Pestizidfreie Kommune

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"Pestizidfreie Kommune" ist ein vom BUND getragenes Projekt, das darauf abzielt, in Kommunen den vollständigen oder weitgehenden Verzicht auf den Einsatz von Pestiziden zu erreichen. Nach Angaben des BUND nehmen derzeit (Stand Juli 2019) über 500 Kommunen teil.[1]

Unterstützung vom BMU[Bearbeiten]

Das Bundesumweltministerium unterstützt die Bemühungen von Kommunen, pestizidfrei zu werden. Anlässlich eines Besuches der Stadt Dachau im Juli 2018 forderte der Parlamentarische Staatssekretär im BMU, Florian Pronold (SPD) die Kommunen zu einer solchen Strategie auf. „Das Verbot von Glyphosat auf städtischen Flächen ist ein erster Schritt hin zu einer umweltfreundlichen Bewirtschaftung“, sagte er. „Die weitgehend pestizidfreie Kommune ist möglich. Dies setzt ein verändertes Denken hinsichtlich des Schönheitsideals einer Stadt, die Bereitschaft zu Verhaltensänderungen und politischen Veränderungswillen voraus. ... Letztlich dürfen wir nicht bei Glyphosat stehenbleiben, wenn wir eine insgesamt umwelt- und naturverträglichen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln erreichen wollen“.[2]

Methodisches Vorgehen[Bearbeiten]

Um in einer Kommune den Einsatz von Pestiziden überflüssig zu machen, werden mehrere Schritte empfohlen:

  • Schon bei der Planung von Wegen und anderen versiegelten Flächen das Thema "Wildkrautbewuchs" berücksichtigen;
  • Ein verändertes "Schönheitsideal" für Straßen, Wege und Plätze; Bewuchs kann häufig toleriert werden;
  • Bei Bedarf mechanische Verfahren wie Mähen, Handarbeit oder spezielle Wildkrautbürstenmaschinen anwenden;
  • Wo dies nicht ausreicht oder nicht anwendbar ist, gibt es thermische Verfahren: neben Abflamm- und Infrarotgeräten auch Maschinen, die mit heißem Schaum oder heißem Dampf arbeiten.

Insgesamt bringt eine enge Abstimmung zwischen Planung, Bau und Pflegeverantwortlichen das größte Pestizid-Einsparpotenzial für Kommunen. Zu bedenken ist, dass ein entsprechender Beschluss sich zunächst nur auf die gemeinde- oder kreiseigenen Flächen bezieht. Auf den Pestizideinsatz in der Landwirtschaft und in privaten Gärten hat die Kommune keinen direkten Einfluss. Sie kann aber beschließen, dass Pachtverträge für kommunales Land nur mit entsprechenden Auflagen neu abgeschlossen werden. Auf jeden Fall muss für den Verzicht auf Pestizide auch bei Privaten geworben werden.[3]

Neben der Vermeidung von Pestiziden empfehlen sich weitere Maßnahmen zum Schutz von Insekten. Hierzu hat der BUND einen Handlungsleitfaden veröffentlicht: Insekten schützen leicht gemacht (Oktober 2019, pdf-Format, 38 Seiten). Auch wo Insekten direkt bekämpft werden müssen, wie beispielsweise der Eichenprozessionsspinner, empfehlen Umweltverbände mechanische Methoden wie Absaugen anstelle von Insektiziden.[4]

Lokale Beispiele[Bearbeiten]

Einige Beispiele von Kommunen, die auf Pestizide ganz oder teilweise verzichten (hier nur eine Auswahl)[5]:

Baden-Württemberg[Bearbeiten]

  • In Tübingen wird schon seit Mitte der 90er Jahre auf Initiative der Verwaltung auf den Einsatz von Pestiziden durch städtische Ämter verzichtet.

