Steuerschätzung vom Mai 2024

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Die Steuerschätzung vom 16.05.2024 fällt, wie erwartet, niedriger aus als vor einem halben Jahr gedacht - nicht nur für 2024, sondern auch für die Folgejahre. Das liegt vor allem an der sich schlechter entwickelnden Konjunktur, aber auch die niedrigere Inflation spielt eine Rolle; sie sorgt für geringere nominale Zahlen. Am Ende fehlen, gemessen an der Prognose vom vergangenen Oktober, in den Jahren 2025-2028 zwischen 8 und 11 Mrd. € jährlich, die allerdings überwiegend zu Lasten von Bund und Ländern, weniger der Gemeinden gehen. Deren Haushalte sind aber schon jetzt recht prekär.

Lindner wiederholt - nach eigenen Worten "fast mantraartig" - die Botschaft: "Neue finanzielle Spielräume gibt es absehbar nicht."[1] Das fußt natürlich auf dem Dogma, dass die Einhaltung der Schuldenbremse Vorrang vor allem anderen, auch vor notwendigen Zukunftsinvestitionen hat. So steigt absehbar der Investitionsrückstand auf allen staatlichen Ebenen, und die wirtschaftliche Flaute wird vertieft - eine mindestens ebenso große Belastung wie Schulden im Haushalt.

In diesem Artikel werden, wie üblich, vorrangig die Ergebnisse der Steuerschätzung für die kommunale Ebene betrachtet.

Rückblick auf 2023[Bearbeiten]

Im Unterschied zur vorausgegangenen Steuerschätzung liegen jetzt die Ist-Zahlen für das abgelaufene Jahr vor. Im Jahr 2023 nahmen die Gemeinden und Kreise in Deutschland rund 141,8 Mrd. € an Steuern ein, 2,5 Mrd. € mehr als noch im Oktober 2023 erwartet; das entspricht einer Steigerung gegenüber 2022 um 4,7%. Dem ist jedoch die offizielle Inflationsrate im vergangenen Jahr von 5,9% gegenüberzustellen;[2] real gingen damit 2023 die kommunalen Steuereinnahmen um 1,2% zurück.

Für die Kommunalfinanzen insgesamt verzeichnete das Statistische Bundesamt für das Jahr 2023 ein kommunales Gesamtdefizit[3] von 6,8 Mrd. € bei Gesamteinnahmen von 365 Mrd. €.[4] Ein ähnlich hohes Defizit hatte es zuletzt 2010 gegeben, seit 2012 war der kommunale Finanzsaldo bis 2022 positiv. Der bundesweite Finanzsaldo rechnet die Einnahmen und Ausgaben aller Kommunen in Deutschland zusammen; d.h., in einzelnen Kommunen kann das prozentuale Defizit noch weitaus größer sein, andere erzielen weiterhin Überschüsse. Das Amt führt dieses Defizit vor allem auf die Sozialausgaben zurück, die 2023 um fast 12% gegenüber 2022 anstiegen, u.a. aufgrund der Erhöhung des Bürgergeldes und der Sozialhilfe sowie der Unterstützung ukrainischer Geflüchteter. Auch Personalausgaben, Sachmittel, Investitionen (Baupreise!) und nicht zuletzt die Zinsen stiegen im vergangenen Jahr überproportional an.

Aussichten für 2024-2028[Bearbeiten]

Für das laufende Jahr können die Gemeinden ein geringfügig höheres Steueraufkommen erwarten als noch im Oktober geschätzt. Real bedeutet dies noch etwas mehr, da die Inflationsrate schneller sinkt als im Oktober 2023 unterstellt. Damit sollen die Steuereinnahmen der Kommunen im Jahr 2024 bei 145,8 Mrd. € liegen, die Steigerung gegenüber dem Vorjahr beträgt 2,8% und liegt damit sehr nahe an der für dieses Jahr erwarteten Inflation - real also kein Zuwachs. Damit wäre für die Gemeinden im laufenden Jahr ein ähnliches Gesamtdefizit zu erwarten wie im Vorjahr, denn die Ausgaben dürften mindestens im gleichen Maße wachsen.

In den Folgejahren sollen die kommunalen Steuereinnahmen mit Raten zwischen 3,6% und 4,7% steigen. Falls dies so eintrifft, könnte sich die kommunale Finanzlage damit langsam wieder entspannen. Bei dieser Schätzung wurde ein Wirtschaftswachstum von 3% bei einer Inflationsrate von 2% jährlich unterstellt - und natürlich keine Änderungen im Steuerrecht. Dennoch müssen die Kommunen ihre mittelfristige Finanzplanung korrigieren, denn die vorausgegangene Schätzung hatte für 2025 einen Anstieg des Steueraufkommens um 6% vorausgesagt; im nächsten Jahr (und auch im übernächsten) fehlen den Kommunen daher jeweils rund 2 Mrd. € im Vergleich zur Steuerschätzung vom vergangenen Oktober.

Bewertung und Reaktionen[Bearbeiten]

Die Jahre von 2012 bis 2022 waren für die Kommunen finanziell glimpflich verlaufen - sie verzeichneten Überschüsse, natürlich nur in der Gesamtschau, es gibt weiterhin stark defizitäre und überschuldete Kommunen wie auch solche mit Überschüssen und Rücklagen. Krisen wurden von Bund und Ländern abgefangen, besonders die Corona-Krise,[5] wesentlich eingeschränkter auch die Krise nach Beginn des Ukraine-Krieges und die dadurch ausgelöste Fluchtwelle. Doch diese Zeiten sind vorerst vorbei. Der Staat spart, die FDP in der Bundesregierung stellt die Einhaltung der Schuldenbremse über alle anderen politischen Ziele und wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Die deutlich reduzierten Hilfen z.B. für die Kosten durch die Zuwanderung sind hierfür ebenso kennzeichnend wie die durch Bundesrecht erhöhten, vom Bund jedoch nicht ausgeglichenen Ausgaben bei den sozialen Leistungen. Damit werden die Kommunen indirekt zur Mitfinanzierung des zunehmend engen Bundeshaushalts herangezogen.

Nicht überraschend, aber knapp fallen die Kommentare der kommunalen Spitzenverbände aus. Der Deutsche Städtetag sieht für die kommenden Jahre "eine lange Durststrecke". Um gegenzusteuern, müssten die Städte investieren können; dies sei ihnen jedoch nicht möglich.[6] Ganz ähnlich der Deutsche Städte- und Gemeindebund: "Marginal steigenden Einnahmen stehen weiter förmlich explodierende Ausgaben entgegen. Durch diese dauerhafte strukturelle Unterfinanzierung ist die kommunale Handlungs- und Investitionsfähigkeit akut gefährdet." Bund und Länder müssten ihren Beitrag für nachhaltige Kommunalfinanzen leisten. Danach setzt er jedoch einen anderen Akzent als der Städtetag: Nicht alles, was wünschenswert ist, sei auch finanzierbar. Es brauche "ein Aufgabenmoratorium und in der Folge eine Diskussion zwischen Bund, Ländern und Kommunen über eine mögliche Priorisierung öffentlicher Aufgaben."[7] Der Deutsche Landkreistag verzichtet, wie schon bisher, auf eine Stellungnahme zur Steuerschätzung, hat aber eine Woche früher bereits eine Erklärung zu den Kreisfinanzen abgegeben: "Hohe Personalausgaben, steigende Sachaufwände, ein üppiger Tarifabschluss und vor allem die Sozialausgaben sind die wesentlichen Kostentreiber." Die Kreisfinanzen seien "alles andere als krisenfest", weil die Kreise kaum eigene Steuereinnahmen haben und von der Kreisumlage sowie dem kommunalen Finanzausgleich abhängig sind. Daher unterstützt der Landkreistag den Gang zweier Landkreise vor das Bundesverfassungsgericht, um den Stellenwert der kommunalen Selbstverwaltung bei der Bemessung der Finanzausstattung zu klären. Zudem fordert er eine Verbesserung eigener Steuereinnahmen, z.B. durch die Erhöhung des kommunalen Anteils an der Umsatzsteuer um einen eigenen Kreisanteil.[8]

Fußnoten[Bearbeiten]

  1. Bundesfinanzministerium: Ergebnisse der 166. Steuerschätzung, Pressemitteilung vom 16.05.2024
  2. Statistisches Bundesamt: Inflationsrate im Jahr 2023 bei +5,9 %, Pressemitteilung vom 16. Januar 2024
  3. Das vom Bundesamt ermittelte Gesamtdefizit setzt sich aus Kern- und Extrahaushalten zusammen, d.h. hier sind auch kommunale Einrichtungen enthalten, die eigene Wirtschaftspläne außerhalb des Haushalts führen.
  4. Statistisches Bundesamt, Kommunen im Jahr 2023 mit 6,8 Milliarden Euro erstmals wieder seit 2011 im Defizit, Pressemitteilung vom 3. April 2024
  5. Siehe dazu den Artikel: Corona und die Folgen – neue Finanzkrise und Bundeshilfen; der Text ist auf dem Stand von Anfang 2022
  6. Deutscher Städtetag: Unterm Strich weniger Geld für kommunale Investitionen – steigende Kosten fressen zusätzliche Einnahmen komplett auf, Pressemitteilung vom 16.05.2024
  7. Deutscher Städte- und Gemeindebund: Kommunalfinanzen in Schieflage - Steuerentwicklung kann nicht mit Ausgabenexplosion mithalten, Pressemitteilung vom 16.05.2024
  8. Deutscher Landkreistag: Die Kreishaushalte sind nicht krisenfest, Pressemitteilung vom 08.05.2024

Veröffentlichung[Bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten]