Finanzhilfen in der Corona-Krise (Rheinland-Pfalz)

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Dieser Artikel behandelt die Hilfen des Landes Rheinland-Pfalz an die Kommunen zur Überwindung der Corona-bedingten Finanzkrise. Zu den Auswirkungen der Pandemie auf die Gemeindefinanzen und zum Konjunkturprogramm des Bundes im Jahr 2020 siehe den Artikel Corona und die Folgen – neue Finanzkrise und Bundeshilfen.

Forderung nach Schutzschirm[Bearbeiten]

Der Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz forderte am 19.03.2020 einen Schutzschirm für die Kommunen. In einem ersten Schritt solle der kommunale Finanzausgleich um 400 Mio. € aufgestockt werden.[1] Der Vorsitzende des Landkreistages Rheinland-Pfalz, Günther Schartz, forderte vom Land einen "Stabilitätspakt" für die Kommunen; die CDU-Fraktion im Landtag schloss sich dieser Forderung an. Der kommunalpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Gordon Schnieder, bezifferte Mitte April die Ausfälle bei der Gewerbesteuer in Rheinland-Pfalz auf 500 Mio. €.[2] Mitte Mai bekräftigte der Gemeinde- und Städtebund seine Forderungen und schätzte die Lücke in den kommunalen Haushalten des Landes für 2020 auf mindestens 1 Mrd. €.[3] Die auch in der Corona-Krise wiederholte Forderung des Landesrechnungshofs an einige Gemeinden, für den Haushaltsausgleich die Hebesätze der Grundsteuer zu erhöhen, wurden von kommunaler Seite empört zurückgewiesen.[4]

Erste Hilfsmaßnahmen[Bearbeiten]

Das Land stellte zunächst eine Soforthilfe von 100 Mio. €, später einen „Schutzschirm“ mit weiteren 600 Mio. bereit. Davon stammen allerdings 400 Mio. aus dem sogenannten Stabilisierungsmechanismus des Finanzausgleichs, stehen also ohnehin den Kommunen zu.[5] Zusätzlich will das Land die Hälfte der Gewerbesteuerausfälle ausgleichen, die Mitte Mai auf gut 600 Mio. € geschätzt wurden.[6] Die kommunalen Spitzenverbände begrüßten diesen Schutzschirm, bezweifelten aber, dass der vorgesehene Betrag von 200 Mio. € für den hälftigen Ausgleich der Gewerbesteuerausfälle ausreichen wird. Auch mit dem Schutzschirm werde die verbleibende Belastung der Kommunalhaushalte bei 1 Mrd. € liegen.[7]

August 2020: Sondervermögen des Landes[Bearbeiten]

Im August 2020 verabschiedete der Landtag Rheinland-Pfalz einen Nachtragshaushalt, mit dem u.a. ein Sondervermögen „Nach­haltige Bewältigung der Corona-Pandemie“ eingerichtet wurde. Die Verwendung der Mittel aus diesem Sondervermögen ist bis Ende 2022 befristet. Ein Teil der 1,1 Mrd. € sind direkt oder indirekt für die Unterstützung der Kommunen bestimmt. Zunächst stehen 203 Mio. € zum Ausgleich der weggefallenen Gewerbesteuereinnahmen (und weitere 50 Mio. € für denselben Zweck 2021) zur Verfügung. Weitere Mittel stehen etwa zur Kofinanzierung der Krankenhäuser oder zur Unterstützung des ÖPNV bereit. Auch andere Mittel des Nachtragshaushaltes außerhalb des Sondervermögens sollen Krisenfolgen abmildern.[8]

Im Haushaltsentwurf der Landesregierung für 2021 sind weitere Stützungsmaßnahmen für die Kommunen vorgesehen. So sollen auch 2021 Gewerbesteuermindereinnahmen teilweise ausgeglichen werden. Über den Stabilisierungsmechanismus werden weitere 200 Mio. € (der halbe Betrag des Jahres 2020) bereitgestellt, weiterhin wird der reguläre kommunale Finanzausgleich trotz Einnahmeverlusten des Landes um 180 Mio. € aufgestockt. Ziel des Landes ist, die Investitionskraft der Kommunen zu erhalten.[9]

Oktober 2020: Resolution von Oberbürgermeister*innen[Bearbeiten]

Im Oktober 2020 forderten die Oberbürgermeister*innen der fünf rheinland-pfälzischen Oberzentren Klaus Weichel (Kaiserslautern), David Langner (Koblenz), Jutta Steinruck (Ludwigshafen), Michael Ebling (Mainz) und Wolfram Leibe (Trier) in einem gemeinsamen Positionspapier und einer Resolution eine bessere Finanzausstattung der Kommunen sowie eine Lösung der Altschuldenproblematik. Ohne weitere Gelder für die Städte und Gemeinden könnten notwendige und konjunkturpolitisch sinnvolle Investitionen nicht getätigt werden. Aktuell müssten die kommunalen Ordnungsämter personell verstärkt werden: "Die Regelungsdichte im Jahre 2020 ist einmalig im historischen Vergleich." Auch die deutschlandweite Behördennummer 115 sei stark gefordert. Beispielsweise seien in Trier in den ersten acht Monaten 2020 über 250.000 Anrufe eingegangen, sonst kämem im jährlichen Schnitt bei Stadt und Kreis zusammen etwa 160.000 Anrufe an. "Die personellen Belastungen setzen die Einsatzkräfte einer permanenten Stresssituation aus und führen zu einem deutlichen Anstieg der Überstunden."[10]

November 2020: Kommunalbericht des Rechnungshofs[Bearbeiten]

Laut dem Kommunalbericht 2020 des Landesrechnungshofs[11] fehlten den Gemeinden des Landes in der ersten Jahreshälfte 2020 Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von ca. 180 Mio. € (ein Minus von gut 17%) und Gebühren von ca. 50 Mio. € (-22,5%). Zugleich stiegen die Sachausgaben coronabedingt um ca. 115 Mio. € (ein Plus von fast 9%). Trotz Landeshilfen in Höhe von insgesamt 250 Mio. € für 2020 und 2021 schlossen die Kommunen - von denen viele schon zuvor defizitäre Haushalte und Überschuldung aufwiesen - die erste Jahreshälfte insgesamt mit einem Minus von über 600 Mio. € ab. Als Reaktion auf den Bericht forderte der DGB vom Land einen Rettungsschirm für die Kommunen und von Bund und Land einen Altschuldentilgungsfonds.[12]

Trotz Ausfällen 2020 landesweit leichtes Plus der Kommunen[Bearbeiten]

Ende Oktober 2020 gab das Statistische Landesamt bekannt, dass in den ersten drei Quartalen des Jahres 2020 die Gewerbesteuereinnahmen nicht so stark gesunken waren wie zu Beginn der Corona-Krise befürchtet. Landesweit wurden rund 19% oder 314 Mio. € weniger Gewerbesteuern eingenommen als im Vorjahr. Rechnet man die Senkung der Gewerbesteuerumlage mit hinein, beträgt der Ausfall nur noch 11,4%. Verglichen mit den Erwartungen vor Beginn des Jahres fällt der Rückgang natürlich prozentual höher aus.[13]

Nach Vorliegen der Jahresabschlüsse zeigte sich, dass die Kommunen in Rheinland-Pfalz in ihrer Gesamtheit das Jahr 2020 dank der Unterstützung von Bund und Land mit einem Überschuss von gut 200 Mio. € abschlossen. Dabei gab es jedoch große Unterschiede: Zwei Drittel der kreisfreien Städte wiesen ein Defizit auf. Allein in Ludwigshafen betrug dieser 52,6 Mio. €.[14]

2021: Sondereffekt in Mainz[Bearbeiten]

Einen besonderen Glücksfall - letztlich ein Profitieren von der Corona-Krise - erlebte die Landeshauptstadt Mainz: Dank der erfolgreichen Entwicklung und Vermarktung des in Europa führenden Impfstoffs gegen das SarsCov2-Virus durch die in Mainz ansässige Firma BionTech erhielt die Stadt eine exorbitant hohe Gewerbesteuerzahlung. Statt des ursprünglich im Haushalt erwarteten Defizits von 36 Mio. € erzielte sie im Jahr 2021 einen Überschuss von deutlich über 1 Mrd. €, weil sie rund 1,3 Mrd. € Gewerbesteuern einnahm, im darauffolgenden Jahr noch ca. 830 Mio. € (damit sind die gesamten Gewerbesteuereinnahmen gemeint, zu denen BionTech allerdings den Löwenanteil beisteuerte). Die Einnahmen fielen 2022 auch deshalb geringer aus, weil Mainz den Gewerbesteuerhebesatz von 440 auf 310 Punkte absenkte, was die ortsansässigen Unternehmen insgesamt um ca. 350 Mio. € entlastete.[15] Das soll die Landeshauptstadt auch attraktiver für Neuansiedelungen machen, denn die Abhängigkeit von nur einem Unternehmen kann problematisch werden. Mit dem unverhofften Geldsegen hat Mainz vor allem die Schulden (2021 ca. 1,3 Mrd. €, davon fast die Hälfte Kassenkredite) abgebaut, aber auch zusätzliche Investitionen angeschoben. Nachholbedarf gab es bei Grünanlagen, Straßen und Brücken; zudem will die Stadt Immobilien kaufen, um zukünftig Mietkosten zu sparen. Längerfristig soll die Stadt zu einem weltweit anerkannten Biotechstandort werden. Geplant ist ein Biotechnologiecampus auf einer Fläche von 30 Hektar mit direkter Anbindung an Uniklinik und Universität.[16] In einem zweiten Investitionspaket im Jahr 2022 waren vor allem 65 Mio. € für eine größere Bodenbevorratung und weitere Maßnahmen für die Förderung von Handel und Gewerbe vorgesehen.[17] Der Geldsegen war zeitlich begrenzt, im Jahr 2023 brachen die Gewerbesteuerzahlungen stärker als erwartet ein, was für die Stadt möglicherweise einen Nachtragshaushalt erforderlich macht.[18]

Aussichten für 2022[Bearbeiten]

Die Mittel des Sondervermögens stehen, soweit bisher nicht verausgabt, auch 2022 zur Verfügung. Über den Landeshaushalt wurde darüber hinaus Mitte 2022 rund 51 Mio. € an die Landkreise und kreisfreien Städte ausgezahlt.[19]

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz: Kommunen fordern finanziellen Schutzschirm, Pressemitteilung vom 19.03.2020
  2. lokalo.de, Auch Kommunen verlieren Einnahmen in der Corona-Krise, 14.04.2020
  3. Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz: Wir brauchen einen Schutzschirm für Kommunalfinanzen!, Pressemitteilung vom 14.05.2020
  4. Siehe zum Beispiel Neuwied: NR-Kurier, Hallerbach weist Forderung höherer Grundsteuer scharf zurück, 09.05.2020; Blick aktuell, Mehrheitskoalition wirft Rechnungshof skandalöses Verhalten vor, 25.05.2020
  5. Der „Stabilisierungsmechanismus“ ist eine Besonderheit des Kommunalen Finanzausgleichs in Rheinland-Pfalz, er soll die Entwicklung der Finanzausgleichsmasse verstetigen. Die Entwicklung der Finanzausgleichsmasse wird durch Zu- oder Abschläge geglättet, die entsprechenden Mittel fließen in eine „Finanzreserve“ beim Land, die auch negativ werden kann. Aus dieser Finanzreserve hat das Land 400 Mio. € entnommen und den Kommunen kurzfristig zur Verfügung gestellt. Zu den Details des Stabilisierungsmechanismus siehe § 5a Landesfinanzausgleichsgesetz. Siehe zum Schutzschirm auch: Finanzministerium Rheinland-Pfalz: Erhebliche Steuermindereinnahmen durch Corona-Krise / Kommunaler Schutzschirm für Rheinland-Pfalz, 14.05.2020; vgl. Gemeinde- und Städtetag Rheinland-Pfalz: Kommunaler Schutzschirm wird als wichtiger Schritt begrüßt – Land und Bund bleiben gefordert, 15.05.2020
  6. Die Rheinpfalz, Rheinland-Pfalz will Kommunen in der Finanznot helfen, 14.05.2020
  7. RTL, Kommunen begrüßen finanziellen Schutzschirm des Landes, 15.05.2020
  8. Landesregierung Rheinland-Pfalz: Gesundheit schützen, Wirtschaft nachhaltig stärken, Kommunen unterstützen, Pressemitteilung vom 18.08.2020
  9. Landesregierung Rheinland-Pfalz: Wir bleiben verlässlich: Stabilität und Investitionen für Land und Kommunen, Pressemitteilung zum Regierungsentwurf des Landeshaushaltes, 01.09.2020 (letzter Absatz)
  10. Stadt Kaiserslautern:Großstadt-OBs fordern Unterstützung für Ordnungsämter und Lösung der Altschulden-Probleme, Pressemitteilung vom 08.10.2020 mit Positionspapier und Resolution im Wortlaut; siehe auch Der Neue Kämmerer: Fünf OBM fordern weitere Finanzhilfen gegen Corona, 09.10.2020
  11. Rechnungshof Rheinland-Pfalz, Kommunalbericht 2020 (Download im Ganzen oder kapitelweise); siehe auch Zeit, Kommunen fehlt Geld für Zukunftsgestaltung, 30.11.2020
  12. SWR, DGB und CDU fordern mehr Engagement vom Land, 30.11.2020
  13. Süddeutsche Zeitung: 19% weniger Gewerbesteuereinnahmen in ersten drei Quartalen, 28.10.2020
  14. Pfälzischer Merkur: Kommunen verbuchen trotz Corona-Krise Plus, 04.03.2021; SWR: Kommunen in Rheinland-Pfalz mit Überschuss, 04.03.2021
  15. SWR, Mainzer Stadtrat senkt Gewerbesteuer, 24.11.2021
  16. Zeit, Mainz im Steuerglück, 12.11.2021; #stadtvonmorgen: Corona: Was macht Mainz mit den Milliarden?, Interview mit Oberbürgermeister Michael Ebling, 24.11.2021. Siehe auch Süddeutsche Zeitung: Mainz entwickelt neues Stadt-Image, 05.12.2021; KOMMUNAL, Gewerbesteuern: Tesla, Biontech und Co - Fluch oder Segen?, 16.02.2022. Siehe auch zur Presseberichterstattung: SWR, Geldsegen durch BioNTech: So schaut die Welt aufs "neureiche" Mainz, 18.01.2022. Auch Marburg (Hessen) profitiert vom dortigen BionTech-Produktionsstandort und erwartet eine Gewerbesteuer-Mehreinnahmen von rund 570 Mio. € in den Jahren 2021 und 2022, die allerdings zu Kürzungen im kommunalen Finanzausgleich führt; Zeit, Marburg profitiert von Biontech-Standort, 10.11.2021; Marburg will Pharma-Standort weiter voranbringen, 02.01.2022
  17. Der Neue Kämmerer, Mainz investiert weiter, 18.07.2022. Siehe auch tagesschau, Millionen in Mainz, knausern in Kusel, 04.01.2023
  18. Der Neue Kämmerer, Biontech: Die Mainzer Geldquelle versiegt, 10.05.2023; FAZ, Der Biontech-Geldregen ist vorerst vorüber, 12.05.2023
  19. Nachrichten-KL.de: Kommunen erhalten weitere 51,2 Millionen Euro zur Pandemie-Bewältigung, 14.05.2022