Wahlen in Berlin 2021

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Bei den Wahlen in Berlin 2021, die zeitgleich mit der Bundestagswahl am 26.09.2021 stattfanden, konnten die Grünen sich gegenüber 2016 deutlich steigern, verfehlten aber ihr Ziel, stärkste Kraft zu werden. SPD und CDU lagen nahe an ihrem fünf Jahre zuvor erzielten Ergebnis, was in der SPD zu großem Jubel, in der CDU eher zu Enttäuschung führte. Die Linke verlor etwas, erscheint im Vergleich zum Bundestrend jedoch stabil, die FDP verzeichnete leichte Gewinne. Stark verloren hat die AfD, bei der unmittelbar nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses Streit über die Ursachen ausbrach. Viele, teils neue neue Kleinparteien sammelten insgesamt über 12% der Stimmen ein, eine Verdoppelung. Die Wahlbeteiligung erhöhte sich deutlich gegenüber 2016, was auch an der parallel stattfindenden Bundestagswahl lag.

Wahl zum Abgeordnetenhaus[Bearbeiten]

Das Abgeordnetenhaus von Berlin stellt zugleich das Landes- wie auch das Kommunalparlament dar. Zwar werden oft die Bezirke als die kommunale Ebene Berlins bezeichnet, doch nehmen sie nur einen Teil der kommunalen Aufgaben wahr und verfügen insbesondere über keine kommunale Autonomie, d.h. die übergeordnete Ebene kann Kompetenzen wie auch einzelne Angelegenheiten jederzeit an sich ziehen.

Die Wahlergebnisse zum Abgeordnetenhaus sehen folgendermaßen aus:

Partei Ergebnis 2021 Ergebnis 2016
SPD 21,4 21,5
Grüne 18,9 15,2
CDU 18,1 17,7
Linke 14,0 15,6
AfD  8,0 14,2
FDP  7,2  6,7
Sonstige 12,4  6,3
Wahlbeteiligung 75,7 66,9

Die Stimmen für die "Sonstigen" verteilen sich auf sehr viele Parteien. Noch am erfolgreichsten war die Tierschutzpartei mit 2,2%, gefolgt von der PARTEI mit 1,8% und der "Basis", die aus der Gegnerschaft zu den Corona-Maßnahmen entstanden ist, mit 1,3%. Die gesamteuropäische Partei Volt erreichte - im Unterschied zu einigen hessischen Großstädten - nur 1,1%.

Besondere grüne Erfolge[Bearbeiten]

In vier zentralen Bezirken sind die Grünen (nach Zweitstimmen bei der Abgeordnetenhauswahl) stärkste Partei:

  • Mitte (26,3%)
  • Friedrichshain-Kreuzberg (32,3%)
  • Pankow (23,3%)
  • Charlottenburg-Wilmersdorf (22,8%)

Im Unterschied dazu schneiden sie an den Stadträndern vergleichsweise schwach ab, insbesondere in Spandau und Marzahn-Hellersdorf.

Ähnlich wie bei der Bundestagswahl werden auch in den (viel kleineren) Wahlkreisen bei der Berlin-Wahl Direktkandidat*innen gewählt; die Fraktionen werden dann entsprechend den Zweitstimmen aus den Listen aufgefüllt, das Abgeordnetenhaus besteht aus insgesamt 130 Abgeordneten. In 23 Wahlkreisen setzten sich Direktkandidat*innen der Grünen über die Erststimme durch, vor allem in den genannten zentralen Bezirken.

Koalition unklar[Bearbeiten]

Ob die bisherige rot-rot-grüne Koalition fortgesetzt wird, war nach Auszählung der Stimmen offen. Die SPD-Spitzenkandidatin und designierte Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey kündigte an, mit allen demokratischen Parteien Gespräche führen zu wollen. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass die Grünen trotz ihres gestiegenen Stimmenanteils in der Opposition landen. Der bisherige Berliner Senat wird - trotz großer Zustimmung zu den ihn tragenden Parteien - stark kritisiert, u.a. wegen vieler Mängel in der Verwaltung, fehlender Investitionen in öffentliche Gebäude und die Verkehrsinfrastruktur etc.

Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen[Bearbeiten]

Bei den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen (BVVs) konnten die Grünen teilweise noch besser abschneiden. In fünf Bezirken sind sie stärkste Fraktion und stellen damit die Bezirksbürgermeister*in:[1]

  • Mitte: 28,5%; hier bleibt der bisherige Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel im Amt.
  • Friedrichshain-Kreuzberg: 34,6%; hier wird Clara Herrmann neue Bezirksbürgermeisterin, die das Amt von der Grünen Monika Herrmann (mit ihr nicht verwandt) übernimmt.
  • Pankow: 24,7%; neue Bezirksbürgermeisterin wird Cordelia Koch.
  • Charlottenburg-Wilmersdorf: 24,8%; wer für die Grünen das Spitzenamt bekleiden soll, steht noch nicht fest.
  • Tempelhof-Schöneberg: 23,6%; die Grünen liegen damit denkbar knapp vor der SPD (23,5%). Der bisherige Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung und Bauen Jörn Oltman wird dort Bezirksbürgermeister.

Gemittelt über alle Berliner Bezirke erreichten die Grünen 20,3% der Stimmen; sie waren damit auch hier zweitstärkste Kraft hinter der SPD mit 21,7%.

Unter den kleinen Parteien konnte die Tierschutzpartei besondere Erfolge verzeichnen. In vier Bezirken übersprang sie die dort geltende Drei-Prozent-Hürde und zog in die BVV ein: in Spandau, Treptow-Köpenick und Lichtenberg mit jeweils zwei Sitzen, in Marzahn-Hellersdorf sogar mit drei. Auffällig ist, dass dies überwiegend Bezirke mit schwachen Ergebnissen für die Grünen sind.

Zeitgleicher Volksentscheid[Bearbeiten]

Am gleichen Tag fand in Berlin der Volksentscheid "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" statt. Darin wird der Senat aufgefordert, alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um eine Vergesellschaftung der Wohnungsbestände von Unternehmen, denen mehr als 3.000 Wohnungen gehören, zu ermöglichen. Der Volksentscheid erreichte mit 56,4% eine Mehrheit. Im Vorfeld hatte sich von den bedeutenden Parteien nur die Linke uneingeschränkt für den Volksentscheid ausgesprochen. Führende Grüne hatten zwar angekündigt, dafür zu stimmen, begründeten das jedoch vor allem damit, dass Druck ausgeübt werden müsse, um möglicherweise zu einer anderen Lösung zu finden. Franziska Giffey hatte sich gegen den Entscheid ausgesprochen, kündigte danach jedoch an, ihn zu respektieren und einen Gesetzentwurf vorzubereiten.

Unregelmäßigkeiten in vielen Wahllokalen[Bearbeiten]

Aus vielen Wahllokalen in Berlin wurden Unregelmäßigkeiten gemeldet, die in der Summe ein erhebliches Problem offenbaren. So waren in einigen Wahllokalen die falschen Stimmzettel angeliefert worden. Nicht immer wurde dies sofort bemerkt, so dass Wähler*innen falsche Stimmzettel verwendeten, die in der Auszählung als ungültig gewertet werden mussten. In anderen Wahllokalen gab es nicht genügend Stimmzettel, so dass im Laufe des Tages nachgeliefert werden musste. Die Landeswahlleitung war nicht immer erreichbar, die Transporte der Nachlieferungen blieben teilweise stecken, weil der Wahltag mit dem Berlin-Marathon zusammenfiel. Auch bei der Auszählung gab es Pannen; so meldeten einige Wahllokale für die Ermittlung des vorläufigen Endergebnisses Schätzungen statt ausgezählter Daten. Und auch vor Wahllokalen ohne derartige Probleme bildeten sich teils lange Schlangen mit Wartezeiten bis zu einer Stunde; manch Wähler*in ging unverrichteter Dinge nach Hause, weil sie die Zeit nicht aufbringen wollte. So standen zum angekündigten Zeitpunkt der Schließung, um 18 Uhr, noch Wahlwillige vor den Türen hunderter Wahllokale, die noch wählen durften, als bereits erste Prognosen und Hochrechnungen veröffentlicht waren. Aus einigen Wahllokalen wurden mehr abgegebene Stimmen als Wahlberechtigte gemeldet - vermutlich waren hier Briefwahlunterlagen zusammengefasst und an ein Wahllokal geliefert worden.

Die Ursachen für diese Pannenserie waren vielfältig, aber überwiegend vorhersehbar. Dazu gehört, dass vier Abstimmungen gleichzeitig stattfanden: Bundestags-, Abgeordnetenhaus- und Bezirksverordnetenwahl (die ersten beiden mit je zwei Stimmen) sowie eine Volksabstimmung; fünf Stimmzettel mussten ausgefüllt und in zwei verschiedene Wahlurnen geworfen werden. Entsprechend lange dauerte bei vielen Wähler*innen der Wahlgang, Schlangen entstanden oft schon deshalb, weil nur zwei Wahlkabinen zur Verfügung standen. Dadurch war auch die Auszählung recht aufwändig. Wahlberechtigte ohne deutschen Pass sowie Jugendliche ab 16 durften nur für die Bezirke abstimmen, eine weitere mögliche Fehlerquelle.[2] Auch die Sperrung vieler Verkehrswege wegen des Marathons war lange vor dem Wahltag bekannt. Zudem hatten Wahlhelfer*innen in großer Zahl kurzfristig abgesagt, was die Organisation der Wahl wie der Auszählung erschwerte.

Noch zehn Tage nach der Wahl sprach der Senat von ca. 100 (von über 2.200) Wahllokalen mit Unregelmäßigkeiten[3] - am Ende waren es doppelt so viele. Noch ist unklar (Stand Ende Oktober 2021), ob in zwei Wahlkreisen die Wahl wiederholt werden muss. Die geschilderten Zustände sind in Deutschland bisher einmalig und wurden nicht selten auch ironisch kommentiert ("Gut, dass Putin keine Wahlbeobachter geschickt hat"). Auch nach der Wahl wurden weitere Pannen gemeldet. So wurde eine Mandatsbestätigung aufgrund einer Namensverwechselung an den falschen Kandidaten geschickt.[4] Für 22 Wahllokale im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf wurden am Wahlabend zunächst identische, geschätzte Wahlergebnisse gemeldet.[5] Auch ein Wahllokal in Spandau meldete zunächst angeblich geschätzte, in Wirklichkeit frei erfundene Ergebnisse an die Landeswahlleitung. In diesem Wahllokal waren am Wahltag bis 14:15 Uhr Stimmzettel für die Zweitstimme bei der Abgeordnetenhauswahl nicht ausgegeben worden, obwohl sie vorhanden waren.[6]

Die Wahlleitung selbst legte gegen ihre eigene Ergebnisfeststellung Einspruch ein, über den jetzt der Berliner Verfassungsgerichtshof entscheiden muss;[7] die Landeswahlleiterin trat kurz nach dem Wahltag zurück. Auch die Senatsinnenverwaltung rief den Berliner Verfassungsgerichtshof an, um das Ergebnis der Abgeordnetenhauswahl überprüfen zu lassen.[8] Insgesamt gingen bis zum Ablauf der Frist am 26.11.2021 gegen die Wahl zum Abgeordnetenhaus, zu den Bezirksverordnetenversammlungen und gegen die Abstimmung zum Volksentscheid "Deutsche Wohnen & Co enteignen" 18 Einwendungen ein. Im Vergleich zu den rund 850 Einwendungen gegen das Ergebnis der Bundestragwahl am gleichen Tag in Berlin erscheint das wenig, doch ist der Unterschied darin begründet, dass gegen das Bundestagswahlergebnis alle Wahlberechtigten Einwände erheben können, gegen die Wahlen in Berlin jedoch nur Behörden, Parteien oder die Kandidat*innen selbst. Unter den Einwendenden sind jedoch, wie gesagt, Bundeswahlleiter Georg Thiel, die stellvertretende Landeswahlleiterin Ulrike Rockmann sowie Innensenator Andreas Geisel.[9]

Fußnoten[Bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten]