Verkehrsüberwachung durch private Dienstleister ist unzulässig

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Viele Kommunen sind dazu übergegangen, für die Verkehrsüberwachung (teils im fließenden, teils im ruhenden Verkehr - sprich, für Geschwindigkeits- oder Parkkontrollen) private Dienstleister einzusetzen. Diese arbeiten auf Grundlage von Verträgen mit der als Ortspolizeibehörde zuständigen Gemeinde. Gelegentlich werden die Angestellten, die die Verkehrskontrollen durchführen, als Leiharbeitnehmer/inn/en (durch Arbeitnehmerüberlassung) "ausgeliehen", zu "Stadtpolizist/inn/en" ernannt und in Uniform auf die Straße geschickt. All dies ist rechtswidrig, hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in mehreren Entscheidungen festgestellt. Die Beschlüsse sollen hier ausführlich dargestellt werden.

Die "Lauterbach"-Entscheidung (2017)[Bearbeiten]

Im Jahr 2017 landete ein Ordnungswidrigkeitsverfahren beim OLG Frankfurt am Main. Wegen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit innerorts um 38 km/h war dem Betroffenen eine Geldbuße von 190 € sowie Führerscheinentzug von einem Monat auferlegt worden. Laut den Feststellungen des zuständigen Amtsgerichts hatte die Ortspolizeibehörde jedoch mit der Verkehrsmessung und dem ersten Schritt der Auswertung der Daten ein privates Unternehmen beauftragt. Dabei habe die Behörde, so das Amtsgericht, den § 26 des Straßenverkehrsgesetzes bewusst umgangen. Dieser legt fest, dass die Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten die Behörde oder Dienststelle der Polizei ist, die durch eine entsprechende Landesverordnung festgesetzt wird. Das bedeutet, dass nur städtische Bedienstete berechtigt sind, Geschwindigkeitsüberschreitungen festzustellen und Bußgeldbescheide auszustellen.

Zwar entschied das Oberlandesgericht in diesem Verfahren, dass die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen wird: Auch wenn in diesem Fall ein Beweiserhebungsverbot galt, so wäre doch nicht zwingend verboten, die Beweise, sofern einmal vorhanden, gegen den Beschuldigten zu verwenden. Doch zur Beweiserhebung findet das Gericht deutliche Worte:

  • Verkehrsüberwachung dient der Verkehrssicherheit. Jegliche Verknüpfung der Verkehrsüberwachung mit anderen nicht gesetzgeberisch legitimierten Gründen ist unzulässig.
  • Die Ordnungsbehörde muss Herrin des Messgeräts sein.
  • Die Ordnungsbehörde muss Herrin des durch die Messanlage gewonnenen Beweismittels sein (Garantie der Authentizität der Messdaten).
  • Die Ordnungsbehörde muss die Umwandlung und Auswertung des Beweismittels selbst durchführen (Garantie der Rückführbarkeit des Messbildes und der Messdaten auf die digitalen Messrohdaten bzw. Falldateien).

Das Amtsgericht, so das OLG, habe "rechtsfehlerfrei unter sorgfältiger Darlegung im Einzelnen" festgestellt, dass der Oberbürgermeister als Ortspolizeibehörde "unter bewusster und gewollter Umgehung zwingender gesetzlicher Vorschriften Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet (habe), bei denen die Beweismittel nicht durch den Hoheitsträger, sondern durch einen sog. privaten Dienstleister ... erhoben worden sind." Die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten gehöre als typische Hoheitsaufgabe zum Kernbereich staatlicher Hoheitsausübung, für die im Fall von Verkehrsordnungswidrigkeiten Behörden oder Polizeidienststellen zuständig seien. Technische Hilfe durch Private sei möglich, dürfe jedoch "nicht in Bereiche eingreifen, die ausschließlich dem Hoheitsträger vorbehalten sind." Hierzu zitiert das OLG aus einem Erlass des hessischen Innenministeriums gegenüber den Kommunen vom 28.07.2015: "Jeder Anschein mangelnder Objektivität und Unabhängigkeit ist zu vermeiden. Bei einem Leiharbeitnehmer, der bei einer örtlichen Ordnungsbehörde im Bereich der Verkehrsüberwachung tätig ist, können sachfremde Erwägungen zumindest dann nicht ausgeschlossen werden, wenn dieser zeitgleich Beschäftigter oder Inhaber eines Unternehmens ist, welches Dienstleistungen auf dem Sektor der Verkehrsüberwachung erbringt."

Im vorliegenden Fall hing jedoch die Vergütung der beauftragten Privatfirma von der Zahl der tatsächlich ergangenen Bußgeldbescheide ab, sie hat also ein wirtschaftliches Interesse an den Ergebnissen der Geschwindigkeitsmessungen - das ist mit der notwendigen Objektivität staatlichen Handelns im Bereich hoheitlicher Aufgaben nicht vereinbar. Zudem zweifelte das Gericht die Korrektheit des als "Arbeitnehmerüberlassung" (Leiharbeit) ausgestalteten Arbeitsverhältnisses an. Auf jeden Fall hatte die Kommune einen Großteil der Aufgaben (Vornahme der Messungen, Auslesen der Daten, Vorauswertung) der Privatfirma übertragen und wäre deshalb nicht in der Lage, bei Zweifeln an einzelnen dieser Schritte die Geschwindigkeitsüberschreitung rechtssicher zu beweisen.

Im Abschnitt IV der Entscheidung fügt das OLG allgemeine Bemerkungen hinzu: Es sieht "... Anlass zur Besorgnis, dass im Bereich kommunaler Verkehrsüberwachung (die) eindeutigen gesetzlichen Grundlagen, ministerialen Erlasse und gerichtliche Entscheidungen nicht nur nicht mit der notwendigen Sorgfalt beachtet, sondern - wie im vorliegenden Fall - bewusst und gewollt umgangen werden. Die dabei zu Tage getretenen Konstruktionen lassen ebenfalls befürchten, dass es sich nicht um Einzelfälle, sondern um strukturelle Verwerfungen handelt, die nicht mehr wie bisher durch das Eingreifen gerichtlicher Entscheidungen korrigiert werden können, sondern der nachhaltigen Korrektur durch den Einsatz der innenministerialen polizeilichen Dienst- und Fachaufsicht bedürfen." Eine eindeutige Aufforderung an das Land, tätig zu werden.

Weblink[Bearbeiten]

Weitere OLG-Beschlüsse ab November 2019[Bearbeiten]

Offenbar kamen die mahnenden Worte nicht überall an,[1] denn um den Jahreswechsel 2019/20 herum musste das OLG Frankfurt am Main gleich dreimal in ähnlicher Sache erneut entscheiden.

„Freigericht“-Entscheidung vom 6.11.2019[Bearbeiten]

Bei der sog. „Freigericht“-Entscheidung vom 6.11.2019 ging es um einen Bußgeldbescheid über 10 €, ausgestellt wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 6 km/h innerorts. Die Gemeinde hatte die Messungen mit einem Leihgerät durchführen lassen; ausgeführt wurden sie durch einen Angestellten einer Privatfirma, der über einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag an die Gemeinde "ausgeliehen" worden war. Ab 1.1.2018 galt ein Vertragstext, in dem die Tätigkeit dieses Angestellten als „Hilfspolizist“ für die „Unterstützung bei der Durchführung von Verkehrskontrollen, Aufbereitung“ bezeichnet wurde. Das zuständige Amtsgericht als erste Instanz hatte mit Blick auf die zuvor genannte Entscheidung die Beweiserhebung als rechtswidrig angesehen und die Verwertung der Messergebnisse abgelehnt.

Das OLG Frankfurt findet hier schon zu Beginn seiner schriftlichen Begründung, bei der Erörterung der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde, harsche Worte: Es müsse sich mit der Sache befassen, " weil der vorliegende Fall exemplarisch zeigt, dass auf der Ebene der Ortspolizeibehörden in Hessen trotz der unmissverständlichen Grundsatzentscheidung des Senats vom 26.04.2017 ... und des klaren Hinweises an die Dienst- und Fachaufsicht des Innenministeriums, die Missstände bei der kommunalen Verkehrsüberwachung abzustellen, zumindest einige Bürgermeister als Ortspolizeibehörden bei der kommunalen Verkehrsüberwachung weiterhin gesetzwidrig agieren."

Weiterhin stellt das Gericht in seiner Urteilsbegründung fest, dass "die Ortspolizeibehörde ... in gesetzeswidriger Weise die ihr hoheitlich zugewiesene Verkehrsüberwachung durch einen privaten Dienstleister (hat) durchführen lassen. ... Die Überlassung des Zeugen1 als „Messbediensteter“ im Wege der Arbeitnehmerüberlassung ... ist rechtswidrig und seine anschließende Bestellung zum „Ordnungspolizeibeamten“ durch den Landrat ist nichtig." Für die fehlerhafte Datenerfassung und -auswertung durch ein nicht im Besitz der Gemeinde befindliches Messgerät gilt Ähnliches wie im Lauterbach-Beschluss. Darüber hinaus war hier weder eine rechtmäßige Arbeitnehmerüberlassung zustandegekommen noch ist der "Messbedienstete" auf diese Weise Bediensteter der Gemeinde geworden. So konnte er auch nicht zum Hilfspolizeibeamten bestellt werden, denn dies ist Bediensteten der Ortspolizeibehörde (der Gemeinde) oder nachgeordneter Stellen vorbehalten. Schließlich darf auch nicht der Landrat, sondern nur die Gemeinde selbst Hilfspolizeibeamten bestellen, schon deshalb war die Bestellung nichtig.

Damit benennt das OLG eine ganze Kette von Rechtsverstößen, doch es setzt noch einen drauf: Das Amtsgericht habe zu Recht "eine vorsätzliche Irreführung und Täuschung der Bürger und des Gerichts angenommen." Durch die Formulierung im Messprotokoll habe die Ordnungspolizeibehörde "offensichtlich gewollt nach außen den Anschein erweckt, dass die Messung durch einen bei der Gemeinde unmittelbar beschäftigten und gesetzeskonform ernannten Ordnungspolizeibeamten erfolgt ist." Dort war nämlich vermerkt: "Nach Beendigung der Messung werden die Daten durch den Messbeamten (Ordnungspolizeibeamter) auf einem externen Datenspeicher gesichert und in der Verwaltung deponiert. Die Auswertung erfolgt ebenfalls durch einen Ordnungspolizeibeamten in der Verwaltung. Die Ordnungspolizeibeamten sind in der Stadt B beschäftigt.“ Da die "Lauterbach"-Entscheidung bekannt war, musste die Gemeinde wissen, dass sie rechtswidrig handelt; die Formulierungen auf dem Messprotokoll sollten dies verschleiern. Im Ergebnis hätten die Daten nicht erhoben und ausgewertet werden, damit auch der Bußgeldbescheid nicht ausgestellt werden dürfen.

Weiterer Beschluss vom 27.11.2019[Bearbeiten]

In einem weiteren OLG-Beschluss drei Wochen später ging es wieder um eine Geschwindigkeitsüberschreitung, diesmal um 28 km/h, die Geldbuße sollte 80 € betragen. Das zunächst angerufene Amtsgericht Gelnhausen hatte unter Veweis auf den OLG-Beschluss von 2017 "einen Bruch in der Beweismittelkette angenommen, da die Messdaten zu keinem Zeitpunkt in der Kontrolle des Hoheitsträgers selbst befanden." Im Verfahren vor dem OLG ging es wiederum nur um die Frage, ob die unstreitig unzulässig erhobenen Beweise dennoch verwertet werden durften. Das OLG widerholt hier seine Argumentation aus den vorgenannten Urteilen, hält sich aber, weil es darauf verweisen kann, deutlich kürzer. Es kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die Messwerte auf diese Weise nie hätten erhoben werden dürfen und deshalb auch nicht verwertet werden durften.

Strafbarkeit von Falschbeurkundung, Beschluss vom 02.01.2019[Bearbeiten]

In einem weiteren Beschluss Anfang Januar 2020 stellt das OLG Frankfurt am Main (in diesem Fall der Strafsenat) fest, dass bei der Verkehrskontrolle erstellte Messprotokolle "öffentliche Urkunden im Sinne von § 348 StGB" sind. Das Landgericht Kassel hatte gegen einen Ordnungspolizeibeamten und einen privaten Dienstleister Strafen verhängt, weil der Ordnungspolizeibeamte Messprotokolle für die Verkehrsüberwachung blanko unterzeichnet und dem privaten Dienstleister zum Ausfüllen übergeben hatte. Hierin sah das OLG eine "Falschbeurkundung im Amt". Der Dienstleister hatte eine Geldstrafe von 200 Tagessätzen, der Ortspolizeibeamte eine Haftstrafe von 15 Monaten erhalten, beide Strafen wurden vom OLG bestätigt.

Weblinks[Bearbeiten]

2020: OLG-Beschluss zu Parkverstößen[Bearbeiten]

Im Januar 2020 hatte das OLG Frankfurt dann Gelegenheit, seine Rechtsprechung auch auf die Überwachung des ruhenden Verkehrs (Parkverstöße) anzuwenden. Der Fall: Ein Autofahrer parkt 13 Minuten im eingeschränkten Halteverbot und erhält ein „Knöllchen“ über 15 €. Hier hatte die Stadt – in ihrer Eigenschaft als Ortspolizeibehörde – für das Erfassen von Parkverstößen Mitarbeiter/innen einer Privatfirma als Leiharbeitnehmer/innen angeheuert, vom Regierungspräsidium zu Hilfspolizeibeamten („Stadtpolizisten“) ernennen lassen und in Uniformen gesteckt. Damit hat die Stadt gleich mehrfach das Recht verletzt und sogar Straftatbestände erfüllt.

Zunächst erfragte das OLG beim Innenministerium und bei der Stadt, wie die Verkehrsüberwachung organisiert war und ob das Land die Vergabe an Private für rechtmäßig hält. Es erfuhr dabei, dass mehrere Städte auf die beschriebene Weise Geldbußen eintreiben und die Landesregierung dies gutheißt, sofern die Privatangestellten zu Hilfspolizeibeamten ernannt werden.

Angesichts dessen bekräftigt das OLG seine frühere Rechtsprechung: Der Gesetzgeber habe entschieden, dass die Organisation des Verkehrsraumes eine hoheitliche Funktion ist und deshalb Verstöße durch Verwarn- und Bußgelder geahndet werden. Diese sind unmittelbarer Ausfluss des staatlichen Gewaltmonopols und damit der Polizei vorbehalten. Ohne gesetzliche Legitimation darf diese Sanktionsmacht nicht an Private abgegeben werden. Dies war bereits 1996 zwischen der Innenministerkonferenz und der Bundesregierung verhandelt worden war: Einige Bundesländer wollten eine solche Legitimation in das Straßenverkehrsgesetz durch Änderung des § 26 aufgenommen sehen, was der Bund jedoch ablehnte. Damit musste das Gericht davon ausgehen, dass auch das Land Hessen die Rechtslage kennt, „so dass die in der vorliegend eingeholten Stellungnahme ... vertretene Rechtsansicht befremdet“.

Damit, so das OLG, stellt die „Kombination aus Arbeitnehmerüberlassung und anschließender Bestellung zum ‚Hilfspolizeibeamten‘ nach § 99 HSOG durch das Regierungspräsidium eine vorsätzliche Umgehung des geltenden Rechts dar.“ Weder können Leih-Arbeitnehmer/innen Hilfspolizist/inn/en werden noch darf das Regierungspräsidium – mangels Zuständigkeit – eine solche Ernennung vornehmen. Die Stadt „verwendet ... ihre hoheitliche Sanktionsmacht, Verwarngelder zu erheben, dazu, das Geschäftsmodell eines privaten Dienstleisters zu finanzieren. Damit dies nicht auffällt, lässt sie die Verkehrsüberwachung den privaten Dienstleister im strafbewehrten Gewand einer Polizeiuniform durchführen“. Hier verweist das Gericht auf die §§ 132, 132a des Strafgesetzbuches – Amtsmissbrauch, Anmaßung von Titeln. Die Stadt täusche „strukturell und systemisch den Bürger und die Gerichte, und zwar in vollem Bewusstsein, dass sie geltendes Recht umgeht.“

Selten liest man in Urteilen solch drastische Formulierungen. Doch es geht noch weiter: Weil viele Gemeinden so handeln und Verwarngelder in Millionenhöhe durch Private eintreiben lassen, sieht das OLG Frankfurt „ein strukturelles System der wirtschaftlichen Verflechtungen ..., bei dem staatliche Verkehrsüberwachung und -sanktionierung zur Finanzierung privatwirtschaftlicher Geschäftsmodelle verwendet wird.“ Die Stadt habe „im Zusammenwirken mit einem privaten Dienstleister ein System der Verschleierung und Täuschung aufgebaut, das nicht nur den Bürger, sondern vorliegend auch die Gerichte über Jahre hin getäuscht hat.“ Gemeint sind damit die Amtsgerichte, die in der Regel einem/einer Polizeibeamten/in besondere Glaubwürdigkeit zubilligen und damit viele Bußgeldbescheide bestätigten.

Weblinks[Bearbeiten]

Schlussfolgerungen[Bearbeiten]

Die genannten Beschlüsse sind eindeutig und, weil sie sich auf das Grundgesetz und Bundesgesetze stützen, in ihren wesentlichen Aussagen bundesweit relevant. Einige Aussagen sollen noch einmal zusammengefasst werden:

  • Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten ist in Deutschland Teil des Strafrechts und eine hoheitliche Aufgabe, die nur von Bediensteten der zuständigen Polizeibehörden vollzogen werden darf. Private können nur unterstützend dort tätig werden, wo sie nicht an der Erfüllung hoheitlicher aufgaben beteiligt sind (denkbar wäre z.B. Ausleihe und Wartung von Geräten).
  • Nach § 26 Straßenverkehrsgesetz ist "die Behörde oder Dienststelle der Polizei, die von der Landesregierung durch Rechtsverordnung näher bestimmt wird", hierfür zuständig. Raum für Aufgabenübertragung an Private gibt es bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben nicht.
  • Behörden müssen objektiv handeln und dürfen sich dabei nur an dem Zweck der jeweiligen Aufgabe orientieren. Die Eintreibung von Verwarn- oder Bußgeldern darf deshalb nicht mit privaten Geschäftsinteressen verquickt werden.
  • Angestellte Privater, ob sie nun korrekt oder unkorrekt per Arbeitnehmerüberlassung an eine Behörde verliehen werden, können keine Polizeibeamte sein, dürfen keine Uniform tragen und keine öffentlichen Urkunden aussstellen.
  • Bei Beauftragung Privater droht nicht nur Unwirksamkeit vieler Verwarngeld- und Bußgeldbescheide, auch Straftatbestände können verwirklicht sein. Wegen Falschbeurkundung im Amt wurden schon Strafen verhängt, doch auch Amtsmissbrauch und Anmaßung von Titeln kommen als Grund für Strafverfahren in Frage.

Damit sind vermutlich Millionen von unwirksamen Verwarn- und Bußgeldbescheiden erstellt worden. Das bedeutet aber nicht, dass sich alle Betroffenen jetzt ihr Geld zurückholen können: bei Beträgen bis 250 € gilt durch die Zahlung der Verstoß als anerkannt. Nur bei höheren Beträgen ist - im Rahmen gesetzlicher Fristen - eine Klage auch nach Zahlung möglich.

Zur Diskussion um Sinn und Unsinn von Privatisierungen tragen diese Beschlüsse wenig bei, geht es doch hier nicht um Aufgaben der klassischen Daseinsvorsorge, sondern um den Kernbereich hoheitlicher Aufgaben. Dass diese nur von den dazu legitimierten staatlichen Stellen zu erfüllen sind, ist aber nicht mehr anzuzweifeln. Da die OLG-Beschlüsse mit Verfassungs- und Bundesrecht argumentieren, sind sie auf andere Bundesländer übertragbar. Einige haben dies bereits erkannt. Die Stadt Frankfurt am Main jedenfalls weist in ihrem Stellenplan 2020/2021 jetzt 20 neue Stellen für städtische Bedienstete aus, um die Verkehrsüberwachung künftig auf legale Weise durchzuführen.[2]

Einige Gemeinden haben sich für Aufgaben der Verkehrsüberwachung zu Zweckverbänden zusammengeschlossen. Dies ist zulässig, denn Zweckverbände sind ebenso kommunale Gebietskörperschaften wie die sie tragenden Kommunen und können somit hoheitliche Aufgaben erfüllen. Andere vereinbaren eine Kooperation zur gemeinsamen Verkehrsüberwachung.[3]

Anders liegt der Fall, wenn es sich nicht um öffentlichen Verkehrsraum handelt. So haben einige Discounter Kundenparkplätze eingerichtet, für die eine Höchstparkdauer gilt. Verstöße werden hier durch Privatangestellte festgestellt. Bei den geltend gemachten Zahlungen handelt es sich nicht um Verwarn- oder Bußgelder, sondern um eine Vertragsstrafe, da die/der Kunde/in durch Nutzung des Parkplatzes ein privates Vertragsverhältnis eingegangen ist.

Siehe auch[Bearbeiten]

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Einige Kommunen haben durchaus reagiert; vgl. zum Landkreis Gießen Gießener Allgemeine, Nach Blitzer-Urteil: Kreis-Kommunen haben nachgerüstet, 03.03.2018
  2. Frankfurter Rundschau: Mehr Stellen für Verkehrsüberwachung in Frankfurt, 28.01.2020
  3. Beispiele: Zweckverband Kommunales Dienstleistungszentrum Oberland, Zweckverband Kommunale Verkehrssicherheit (ZV KVS) Oberpfalz, Zweckverband Kommunale Verkehrsüberwachung (KVÜ) Südostbayern; als kommunale Kooperation ausgestaltet ist z.B. die Kommunale Verkehrsüberwachung Fichtelgebirge; zur Kooperation der niedersächsischen Stadt Sehnde mit den Gemeinden Hohenhameln, Algermissen und Harsum vgl. Hannoversche Allgemeine, Vier Kommunen gehen jetzt gemeinsam auf Knöllchenjagd, 23.08.2019