Privatisierung

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Privatisierung meint die Überführung einer bislang durch die öffentliche Hand (im vorliegenden Text: durch die Kommune) erfüllten Aufgabe in private Verantwortung. Genauer betrachtet handelt es sich jedoch um einen Sammelbegriff für unterschiedliche Vorgänge.

Formen der Privatisierung[Bearbeiten]

Bei der Privatisierung werden mehrere Formen unterschieden, je nach Sichtweise bis zu sieben.[1]. Hier sollen drei Hauptformen genannt werden:[2]

Materielle Privatisierung[Bearbeiten]

Die materielle Privatisierung oder Aufgabenprivatisierung bezeichnet die umfassendeste Form. Der Staat gibt eine Aufgabe vollständig aus der Hand, übernimmt auch keine Verantwortung mehr dafür, ob und wie diese erfüllt wird, und überlässt sie vollständig Privaten. Sofern er dafür früher Mittel (z.B. Unternehmen) besaß, gibt er auch diese ab, so dass die materielle auch zugleich eine Vermögensprivatisierung darstellt. Beispielsweise hatte der Staat (in Form der staaseigenen Post) bis in die siebziger Jahre hinein die vollständige Verantwortung für das Telefonnetz; hier sind heute ausschließlich Private in Konkurrenz tätig, der Staat hat allenfalls Regulierungsaufgaben (z.B. bezüglich der verwendeten Funkfrequenzen).

Eine vollständige Aufgabenprivatisierung in dem Sinne, dass auch die Aufgabenverantwortung aus der Kommune heraus verlagert wird, ist bei kommunalen Pflichtaufgaben ausgeschlossen. Hier bleibt die Kommune verantwortlich, auch wenn die Aufgabenerledigung Privaten übertragen wird. Beispiele hierfür sind Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung.

Funktionelle Privatisierung[Bearbeiten]

Bei der Funktionellen Privatisierung, als Outsourcing oder Aufgabenteilprivatisierung bezeichnet, behält der Staat die Verantwortung für die Erfüllung der Aufgabe, arbeitet aber in unterschiedlichsten Formen mit Privaten zusammen. Diese bringen z. B. Kompetenzen, Kapital oder Produktionskapazitäten ein, werden im Auftrag des Staates oder als Kooperationspartner/innen tätig. Auch die verschiedenen Modelle öffentlich-privater Partnerschaften gehören in diese Kategorie.

Formelle Privatisierung[Bearbeiten]

Die (zunächst) am wenigsten weitreichende Form ist die formelle Privatisierung oder Organisationsprivatisierung. Dabei wird aus einem Teil der Verwaltung (z.B. Amt, Eigenbetrieb) ein Unternehmen in privater Rechtsform (z.B. Aktiengesellschaft oder GmbH), das jedoch in staatlichem Eigentum bleibt. Für eine solche Rechtsformänderung kann es verschiedene Gründe geben: Effizienteres Wirtschaften durch Anwendung betriebswirtschaftlicher Methoden; Umgehen staatlicher Verschuldungsgrenzen, da sich das Unternehmen eigenständig Kredite beschaffen kann; Umgehen der öffentlichen Tarifsysteme durch privatrechtliche Vergütungsregelungen. Eine formelle Privatisierung kann aber auch ein erster Schritt sein, dem weitere folgen, z. B. die Aufnahme privater Anteilseigner oder die Gründung von Unternehmenstöchtern, die wiederum (Teil-)Aufgaben übernehmen und weiter privatisieren können.

Faktische Privatisierung[Bearbeiten]

Privatisierung umfasst aber noch mehr. Denken wir z. B. an das Schließen von sozialen oder kulturellen Einrichtungen oder deren Angebotsausdünnung (z. B. Bäder, Kitas), dann zählt zur Privatisierung auch, dass öffentliche Aufgaben oder Dienstleistungen gestrichen werden und es dem Markt oder einzelnen Personen überlassen bleibt, ob ein privates Unternehmen die betreffende Dienstleistung anbietet bzw. ob die Aufgabe in "private Netze" verlagert wird. Dies können auch beispielsweise Familienstrukturen sein, wenn öffentliche Angebote zur Pflege oder Kinderbetreuung nicht in ausreichendem Maße oder zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung stehen.

Ein weiterer – im strengen begrifflichen Sinne – zur Privatisierung zu zählender Sachverhalt ist, dass öffentliche Aufgaben nicht an erwerbswirtschaftliche Träger, sondern an soziale, genossenschaftliche oder gemeinnützige Organisationen übergeben werden, die Kommune aber weiterhin für diese Aufgabe gesetzlich verantwortlich bleibt. Man kann den gleichen Vorgang auch positiv formulieren als "Verlagerung von Aufgaben in die Gesellschaft hinein", was GRÜNE – bei Einhaltung bestimmter Bedingungen – programmatisch teilweise anstreben.

Triebkräfte für Privatisierung[Bearbeiten]

Eine wichtige Triebkraft für Privatisierung ist die Finanzschwäche der kommunalen Haushalte. Kommunen versuchen, durch Verkauf ihres "Tafelsilbers" Einnahmen zu erzielen und ihre Verschuldung zu reduzieren. Dies geschah in großem Umfang nach der Wende in den neuen Bundesländern, als die Einnahmeschwäche der ostdeutschen Kommunen und ihre aus DDR-Zeiten übernommene große Personalausstattung diese unter starken finanziellen Druck setzte. Ein prominentes Beispiel ist der Totalverkauf des kommunalen Wohnungsbestandes, durch den die Stadt Dresden sich im Jahr 2006 auf einen Schlag komplett entschuldete.

Unter Gesichtspunkten nachhaltiger Haushaltswirtschaft kann die Privatisierung zu Entschuldungszwecken fragwürdig sein, weil zwar kurzfristig Einnahmen erzielt werden, langfristig jedoch eine mögliche Quelle laufender Erträge wegfällt. Zudem gibt die Kommune möglicherweise wichtige Instrumente für strategisches Handeln aus der Hand.

Eine bedeutsame Rolle spielt auch die Suche meist größerer Unternehmen der Energie-, Abfall- und Wasserwirtschaft nach neuen Anlagesphären; angesichts der Finanzschwäche der Kommunen werden sie in den betreffenden Branchen der Kommunalwirtschaft fündig. Dabei geht es mittelfristig um dreistellige Milliardenbeträge. Gleichzeitig verfolgen sie das Ziel, Machtpositionen zu erringen oder unliebsame Konkurrenten auszuschalten, beides mit erheblichen Folgen für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben.

Den politischen Hintergrund bildet die grundsätzliche Debatte um Entstaatlichung mit dem Ziel, dass der Staat sich mehr aus gesellschaftlichen bzw. wirtschaftlichen Prozessen zurückziehen soll. Dieser Debatte liegt die Kontroverse zwischen der Einstellung, dass der Markt es schon richten werde, und dem Kampf um den "Erhalt der zivilisatorischen Errungenschaften des Sozialstaates" (Bourdieu) zugrunde.

Treibende Kraft dabei ist das allgegenwärtige betriebswirtschaftliche oder auch neoliberale Denken. Für die Kommunalpolitik bedeutet dies, dass die Qualität des öffentlichen Dienstes hauptsächlich danach bemessen wird, wie effizient er organisiert ist. Welche Aufgaben der öffentliche Dienst erfüllt und welche Resultate dies für (unterschiedliche) BürgerInnen hat, tritt zurück.

Argumente gegen Privatisierung[Bearbeiten]

Im folgenden wird nicht auf die besondere Diskussion in einzelnen Aufgabenfeldern eingegangen, sondern nur auf generelle Aspekte.

Ein wichtiges politisches Argument gegen Privatisierung ist die öffentliche Verantwortung zur Erfüllung bestimmter Aufgaben, die eine Schlüsselrolle in ökologischer, sozialer oder anderweitiger Hinsicht einnehmen. Aus der öffentlichen Verantwortung resultiert, dass die Aufgaben transparent erfüllt und demokratisch gesteuert werden müssen. Dies ist natürlich auch bei staatlicher Aufgabenerfüllung nicht automatisch der Fall. Doch ist es wesentlich leichter, staatliches Handeln zum Gegenstand politischer Debatten und Entscheidungen zu machen als das Handeln privater Unternehmen, die vielleicht in staatlichem Auftrag, doch mit wirtschaftlichen Zielen und unter den Regeln des Privatrechts agieren. Privatisierung hat oft zur Folge, dass das Handeln im jeweiligen Aufgabenfeld der politischen Debatte weitgehend entzogen wird.

Ein häufig genanntes Argument für Privatisierung ist, dass private Unternehmen angeblich effizienter und wirtschaftlicher (kostengünstiger) arbeiten als die Verwaltung. Nach den Erfahrungen, die hier mittlerweile vorliegen, muss diese Frage differenziert gesehen werden. Es gibt genügend Beispiele für träge, intransparente und personell mit den Mehrheitsparteien verfilzte Verwaltungen und öffentliche Unternehmen. Doch auch private Unternehmen arbeiten nicht immer effizient und kostengünstig und erst recht nicht transparent. Schon dass sie - im Unterschied zur öffentlichen Hand - neben der Kostendeckung auch einen marktüblichen Gewinn erzielen müssen, damit sich das eingesetzte Kapital rentiert, kann zu vergleichsweise höheren Kosten führen. Dies gilt erst recht, wenn Private ein lokales oder regionales Monopol besitzen, insbesondere bei langer Vertragslaufzeit.

Insofern hängt die Diskussion um Privatisierung eng mit der um Verwaltungsreform zusammen: Je besser es gelingt, Verwaltung und Kommunalwirtschaft transparent, demokratisch legitimiert und zugleich effizient zu gestalten, um so mehr verlieren Argumente für Privatisierung an Boden.

Die Erfahrungen haben zudem gezeigt, dass wichtige Aufgaben beispielsweise im Klimaschutz, in der Stadtentwicklung oder der Sozialpolitik mit kommunalen Eigentum (z. B. Stadtwerke, kommunaler Wohnungsbestand) wesentlich einfacher zu steuern sind.

Privatisierung in einzelnen Aufgabenfeldern[Bearbeiten]

Privatisierung in der Abfallwirtschaft[Bearbeiten]

Die kommunalen Pflichtaufgaben in der Abfallwirtschaft leiten sich aus dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz sowie aus dem jeweiligen Landesrecht her, die Verantwortung hierfür ist nicht auf Private übertragbar; die Kommune kann Private lediglich mit der Aufgabenwahrnehmung beauftragen. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Tätigkeiten in der Entsorgungskette (Sammeln und Transport, Verwertung, Beseitigung) sowie um unterschiedliche Abfallarten (Hausmüll, Verpackungsabfälle, Bioabfall, Papier/Pappe/Karton, Gewerbeabfälle, Sondermüll etc.), für die jeweils unterschiedliche Lösungen gefunden werden können. Daher kann in einer Kommune die Wahrnehmung verschiedener Aufgaben unterschiedlich geregelt sein.

In den 80er und 90er Jahren wurden in Deutschland viele Aufgaben der Abfallwirtschaft an Private übertragen. Hintergründe waren die zunehmende Liberalisierung und Marktorientierung der Politik, die kommunale Finanzkrise sowie die zunehmende Bedeutung von Abfall als Quelle von Wertstoffen, die für Private attraktiv wurden. In der privaten Abfallwirtschaft entwickelte sich durch Fusionen und Internationalisierung der Unternehmen eine Tendenz zur Herausbildung von Oligopolen, die jedoch noch lange nicht abgeschlossen ist.

In den Jahren nach 2000 wurden in einigen Kommunen bereits privatisierte Aufgaben der Abfallwirtschaft wieder in die kommunale Erledigung zurückgeholt (Rekommunalisierung). Gründe hierfür waren zum einen Qualitätsmängel in der Leistung, teilweise konnten die Privaten auch die Hoffnungen auf konstengünstigere Erledigung der Aufgaben nicht erfüllen. Eine wichtige Rolle spielt auch die Erfahrung, dass an Private vergebene Tätigkeiten meist schwieriger zu steuern sind als Betriebe im Eigentum der Kommune.[3]

Literatur[Bearbeiten]

Verband kommunale Abfallwirtschaft und Stadtreinigung im Verband Kommunaler Unternehmen (VKS im VKU) und Heinrich-Böll-Stiftung: In- und Outsourcing in der kommunalen Abfallwirtschaft. Studie über Make-or-Buy-Entscheidungen, Juli 2010

Privatisierung in der Abwasserentsorgung[Bearbeiten]

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Privatisierung von Krankenhäusern[Bearbeiten]

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Literatur[Bearbeiten]

Privatisierungen in der Wohnungswirtschaft[Bearbeiten]

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Material[Bearbeiten]

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Gusy, Christoph: Privatisierung als Herausforderung an Rechtspolitik und Rechtsdogmatik, in: ders. (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben: Kriterien – Grenzen – Folgen, Baden-Baden 1998
  2. in Anlehnung an: Isabelle Ewald, Privatisierung staatlicher Aufgaben, Brühl 2004
  3. Vgl. als aktuelles Beispiel die Auseinandersetzung um die Abfuhr der "gelben Säcke" im Landkreis Emsland (Niedersachsen): Osnabrücker Zeitung, Landkreis Emsland will Remondis Entsorgungsauftrag entziehen lassen, 25.06.2019

Weblinks[Bearbeiten]

Allgemein[Bearbeiten]

  • Green European Foundation: A third sector in welfare. Green responses to privatisation of welfare services across Europe (2014, englisch, pdf-Format, 55 Seiten)
  • DGB-Bundesvorstand: Wir wollen unser Schwimmbad zurück. Bewusstseinswandel zwischen Privatisierung und Re-Kommunalisierung – und was können die Gewerkschaften tun? "standpunkt" Nr. 02/2011, 30. Juni 2011 (pdf-Format, 11 Seiten)
  • Siegfried Broß und Tim Engartner: Kommunen für die Bürger, Gastbeitrag für die Frankfurter Rundschau vom 25.10.2012. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Broß und der Hochschullehrer für Didaktik der Sozialwissenschaften Engartner fordern eine Abkehr von Privatisierungen und PPP und schlagen ein Fondsmodell vor, das Bürger/innen ein Miteigentum an den Einrichtungen der Daseinsvorsorge ermöglicht.

Sachsen[Bearbeiten]

Jürgen Kasek, Jeanette Möbius, Roland Quester, Anett Ramisch: Privatisierung Kommunalen Eigentums. Tafelsilber verscherbeln? Broschüre herausgegeben vom DAKS e. V., 24 Seiten (pdf-Format)