode ohne den Kreis Göttingen ins Spiel.
Gegner: Bürgerinitiativen und Landesregierung[Bearbeiten]
Überall gibt es Bürgerinitiativen gegen die Fusion. Während sie in Göttingen kaum eine Rolle spielen, konnten sie in Osterode[2] einen Bürgerentscheid am Tag der Landtagswahl im Januar 2013 erzwingen. Auf ihrer Seite ist eine wunderliche Parteienkoalition aus CDU, FDP, Linken und freien Wählergruppen, die sich untereinander über mögliche Alternativen alles andere als einig sind. Zudem gibt es in allen Parteien vereinzelt auch einflussreiche Stimmen für den Großkreis. Klar und deutlich gegen die Triangel ist die derzeitige Landesregierung. Innenminister Uwe Schünemann (CDU) präsentierte kürzlich ein Gutachten, das den entstehenden Großkreis kurzerhand für verfassungswidrig erklärte, schon weil die Größe des Kreisgebiets unlösbare Probleme für die demokratische Selbstverwaltung mit sich brächte. Das widerlegt ein Gutachten des Kreises Göttingen, wonach eine Reihe deutlich größerer Landkreise verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind.
Außerdem will die schwarz-gelbe Landesregierung für diese Fusion keine „Hochzeitsprämie“ zahlen, wohl aber, wenn die beiden Kreise Osterode und Goslar zusammengehen.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt[Bearbeiten]
Hinter diesem Gerangel steckt auch die Angst vor anderen politischen Mehrheiten in der neuen Kommune: Ein Großkreis inklusive der Stadt Göttingen dürfte langfristig eine starke rot-grüne Wählerschaft haben. Die von der CDU geforderten Gebietskonstellationen, insbesondere der Harzkreis Goslar-Osterode, hätten trotz starker SPD zumindest eine Aussicht auf ein Mitregieren der CDU.
Ohne eine Fusion hätte Osterode am meisten zu verlieren. Schon heute ist er der Landkreis Deutschlands mit der ältesten Bevölkerung, noch dazu mit enormem Bevölkerungsschwund und rekordverdächtig leeren Kassen. Ohne deutlich höhere Zuwendungen oder starke Fusionspartner steht in wenigen Jahren der finanzielle Kollaps bevor. Entsprechend intensiv wird hier diskutiert. Und während die Osteröder Verwaltung bereits unter hohem Zeitdruck in Kommissionen mit den Nachbarkommunen über Detaillösungen für die zukünftige Organisationsstruktur, Personalplanung und Raumordnung verhandelt, ist in Göttingen und Northeim die Fusionsdebatte in der Öffentlichkeit noch gar nicht recht angekommen. Kein Wunder: Die Fusion wird nicht den großen Wohlstand über die Region bringen, sondern sie kann allenfalls dazu beitragen, die negativen Auswirkungen des zu erwartenden demografischen Wandels deutlich abzumildern.
Quelle: AKP 6/2012
Weitere Entwicklung[Bearbeiten]
Ergänzung von Benjamin Ries, AKP
Der Landkreis Northeim zog sich aus den Verhandlungen zurück[3]. Am 6. März 2013 stimmte der Kreistag des Landkreises Göttingen für eine Fusion mit Osterode.[4] Am 11.3. stimmte auch der Kreistag von Osterode für die Fusion.[5] Somit ist der Weg für die Kreisfusion frei. Der neue Landkreis wird "Landkreis Göttingen" heißen. Das Finanzwesen, die Kommunalaufsicht, das Rechnungsprüfungsamt und das Ordnungsamt mit Sitz des Kreisbrandmeisters werden in Osterode angesiedelt sein. Alle für die Bürger wichtigen Funktionen sollen dezentral vorgehalten werden. Zwei Drittel der Verwaltungsbeschäftigten werden Göttingen zugeteilt, ein Drittel Osterode. Die Fusion wird zum 1. November 2016 vollzogen; bei der Kommunalwahl am 11. September 2016 wird bereits der neue gemeinsame Landrat gewählt.
Fußnoten[Bearbeiten]
- ↑ Jürgen Bartz ist Geschäftsführer der Grünen Stadtratsfraktion Göttingen; in AKP 4/12 schrieb er den Beitrag „Chance einer ‚grünen’ Kommunalisierung: Haste mal ‘ne Viertelmilliarde?“ Mail: grueneratsfraktion@goettingen.de
- ↑ siehe "Für Osterode"
- ↑ Anlauf für Zweier-Fusion: Osterode kritisiert Northeims Ausstieg, HNA v. 15.02.2013
- ↑ Presse-Info des Landkreises Göttingen, 06.03.2013
- ↑ Kreistag Osterode stimmt für Kreisfusion, HNA v. 11.03.2013