Kommunalfinanzen 2022 bis 2027 in den Flächenländern
Unter dem Titel "Kommunalfinanzen 2022 bis 2027 in den Flächenländern" haben die kommunalen Spitzenverbände[1] im Juli 2024 eine Tabelle veröffentlicht, die es in sich hat: eine Prognose der kommunalen Einnahmen und Ausgaben der Kommunen in Deutschland über 6 Jahre hinweg. Daraus ergibt sich, dass die Finanzlage der Kommunen jedenfalls im Mittel im Jahr 2022 noch ausgeglichen erschien: Gesamteinnahmen von 306,55 Mrd. € standen Ausgaben von 304,4 Mrd. € gegenüber, so dass ein Überschuss (positiver Finanzierungssaldo) von gut 2 Mrd. € entstand. Einschränkend muss gesagt werden, dass sich hinter solchen Durchschnittszahlen große Unterschiede ("Disparitäten") verstecken: Während viele Gemeinden tatsächlich schwarze Zahlen schreiben und auch Überschüsse erzielen, steckten andere tief und ohne Aussicht auf Besserung in einer dauerhaften Verschuldung.
Dramatisch wird es in den darauffolgenden Jahren: Schon 2023 entstand ein kommunales Gesamtdefizit von über 6 Mrd. €, weil zwar die Einnahmen auf 327,1 Mrd. €, die Ausgaben jedoch zugleich auf 333,25 Mrd. € stiegen. Das Ausgabenwachstum in diesem Inflationsjahr lag bei 9,5%, damit konnte der Einnahmezuwachs nicht mithalten. Im aktuellen Jahr 2024 soll sich dieses Defizit noch einmal mehr als verdoppeln auf über 13 Mrd. €, um dann ungefähr auf diesem Niveau (jährlich zwischen 12 und 15 Mrd. €) zu verharren. In der Summe werden die deutschen Kommunen damit in den Jahren 2023-2027 ein Defizit von ziemlich genau 60 Mrd. € anhäufen.
Um diese Summe einzuordnen: Die Gesamtverschuldung der Kommunen betrug nach Angaben des Statistischen Bundesamtes Ende 2022 ziemlich genau 140 Mrd. €.[2] Das obige Defizit hinzugerechnet, wird diese Verschuldung bis Ende 2027 auf 200 Mrd. € ansteigen.
Einen großen Anteil an dem Anstieg der Ausgaben haben die sozialen Leistungen, aber auch die Personalausgaben steigen stark - vor allem in den Jahren 2023 und 2024, eine Folge der hohen Inflation. Schließlich führt die wachsende Verschuldung auch zu steigenden Zinsausgaben. Allein in den erfassten 5 Jahren summieren sich diese auf rund 17 Mrd. €, die direkt zur Verschuldung beitragen. Hingegen werden der Prognose zufolge die kommunalen Sachinvestitionen ab 2025 wieder sinken (von 45,2 Mrd. € im Jahr 2024 auf 38,2 Mrd. € 2027), weil die finanziellen Spielräume für Investitionen fehlen. Angesichts eines kommunalen Investitionsrückstands von über 186 Mrd. €[3] eine fatale Entwicklung.
Kreisfinanzen[Bearbeiten]
Die Finanzprognose der Spitzenverbände ist ein Vierteljahr vor der Steuerschätzung vom Oktober 2024 erschienen, an der die kommunalen Spitzenverbände mitwirken.[4] Ein ausführlicher "Kommunalfinanzbericht 2023/24" ist als Oktober-Ausgabe der Zeitschrift Der Landkreis im Print erhältlich. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Kreisfinanzen. Auch hier gibt es, so der Landkreistag, "trübe Aussichten": 80% der Landkreise in Deutschland haben (teils massive) Probleme mit dem Haushaltsausgleich. Dies wird sich noch verstärken, denn am Ende des laufenden Jahres wird es kaum irgendwo noch Rücklagen geben.
In einem weiteren Schwerpunkt wird die Entwicklung der Kreisumlage in den einzelnen Ländern detailliert dargelegt: Umlagegrundlagen, Hebesatzgestaltungen, rechtliche Grundlagen der Kreisumlage und aktuelle Rechtsprechung. Zwei Beiträge beschäftigen sich mit dem kommunalen Finanzausgleich; dabei wurde auch eine grafische Darstellung der Finanzausgleichssysteme aller 13 Flächenländer erstellt.[5] Eine Zusammenfassung ist online zu lesen; sie enthält eine Vielzahl von Links zu Einzeldokumenten, Tabellen und Grafiken.