Bayern[Bearbeiten]

  • Die Große Kreisstadt Dachau verpachtet seit 2017 Ackerflächen nur noch an Landwirte, die auf bestimmte Pflanzenschutzmittel verzichten. Dies gilt jedoch nur für Neuverpachtungen.[6]
  • Die Gemeinde Markt Feucht in Mittelfranken setzt seit Juli 2018 keine Pestizide mehr ein. Ausnahmen sind bei Gefahr für den Menschen möglich wie z.B. zur Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners. Im benachbarten Altdorf werden schon seit mehreren Jahren keine Pestizide eingesetzt und zusätzlich zum Schutz der Insekten Blühwiesen und -streifen angelegt. Ähnlich ist die Praxis schon länger in Burgthann, Schwarzenbruck und Leinburg, obwohl es dort keine förmlichen Beschlüsse zum Thema gibt.[7]

Brandenburg[Bearbeiten]

  • Auf Antrag von Bündnis 90 / Die Grünen hat sich Vetschau im Spreewald im Oktober 2018 zur pestizidfreien Kommune erklärt. [8]

Niedersachsen[Bearbeiten]

Mecklenburg-Vorpommern[Bearbeiten]

  • Nach Rostock hat jetzt auch Schwerin den Weg zur pestizidfreien Kommune politisch eingeleitet; die entsprechenden Vorschriften sollen bis Ende 2018 in Kraft treten.[11]

Nordrhein-Westfalen[Bearbeiten]

  • Münster hat schon seit 1989 den Pestizideinsatz auf allen städtischen Flächen und den Flächen der Tochtergesellschaften eingestellt.
  • Im Kreis Paderborn verzichten viele Kommunen teilweise oder ganz auf den Einsatz von Pestiziden, der Landkreis selbst verbietet den Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenbehandlungsmittel auch auf den von ihm verpachteten Flächen.[12]
  • Hagen, das sich im Oktober 2020 zur pestizidfreien Kommune erklärte, verzichtet auf kommunalen Flächen auf den Eisatz von chemischen Pestiziden. Bei der Verpachtung kommunaler Flächen für eine landwirtschaftliche Nutzung wird künftig im Pachtvertrag "ein Verbot von Pflanzenschutzmitteln angestrebt". Zudem fordert die Stadt ihre Tochterunternehmen mit kommunaler Mehrheitsbeteiligung zur Bewirtschaftung ohne Pestizide auf und informiert die Bürger*innen über die Bedeutung von Biodiversität.[13]

Rheinland-Pfalz[Bearbeiten]

Der Landesbetrieb Mobilität (LBM) hat zehn Heißschaumgeräte auf Anhängern beispielsweise für Park- und Rastplätze angeschafft. Der 100 °C heiße Schaum soll eine längere Einwirkung der Hitze auf die Pflanzen bewirken als mit Heißdampf möglich wäre. Bad Neuenahr-Ahrweiler verwendet Wildkrautbürsten und Abflammgeräte, stellt dabei aber einen relativ hohen Arbeitsaufwand fest. Bingen verwendet unter anderem ein Wegepflegegerät am Traktor. Mainz setzt ebenfalls auf mechanische Verfahren; Heißdampf habe sich nicht bewährt, da er vor Ort mit Diesel oder Gas erzeugt werden müsse und somit ökologisch nachteilig sei; für tief wurzelnde Pflanzen sei zudem die Einwirkdauer zu gering.[14]

Saarland[Bearbeiten]

  • Saarbrücken verzichtet bereits über 20 Jahre auf Pestizide sowohl auf Kultur- wie auf Nicht-Kulturland. Eine Ausnahme sind Rasensportflächen.

Sachsen[Bearbeiten]

Der BUND Sachsen hat sächsische Kommunen zum Einsatz von Glyphosat und anderen Pestiziden befragt; von 421 angeschriebenen Gemeinden antworteten 314. Die Ergebnisse:

  • 177 arbeiten auf kommunalen Flächen ohne Pestizide;
  • 77 verwenden regelmäßig Glyphosat;
  • 53 haben ihren Pestizideinsatz reduziert und prüfen Alternativen;
  • 41 können einen Einsatz von Pestiziden auf allen kommunalen Flächen ausschließen;
  • 32 konnten ausschließen, dass Pestizide auch auf verpachteten Flächen angewendet würden.

Ein häufiger Grund für den Pestizideinsatz ist die Einsparung von (teuren) Arbeitskräften. Beispiel: Die Große Kreisstadt Aue ließ Grünflächen jahrelang von Hand z.B. von Beschäftigten des zweiten Arbeitsmarktes von Unkraut befreien. Nachdem diese aufgrund der Arbeitsmarktentwicklung nicht mehr zur Verfügung stehen, werden wieder Pestizide eingesetzt. Auch andere Alternativen wie thermische Geräte werden von vielen Kommunen wegen der Kosten und des Energieverbrauchs abgelehnt.

Leipzig hat auf Initiative der grünen Stadtratsfraktion 2015 den schrittweisen Ausstieg aus der Glyphosat-Anwendung beschlossen. Allerdings ist dieser noch nicht am Ziel, es gibt auch keine städtische Öffentlichkeitsarbeit zum Thema.

Ausführlich zu Sachsen[Bearbeiten]

International[Bearbeiten]

  • Im Städtenetzwerk QuattroPole, der grenzüberschreitenden Kooperation der regional benachbarten Städte Luxemburg, Trier, Saarbrücken und Metz, finden Fachexkursionen statt, um anderen Kommunen von den Erfahrungen mit dem Verzicht auf Pestizide zu berichten.

Beschlussvorlage[Bearbeiten]

Der BUND hält einen Musterantrag „Pestizidfreie Kommune“ zum Download bereit, der in die kommunale Politik eingebracht werden kann.

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. BUND: Pestizidfreie Kommunen: Es tut sich was sowie Praktizierter Insektenschutz: BUND feiert bundesweit 500 pestizidfreie Kommunen, Pressemitteilung vom 02.07.2019; siehe auch: Hessenmagazin, Praktizierter Insektenschutz in 500 deutschen Kommunen, 02.07.2019; DEMO, Kommunen engagieren sich gegen das Insektensterben, 12.07.2019
  2. topagrar: BMU-Staatssekretär Pronold fordert pestizidfreie Kommunen, 12.07.2018
  3. Vgl. BR, "Glyphosatfreie" Landkreise – Vorreiter oder Marketing-Gag?, 15.12.2017 zu den Landkreisen Berchtesgadener Land und Miesbach
  4. Donaukurier, Kommunen kämpfen gegen Eichenprozessionsspinner, 13.11.2020
  5. Die Beispiele sind teilweise auf dem Stand von 2016
  6. topagrar: BMU-Staatssekretär Pronold fordert pestizidfreie Kommunen, 12.07.2018
  7. nordbayern, Wildkraut statt Chemie: Kommunen verzichten auf Pestizide, 09.07.2018
  8. LRonline, Vetschau wird pestizidfreie Stadt, 03.10.2018
  9. zu Stadt und Landkreis Rotenburg: kreiszeitung: Kommunen setzen kein Glyphosat mehr ein, 27.12.2017
  10. t-online, Viele Kommunen verzichten auf Unkrautvernichtungsmittel, 05.02.2018
  11. focus: Schwerin will pestizidfrei werden, 13.03.2018; danach wollen auch Bergen, Neustrelitz und Greifswald entsprechende Ziele umsetzen.
  12. Neue Westfälische: Einige Kommunen im Kreis Paderborn nutzen Glyphosat-Alternativen, 06.01.2018
  13. StadtAnzeiger: Artenvielfalt fördern: Hagen wird zur "pestizidfreien Kommune", 02.10.2020
  14. Quelle, auch zu weiteren Gemeinden in Rheinland-Pfalz: ntv, Kommunen bekämpfen Gräser und Kräuter ökologisch, 19.09.2020

Weblinks[Bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten]