Steuerschätzung vom Oktober 2024
Mit der aktuellen Steuerschätzung vom 24. Oktober 2024 werden die Prognosen der letzten Schätzung vom Mai 2024 korrigiert. Im Unterschied zum Mai liegen jetzt die Ist-Zahlen für 2023 weitgehend vor; außerdem wird als weiteres Prognosejahr das Jahr 2029 hinzugefügt. Wie erwartet fallen die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden im laufenden und in den nächsten Jahren (noch) niedriger aus als im Mai geschätzt, doch sind die Abweichungen relativ gering. Die negativen Botschaften wurden bereits bei den beiden vergangenen Schätzungen verkündet. Die Unterschiede resultieren im Wesentlichen daraus, dass in der ersten Jahreshälfte für Deutschland noch ein reales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 0,3% für 2024 erwartet wurde, was jetzt auf ein leichtes Minus von -0,2% korrigiert wurde. Für 2025 geht die Steuerschätzung von einem realen Wachstum von 1,1% aus, 2026 sollen es 1,6% sein - die Bundesregierung erwartet u.a., dass die Wachstumsinitiative Wirkung zeigt und der private Konsum wieder anzieht.[1]
Aussichten für die Kommunen[Bearbeiten]
Die Steuereinnahmen der Kommunen sollen 2024 rund 0,6 Mrd. € geringer ausfallen als vor einem halben Jahr geschätzt, sie betragen damit 145,2 Mrd. €. Im kommenden Jahr sollen sie um 4,4% auf 151,6 Mrd. € steigen, das ist eine runde Milliarde weniger als vor einem halben Jahr erwartet. Auch in den Jahren 2026-2028 wurden die Zahlen, wenn auch geringfügig, nach unten korrigiert; dabei wird für 2026 ein relativ hohes Wachstum der kommunalen Steuereinnahmen um 5,1% erwartet, in den Folgejahren liegt dies dann wieder unter 4%. Eine Korrektur ist jedoch noch nicht eingearbeitet: Da die Steuerschätzung immer vom aktuellen Steuerrecht ausgeht, sind die Wirkungen der für 2025 geplanten, aber noch nicht in Gesetzesform gegossenen Steuererleichterungen nicht berücksichtigt, sie dürften auch die kommunalen Einnahmen noch einmal schmälern.
Die Steuerschätzung betrachtet naturgemäß nur die Steuereinnahmen und damit, insbesondere aus kommunaler Sicht, nur einen Teil der Einnahmen, zu denen auch z.B. Zuweisungen von Bund und Land, Entgelte und viele andere gehören. Die Ausgabenentwicklung bleibt ebenfalls außer Betracht. Um die Dramatik der Kommunalfinanzen insgesamt zu verstehen, empfiehlt sich daher ein Blick auf eine Analyse der kommunalen Spitzenverbände aus dem Juli 2024: Kommunalfinanzen 2022 bis 2027 in den Flächenländern.
Länder und Bund[Bearbeiten]
Auch die Länder können mit weniger Einnahmen als zuletzt geschätzt rechnen, in den Jahren 2025 bis 2028 liegt die Differenz zur letzten Schätzung jeweils bei um die 5 Mrd. €., aufsummiert sind dies Mindereinnahmen von 23 Mrd. €. Das wirkt sich auch auf die Kommunen negativ aus, speist sich doch der kommunale Finanzausgleich aus diesen Einnahmen. Anders der Bund, der 2025 sogar ein leichtes Plus im Vergleich zur letzten Schätzung verzeichnet, weil die Abführungen an die EU niedriger ausfallen als zuletzt erwartet. In den darauffolgenden Jahren muss aber auch der Bund seine Steuererwartungen zurückschrauben. In den Jahren 2024-2028 nimmt der Bund danach fast 13 Mrd. € weniger ein als in der letzten Steuerschätzung angenommen.
"Extrem ernüchternd"[Bearbeiten]
Der Deutsche Städtetag bezeichnet die Ergebnisse als "extrem ernüchternd" und sieht eine "lange Durststrecke" auf Deutschland zukommen, "in der das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf praktisch nicht mehr wächst". "Auf absehbare Zeit wird das Wachstum der Steuereinnahmen größtenteils nur noch die Inflation ausgleichen können." Die Kommunen brauchen "mehr Beinfreiheit für Investitionen", d.h. einen höheren Anteil an den Steuereinnahmen und weniger Vorschriften für die Verwendung von Fördermitteln.[2] Ganz ähnlich der Deutsche Städte- und Gemeindebund: „Die heute veröffentlichten Zahlen der Steuerschätzung sind erwartungsgemäß ernüchternd. Die finanzielle Lage in den Städten und Gemeinden ist so angespannt wie seit Jahrzehnten nicht mehr.“ Im Unterschied zum Städtetag will der DStGB jedoch festgehalten wissen, Deutschland habe "kein Einnahme-, sondern zunächst einmal ein Ausgabenproblem". Er fordert daher "ein Aufgabenmoratorium und eine echte Konnexität", jedoch zugleich auch "eine Erhöhung der gemeindlichen Anteile an den Gemeinschaftssteuern".[3]
Der Deutsche Landkreistag hat - wie in den Vorjahren - die Steuerschätzung unkommentiert gelassen, er veröffentlichte jedoch kurz zuvor seinen "Kommunalfinanzbericht 2023/24" als Oktober-Ausgabe der Zeitschrift Der Landkreis. Der Bericht beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Kreisfinanzen.[4] Auch hier gibt es, so der Landkreistag, "trübe Aussichten": 80% der Landkreise in Deutschland haben (teils massive) Probleme mit dem Haushaltsausgleich. Dies wird sich noch verstärken, denn am Ende des laufenden Jahres wird es kaum irgendwo noch Rücklagen geben. Beim Landkreistag kann auch die Finanzprognose der kommunalen Spitzenverbände "Kommunalfinanzen 2022 bis 2027 in den Flächenländern" vom Juli 2024 abgerufen werden. Schon im September 2024 formulierte der Landkreistag sein Fazit: "Die kommunale Finanzlage wird dramatischer." Es brauche einen "Befreiungsschlag" fpr die kommunalen Finanzen. Die Forderung wird sehr konkret gemacht: Der kommunale Anteil an der Umsatzsteuer müsse von jetzt ca. 2% auf 6% angehoben werden. Das würde die kommunalen Einnahmen aus dieser Steuer von knapp 8,2 Mrd. € auf um die 17,5 Mrd. € erhöhen. Dann könnten, so der Landkreistag, auch bestimmte Förderprogramme zurückgefahren werden. Natürlich ginge das zu Lasten von Bund und Ländern, was bei der momentanen Haushaltslage eine Realisierung sehr unwahrscheinlich macht. Der Landkreistag kritisiert in diesem Zusammenhang auch den Umgang mit der Schuldenbremse, die er grundsätzlich richtig findet: Weil sie nur auf Bund und Länder angewendet werde, werde sie in einer Weise umgesetzt, die die Kommunen in die Verschuldung treibt; die Schulden werden somit nicht vermieden, sondern in die unterste Ebene gedrückt.[5]
Schuldenbremse muss reformiert werden[Bearbeiten]
Die Kritik des Landkreistages an der Anwendung der Schuldenbremse trifft einen richtigen Punkt, geht aber meiner Ansicht nach nicht weit genug. Die in den meisten Kommunen heute angewandte Doppik legt nahe, unterlassene, aber notwendige Investitionen wirtschaftlich genauso wie Geldschulden zu betrachten - beides reduziert das Eigenkapital. Diese Sichtweise sollte auch für Bund und Länder gelten. Wer notwendige Investitionen unterlässt, um Schulden zu vermeiden, tut kommenden Generationen keinen Gefallen; ob diese die Folgen höherer Verschuldung im Haushalt, einer verfallenden Infrastruktur oder eines unterbliebenen Klimaschutzes tragen müssen, macht keinen wesentlichen Unterschied. Eine Schuldenbremse, die nur Geldschulden sieht, greift somit zu kurz. Größere öffentliche Investitionen sind notwendig, um Schäden und Kosten in der Zukunft zu vermeiden; Kosten, die oft höher sind als die Zinsen und die Tilgung der Kredite. Wenn eine Schuldenbremse sogar rentable Investitionen verhindert, wird sie zur Zukunftsbremse. Eine Politik, die die Schuldenbremse absolut setzt und jede Abwägung zwischen dem Nutzen einer Investition und ihren Kosten verweigert, ist rein ideologisch motiviert und schadet im Ergebnis dem Land insgesamt.
Fußnoten[Bearbeiten]
- ↑ Bundesfinanzministerium: Ergebnisse der 167. Sitzung des Arbeitskreises "Steuerschätzungen" vom 22. bis 24. Oktober 2024 in Gotha., mit Links auf die Tabellen, die Pressemitteilung und die Pressekonferenz (Video, ca. 45 min.)
- ↑ Deutscher Städtetag: Lange Durststrecke droht – kein Spielraum mehr für zusätzliche Ausgaben, Pressemitteilung vom 24.10.2024
- ↑ Deutscher Städte- und Gemeindebund: Steuerschätzung lässt keine Entlastung erwarten, Pressemitteilung vom 24.10.2024
- ↑ Eine immer noch sehr informative Zusammenfassung mit vielen Links auf Einzeldokumente, Grafiken und Tabellen ist online abzurufen: Deutscher Landkreistag, Kreisfinanzen 2023/2024, Oktober 2024
- ↑ Deutscher Landkreistag: Befreiungsschlag für die Kommunalfinanzen notwendig, Pressemitteilung vom 09.09.2024, sowie Trübe Aussichten für die Kreisfinanzen, Pressemitteilung vom 21.10.2024