Aktualisierung April 2025[Bearbeiten]
Die Zahlen, die das Statistische Bundesamt im April 2025 veröffentlichte, zeigen, dass die Prognose der Spitzenverbände zum kommunalen Finanzierungsdefizit von der Wirklichkeit noch weit übertroffen wurden.[6] Statt der vorhergesagten 13 Mrd. € betrug im Jahr 2024 das Gesamtdefizit der kommunalen Haushalte 24,2 Mrd. € (den bereinigten Einnahmen von 338,5 Mrd. € standen Ausgaben von 362,7 Mrd. € gegenüber.)[7] Es handelt sich - prozentual gesehen - um das größte jährliche Defizit seit 1990 (-6,7%); nur 1992 und 2003 lag der Finanzierungssaldo ebenfalls unter -5%. Als Ausgabentreiber macht das Bundesamt vor allem die Sozialleistungen aus, die 2024 gegenüber dem Vorjahr um 11,7% anstiegen; Grund dafür waren Anpassungen der Regelsätze bei der Sozialhilfe und beim Bürgergeld. Die Ausgaben der Jugendhilfe stiegen sogar um 17,1%, die der Eingliederungshilfe um 13,6%. Fast schon moderat wirkt dagegen der Anstieg der Personalausgaben um 8,9%. Mit diesen Anstiegen konnten die bereinigten Einnahmen nicht Schritt halten; sie wuchsen nur um 3,5%. Daran ist nicht zuletzt die schwächelnde Konjunktur schuld, wie sich an den stagnierenden Gewerbesteuern (+0,3%) zeigt.
Nur ein Teil der Kommunen konnte dieses hohe - im Einzelfall natürlich sehr unterschiedliche - Defizit noch aus Rücklagen decken, es war also mit einem starken Anstieg der kommunalen Schulden, insbesondere auch wieder der Kassenkredite, zu rechnen. Das Statistische Bundesamt hat zum Ende 2024 die kommunale Gesamtverschuldung auf 169,4 Mrd. € beziffert, ein Anstieg um knapp 15 Mrd. €. Zu bedenken ist weiter, dass der kommunale Investitionsrückstand im jüngsten KfW-Kommunalpanel (s.o.) auf 186,1 Mrd. € geschätzt wurde. Wirtschaftlich gesehen (und im Sinne der Doppik) ist ein solcher Investitionsrückstand nicht anders zu bewerten als eine Verschuldung im Haushalt. Anders betrachtet: Die Einhaltung der Schuldenbremse bei Bund und Land ist ein Stück weit Augenwischerei, wenn Schulden nicht vermieden, sondern in die kommunale Ebene gedrückt werden. Angesichts des ungedeckten Finanzbedarfs und der weiter auflaufenden kommunalen Defizite ist das ganz offensichtlich der Fall.
Fußnoten[Bearbeiten]
- ↑ Deutscher Städtetag, Deutscher Städte- und Gemeindebund, Deutscher Landkreistag
- ↑ Destatis: Vorläufiger Schuldenstand der Gemeinden/Gemeindeverbände; hier lässt sich die kommunale Verschuldung für jedes Quartal seit Anfang 2020, aufgeschlüsselt nach Schuldenart (Wertpapiere, Kassenkredite und Kommunalkredite) und nach Bundesländern, abrufen.
- ↑ Siehe dazu das KfW-Kommunalpanel, Ausgabe 2024
- ↑ Ein direkter Vergleich zwischen beiden Prognosen ist nicht möglich, weil die Steuerschätzung nur die Steuereinnahmen behandelt, dabei jedoch die Gemeindesteuern der Stadtstaaten einbezieht, die in der Finanzprognose der Spitzenverbände nicht enthalten sind.
- ↑ Deutscher Landkreistag: Kommunale Finanzausgleiche der Bundesländer (Stand 2024, pdf-Format, 13 Seiten)
- ↑ Destatis: Kommunen verzeichnen im Jahr 2024 Rekorddefizit von 24,8 Milliarden Euro, Pressemitteilung vom 01.04.2025. Siehe dazu auch die Pressemitteilung des Deutschen Städtetages: Historisches Rekorddefizit zeigt: Es braucht sofort eine neue Finanzverteilung, 01.04.2025
- ↑ Die in der Überschrift der Pressemitteilung genannten 24,8 Mrd. € beziehen sich auf die kommunalen Kern- und Extrahaushalte, beziehen also z.B. kommunale Unternehmen, Fonds, Stiftungen etc. ein. Beim Vergleich ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass die Prognose der kommunalen Spitzenverbände die Stadtstaaten nicht einbezog.
Weblinks[Bearbeiten]
- Kommunale Spitzenverbände: Kommunalfinanzen 2022 bis 2027 in den Flächenländern, Tabelle (Juli 2024, Download im pdf-Format, 1 Seite)
- Siehe dazu auch: Kommunale Spitzenverbände, Kommunale Finanzprognose 2024, Pressemitteilung
- Deutscher Landkreistag: Kreisfinanzen 2023/2024 (Zusammenfassung mit vielen Links auf Einzeldokumente)
- Siehe dazu auch: Deutscher Landkreistag, Trübe Aussichten für die Kreisfinanzen, Pressemitteilung, 21.10.2024